Anton Bruckner

Anton Bruckner (1824–1896), Gemälde von Ferry Bératon, um 1890. (Bild: Wikipedia)

 

Natürlich hat Bruckner auch dann, wenn er Nichtreligiöses vertonte, immer als religiöser Mensch komponiert, dem alle Musik letztlich von Gottes Gnade «geschenkt» ist. Musik ist für ihn die Sprache des Herzens, und sein Herz hat zutiefst innerlich geglaubt, oft betete er beim Komponieren «Mein lieber Gott». Als Musiker ist er deshalb keine gespaltene Existenz. Vielmehr verbindet er in sich, ähnlich wie bei Johann Sebastian Bach, den «weltlichen» Symphoniker und den «geistlichen» Kirchenmusiker zu einer Einheit […]. In seiner persönlichen Grundeinstellung, Grundhaltung und Grundintention ist Anton Bruckner also selbst dort, wo er keine religiösen Themen vertonte, wo er durchaus profane Vorstellungen und Bilder aufnimmt, im – wenn man so will – gut katholischen, umfassenden Sinn ein «religiöser Musiker», der viele seiner Werke mit dem Signum «O.A.M.D.G.» («Omnia ad maiorem Dei gloriam») versieht und der nicht nur sein «Te Deum» und seine Neunte Symphonie, sondern alles «zur grösseren Ehre Gottes» schreit. Musik als Gottes-Dienst: nie erotisiert flackrig und oszillierend wie die Wagners, sondern durchströmt von grosser Gewissheit.

Hans Küng (1928–2021)

 

Quelle: Küng, Hans, Musik und Religion. Mozart – Wagner – Bruckner, München 2006, S. 181 f.

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Editorial

Wege zu Anton Bruckner

Der meine führt zurück in die Kirchen-Kindheit. Als Ministrant und später Oberministrant an der Kathedrale St. Gallen bestaunten und (dann als Pubertierende) kommentierten wir das Treiben am heiligen Ort. Es fiel auf, dass es einen «Big Boss» gab, den Bischof, der aber hiess zu unserer Zeit Josephus Hasler und war ein ganz «lieber». Der an anderen Orten wohl gefürchtete Pfarrer hiess bei uns nur «Pfarr-Rektor» und war eine Art Hilfskraft. Daneben aber gab es die Allgewaltigen, ich nannte sie damals heimlich das Triumvirat: Die drei nebst dem Bischof mächtigen Männer, die das Sagen hatten, waren sämtlich Laien, der Obermesmer, der Domorganist und der Domkapellmeister. Uns fiel auf, dass sie über eine Art Vetorecht verfügten. Heute staune ich über solche selbstgewachsenen Hierarchien. Der Domkapellmeister zu meiner Zeit hiess Johannes Fuchs und hatte ein äusserst barockes Aussehen. Zu einer Zeit, in der Anton Bruckner in den Konzertsälen noch nicht das heutige Renommee hatte, engagierte Johannes Fuchs sich sehr für sein sakrales Werk und führte mit dem Domchor und dem städtischen Orchester auch die «grossen Kisten» auf: die Messen in d-moll, e-moll und f-moll und das «Te Deum». Mich führte dieser Weg ziemlich direkt zu Richard Wagner. Wie das Leben so spielt!

Heinz Angehrn