Zentraler Faktor für den Erfolg

Ist die im Leitsatz 12 des LeRUKa geforderte Professionalität von Religionslehrpersonen und katechetisch Tätigen eine «Eier legende Wollmilchsau» oder doch nur Anforderungen, denen man genügen kann?

Die Professionalität der Lehrperson hat Einfluss auf die Qualität des Unterrichtes. (Bild: Kuanish Reymbaev)

 

Professionalität von Religionslehrpersonen und katechetisch Tätigen ist als zentraler Faktor für den Erfolg der eigenen Tätigkeit zu verstehen. Diese Einsicht ist zwar nicht neu, aber trotzdem immer wieder in den Fokus zu nehmen. Aber was bedeutet Professionalität denn eigentlich? In der – wissenschaftlichen – Diskussion werden verschiedene Aspekte ins Feld geführt. Es sind die eigenen Werthaltungen, Überzeugungen und Selbstverpflichtungen, die das pädagogische Handeln unterstützen und fördern. Damit verbunden auch die eigene Spiritualität, die sich aus der christlich-jesuanischen Gottesbeziehung nähren lässt. Im Weiteren umfassen die motivationale Orientierung und Selbstregulation die psychische Dynamik des Handelns; gemeint ist die Stärkung der eigenen Motivation und damit verbunden das Setzen der Sinnhaftigkeit für das eigene Tun. Elementar scheint dabei zu sein, dass man trotz der Erfahrung des pädagogischen Scheiterns immer wieder die Kraft hat, weiterzumachen. Gerade diese Selbstregulation ist wiederum geprägt von den eigenen Überzeugungen und Werthaltungen.

Breitgefächertes Professionswissen

Ein zentraler Aspekt für professionelles Handeln stellt das Professionswissen dar. Dieses kann in einer fünffachen Art ausdifferenziert werden: Fachwissen, fachdidaktisches Wissen, pädagogisch-psychologisches Wissen, Organisations- und Systemwissen und Beratungswissen.

• Für Religionslehrpersonen und katechetische Tätige ist das Fachwissen nebst der Grundlagendisziplin der Theologie auch von weiteren Bezugsdisziplinen wie beispielsweise jene der Soziologie, Geschichte oder Philosophie geprägt. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass sich dieses konkrete Fachwissen vor allem auf den Lehrplan bezieht. In Bezug auf dieses Lehrplanwissen kann auch von einer «Nukleus-Systematik» gesprochen werden, was so viel bedeutet, als dass theologische Themen eine schon im Kern vorhandene Komplexität aufweisen. Das ist vielleicht einer der Hauptunterschiede zu naturwissenschaftlichem Lehrplanwissen, das sich eher linear-aufbauend darstellt.

• Fachdidaktisches Wissen meint, dass beispielsweise ein Verständnis der Lernprozesse, ein didaktisches Verständnis über das Wechselverhältnis von Alltagsvorstellungen und fachlichem Wissen oder Kompetenzorientierung vorhanden ist, das sich in der konkreten Planung von Unterricht und Angeboten umsetzt.

• Unter einem pädagogisch-psychologischen Wissen wird religionsbezogenes, entwicklungspsychologisches, religionspsychologisches oder religionspädagogisches Wissen verstanden, das für die Unterrichtsgestaltung, das Classroom-Management oder auch für die eigene Reflexionsfähigkeit der Arbeit angewandt wird.

• Ein vielleicht vernachlässigter Aspekt im Zusammenhang mit Professionswissen stellt das Organisations- und Systemwissen dar. Damit ist u. a. auch ein Verständnis der Systematik der eigenen Organisation gemeint, also der Schule oder der Kirche – zwei unterschiedliche Systeme. Gerade im helvetischen Kontext ist dies von besonderer Bedeutung, weil der Lehrplan für Religionsunterricht und Katechese LeRUKa von zwei Lernorten spricht, dem Lernort Schule und dem Lernort Kirche. Das Wissen, wie diese Systeme funktionieren und welche formellen und informellen Gesetzmässigkeiten gelten, wird zu einem wesentlichen Faktor professionellen Handelns: Katechetische Angebote müssen nicht «verschult», in der Schule stattfindender Religionsunterricht nicht «verkatechetisiert» werden. Im Lehrplan wird deshalb auch gefordert, dass Religions- unterricht – vorab auch dann, wenn er am Lernort Schule stattfindet – die Vermittlung eines gesamtheitlichen Glaubenswissens ist und die Katechese am Lernort Kirche die Förderung der Beheimatung als Kirche zum Ziel hat.

• Das Beratungswissen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Förderung und Stärkung religiös-spiritueller Dispositionen bei Schülerinnen und Schülern, aber auch bei Erwachsenen, erhalten eine entscheidende Bedeutung. Dabei sind Primärsozialisationsräume wie jene der Familie oder des engeren Beziehungsnetzes ebenso zu berücksichtigen wie die Sekundärsozialisationsräume wie beispielsweise schulische, kirchliche oder auch medial-digital geprägte Lern- und Begegnungsorte. Diese Beratungskompetenz zeigt sich in ihren entsprechenden kommunikativen und unterstützenden Fähigkeiten.

Qualität sichern

Und nun? Ist damit nicht die bekannte «Eier legende Wollmilchsau» gefordert? Auch wenn die Ansprüche an die Professionalität hoch erscheinen, man darf sie trotzdem nicht eliminieren. Es ist eine Tatsache, dass sich die schweizerische Bildungslandschaft während der vergangenen zwei Jahrzehnte stark entwickelt und sich eine zunehmend professionell-wissenschaftsorientierte Ausbildungs- und Weiterbildungskultur etabliert hat. Damit die Kirche als Bildungsträger ihre Anschlussfähigkeit an diese Entwicklung nicht verliert, braucht es diese beschriebene Professionalität der Religionslehrpersonen und katechetisch Tätigen, ansonsten versinken die kirchlichen Angebote in der Bedeutungslosigkeit.

Was kann dies nun konkret heissen? Wir stehen zurzeit in der Phase der Einführung und Umsetzung des Lehrplans für Religionsunterricht und Katechese LeRUKa. Mit diesem Lehrplan werden dabei nicht «nur» die schulpflichtigen Kinder in den Blick genommen, sondern auch Kleinkinder wie auch Jugendliche und Erwachsene sind mitgedacht. Damit dieses Projekt LeRUKa gelingt, braucht es das professionelle Handeln der Religionslehrpersonen und katechetisch Tätigen. Das Projekt stellt die Gelegenheit dar, Professionalität ins Zentrum zu stellen. Es ist erwiesen, dass die Qualität des Unterrichts – und auch der Katechese – vom Professionsgrad der einzelnen Religionslehrperson resp. Katechetin oder des einzelnen Katecheten abhängt. Anders formuliert: Durch die Professionalisierung kann die Wirksamkeit des Lehrplans gefördert, ja gar gesichert werden.

Diese Einsicht zeigt einige Folgen: Unter anderem können Ausbildungsgänge und Weiterbildungen konsequent auf den Professionsanspruch geprüft und auch weiterentwickelt werden. Lehrplanorientiertes fachwissenschaftliches, fachdidaktisches, entwicklungspsychologisches Wissen, aber auch System- und Beratungswissen müssen aufgebaut werden. Es braucht Ausbildungsgefässe, in denen Werthaltungen, Spiritualität, Motivation und Selbstregulation immer wieder gefördert und gestärkt werden.

Mit diesem Fokus können in diesen auch andere Formen wie Supervision oder Beratungs- und Begleitgruppen als entsprechende inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden, um in der Gesamtheit letztlich alle Bereiche abzudecken. Damit bekommen die Religionslehrpersonen und katechetisch Tätigen die Möglichkeit, ihre eigene Professionalität weiterzuentwickeln und für sich eine Basis zu schaffen für ein gewinnbringendes und sinnstiftendes Engagement.

Guido Estermann

 

Dieser Beitrag schliesst die Serie zu den zwölf Leitsätzen zum «Leitbild Katechese im Kulturwandel» ab. Im nächsten Jahr werden in loser Folge Beiträge zu den sechs Kompetenzbereichen publiziert. Video zu Leitsatz 12.
Weitere Informationen zum Leitbild finden sich unter www.reli.ch

 


Guido Estermann

Dr. Guido Estermann (Jg. 1967) ist Beauftragter für Pastoral des Generalvikars Zürich/Glarus.

 

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