Scheitern erlaubt?
(Bild: Stapelspiel – 60 teiliges Holzspielzeug. Gefunden auf www.amazon.de)
du gehst aufs Ganze
so viele Reisen
Pläne und Projekte
du baust ein Wüstenkloster
Ideal und Träume
deren Bruder du geworden bist
das Evangelium wolltest du leben
denn in deinem Zerbrechen leuchtet
* Knapp, Andreas, Charles de Foucauld – gescheitert, in: ders.: Brennender als Feuer. Geistliche Gedichte, Würzburg 82017, 88.

Editorial
Zu Scheiter gehen
Holz hacken und Feuer machen gehörten für meine Brüder und mich in der Kindheit zu unserer Waldhüttenfreizeit. Ein treffsicherer Axthieb und das Holzstück zerbarst in zwei Teile. Diese nährten das Feuer und bescherten uns feine Cervelats. Das Holzscheit steht etymologisch am Anfang von «Scheitern». Zum «Scheit» entwickelte sich die Pluralform «Scheiter». Im 16. Jahrhundert hiessen die Verben hierzu «zuscheitern» oder «zerscheitern» und hatten ihren Kontext in der Schifffahrt. Ein Schiff geht an einer Felsklippe zu Scheiter. Es zerschellt, zerbirst und geht unter. Ein unwiderruflicher Verlust. Einzelne Holzbretter können allenfalls als Rettungsplanken dienen oder an Land geschwemmt und getrocknet ein Feuer nähren. Scheitern betrifft die ganze Existenz: Wenn eine langjährige Partnerschaft in Brüche geht, die berufliche Karriere wie ein Kartenhaus zusammenfällt, durch eine ehrliche Rückmeldung mein Selbstbild zerbricht. Bruchstücke hinterbleiben. In der kommenden Woche begehen wir das österliche Triduum. Beim letzten Abendmahl brach Jesus das Brot – Jesus teilte Bruchstücke mit seinen Jüngern; am Karfreitag gedenken wir seines Todes am Kreuz – dem gewaltvollen Abbruch seines Lebens; in der Osternacht nähren Holzscheiter das Feuer, an dem die Osterkerze angezündet wird – das Licht, das in der Dunkelheit leuchtet und zu neuem Leben führt.
Maria Hässig