Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen empfängt eine göttliche Inspiration und gibt sie an ihren Schreiber weiter. Um 1151, unbekannter Künstler. Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber scivias (Bild: Wikimedia)
O Feuer, Geist, Tröster,
Quelle: Zátonyi, Maura (Hg.), Das grosse Hildegard von Bingen Lesebuch. Worte wie Feuerzungen, Freiburg i. Br. 2022, 146.

Editorial
Wer bist Du?
«Wer bist Du, süsses Licht, das mich erfüllt / Und meines Herzens Dunkelheit erleuchtet?» Wer bist Du? Mit dieser Frage beginnt Edith Stein ihren siebenstrophigen Hymnus auf den Hl. Geist (1937). Sie tastet sich fragend nach seinem Geheimnis durch die weiteren Strophen: «Bist Du das süsse Manna … der Strahl … der Meister …?» Die Fragen Edith Steins und ihre Bilder regen mich an, mich selbst zu fragen: Wer ist der Hl. Geist, die Hl. Geisteskraft für mich? Welche Bilder kommen meinen Erfahrungen und meinem Verstehen am nächsten? Finde ich bei Hildegard von Bingen passende Bilder? Edith Steins Antworten wurzeln in der Bibel und münden jeweils am Schluss jeder Strophe in eine Anrufung. Mit den biblischen Bildern bekennt sie, wer die Hl. Geisteskraft für sie persönlich ist. In der ersten Strophe ist sie wie eine «Mutter Hand», die sie leitet und ihrem Leben Richtung gibt. «Und liessest Du mich los, so wüsste keinen Schritt ich mehr zu gehen.» Sie fühlt sich bei ihr geborgen. Sie ist wie ein «Raum», in dem sie aufgehoben ist. Die Geborgenheit führt zu einer Nähe, die ihr näher ist, als sie sich selbst – «Und doch ungreifbar und unfassbar / Und jeden Namen sprengend». Vor diesem Geheimnis ruft sie ihn an: «Heiliger Geist – Ewige Liebe.» Liebe Leserin, lieber Leser, wer ist der Hl. Geist, die Hl. Geisteskraft für Sie? Ich wünsche Ihnen ein frohes Pfingstfest reich an Geistesgaben.
Maria Hässig