Entwicklungen in der kirchlichen Ausbildung

Szene aus dem Werbefilm fürs Theologiestudium in Chur, 2020. (Bild: zvg)

 

Eine Gesellschaft im Wandel führt zu einer Kirche im Wandel, sofern sie Teil dieser Gesellschaft sein und bleiben will. Damit verbunden ist neben vielen pastoralen Fragen auch die Frage danach, welche Bildung allgemein und welche Ausbildung im Besonderen Kirche braucht, um den aktuellen und künftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Und um die Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen und Freiwilligen für ihren Dienst zu befähigen sowie zu ermutigen.

Aktuelle Umbruchsituationen, strukturelle Fragen, kirchenpolitische Ungleichzeitigkeiten und die hohe Anzahl anstehender Pensionierungen bergen Gefahr, nur noch die Herausforderungen zu sehen und sich von ihnen lähmen zu lassen. Das verstellt den Blick auf die Chancen und Gestaltungsspielräume, die sich durch personelle, strukturelle und finanzielle Veränderungen ergeben. Hierfür braucht es Kreativität, Mut, Entschlossenheit, Freiräume, Gottvertrauen und auch Beharrlichkeit, um den Widerständen zu begegnen, die alle Veränderungen von Relevanz mit sich bringen.

Es wird deutlich, dass die Veränderungen viele kirchliche Berufsgruppen und alle Ebenen der Kirche mit den verschiedenen Institutionen betreffen: z. B. die Seelsorgeräume mit entsprechenden Koordinierungsstellen, die kantonalen Körperschaften mit ihren katechetischen oder jugendpastoralen Fachstellen, die Diözesen mit ihren Berufseinführungen, die überdiözesane Ebene mit dem Theologisch-pastoralen Bildungsinstitut TBI, dem Religionspädagogischen Institut RPI und den Fakultäten. Dazu passt auch, dass die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz DOK Ende August über neue Qualifikationsprofile für Katecheten und Religionspädagoginnen befand und entschieden hat, wie künftig die Ausbildung von Seelsorgenden erfolgen soll.

Der Bildungsrat der katholischen Kirche in der Deutschschweiz koordiniert und begleitet die Entwicklungen auf überdiözesaner Ebene auf der Basis der «kirchlichen Bildungssystematik der Deutschschweiz» von 2021 und ist darum bemüht, auch die diözesanen und kantonalen Perspektiven einzubinden. Hierzu ist der Bildungsrat mit den verschiedenen Institutionen, den Pastoralamtsleitenden, den Personalverantwortlichen und Regentien vernetzt, um die DOK umfassend und fundiert beraten sowie im eigenen Zuständigkeitsbereich strategisch agieren zu können. Als zentrale und zu lösende Herausforderungen stellen sich dem Bildungsrat aktuell unter anderem folgende Fragen: Verfügen wir über ausreichend Praxisstellen mit den erforderlichen Ressourcen für eine fundierte Ausbildung? Wie lösen wir den Anspruch ein: kein Abschluss ohne Anschluss? Wie bilden wir Ausbildende aus? Welche Strukturen braucht es, damit wir Menschen befähigen und ermutigen, eine Kirche im Wandel in einer Gesellschaft im Wandel zu gestalten?

David Wakefield*

 

* David Wakefield (Jg. 1982) ist Studienleiter am RPI der Universität Luzern und leitet das Fachzentrum Katechese der Deutschschweiz. Bis Ende 2019 war er Mitglied der Redaktionskommission der SKZ.

Banner gratis Probeabo bestellen

Editorial

Wenn Selbstverständlichkeiten verschwinden

Am 11. Juni dieses Jahres brach der Südgipfel des im Silvretta-Massiv auf der schweizerisch-österreichischen Grenze liegenden Piz Fenga (deutsch: Fluchthorn) in einem gewaltigen Bergsturz ab und riss auch das Gipfelkreuz in die Tiefe. Damit wurde der auf Schweizer Boden liegende Mittelgipfel mit 3396 m der höchste Punkt des vierzackigen Berges. Wir könnten nun sofort über den Klimawandel und den mit ihm verbundenen Schwund des Permafrosts diskutieren (und sicher auf erbitterten Protest von «Weltwoche» und SVP stossen), doch ich möchte dieses Abbrechen von Gipfel und Kreuz heute symbolisch deuten. Es soll auch eine Vorschau auf die SKZ 19/2023 sein. Während annähernd 1500 Jahren war Europa ein christlicher Kontinent. Nicht nur Gipfelkreuze, sondern auch Kirchen, Kapellen und Betstöcke ohne Zahl dominieren seither Land und Landschaftsbild. Die ersten Sekundarschulen wurden in Klöstern geführt, die ersten Universitäten von Mönchen gegründet, wichtige Kunstwerke im Auftrag von geistlichen Fürsten geschaffen. Wo noch vorchristliches Kulturgut vorhanden war, wurde es sehr häufig mit christlichem Inhalt neu gefüllt (etwa der Wechsel von Ferragosto zu Himmelfahrt). Doch nun brechen die Selbstverständlichkeiten ab. Ein Freidenker-Künstler aus dem Innerrhodischen wollte gar einen Gipfel-Halbmond im Alpstein errichten! Was macht das mit uns?

Heinz Angehrn