Recht am Bild gilt auch in der Kirche

Wer publiziert, braucht Bilder. Doch nicht jeder Schnappschuss darf einfach veröffentlicht werden. Der Persönlichkeitsschutz setzt klare Grenzen. Auch für die Kirchen.

Ob Internetportal oder klassisches Printmedium: Bilder gehören einfach dazu. Denn sie vermitteln Emotionen und machen Lust aufs Lesen. In sozialen Medien sind Fotos und Videos ohnehin ein Muss. So zwingend die passende Illustration, so wichtig die Kenntnis der Regeln, die für deren Veröffentlichung gelten. Diese sind sowohl rechtlicher als auch ethischer Natur.
Den Rahmen setzt Artikel 28 des Zivilgesetzbuches (ZGB). Zum darin formulierten Persönlichkeitsschutz gehört als zentraler Bestandteil das Recht am eigenen Bild. Keine Publikation ohne vorgängige oder nachträgliche Zustimmung des Abgebildeten. So heisst der Grundsatz, den das Bundesgericht in zahlreichen Entscheiden konkretisiert hat. Auch laut dem Datenschutzgesetz (DSG) gilt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wonach jede Person selber über die Verwendung ihrer Daten verfügen soll.
Allerdings wird diese Suppe nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht wurde. Sonst sähen Berichte vom Blauringlager oder vom Pfarreifest noch heute so aus wie früher der Bericht über den kommunistischen Parteitag in der Sowjetpresse.

Kein Foto ohne Einwilligung

Die Schweizer Gerichte und der für medienethische Belange zuständige Presserat haben ein recht feines Sensorium für die visuellen Bedürfnisse von Journalistinnen, Bloggern und anderen Publizisten entwickelt. Heute existieren für die Veröffentlichung von Bildern und Videos detaillierte Regeln, die versuchen, die Balance zu halten zwischen dem Persönlichkeitsschutz und der ebenso wichtigen Medienfreiheit. Das Regelwerk gilt für Publikationen in jeder Form – TV, Radio, Print, Onlineportale, Webseiten, Whatsapp, Facebook, Twitter oder Instagram. Selbst Flyer, Plakate und in der Kirche aufgehängte Fotocollagen sind davon erfasst.

Zwei Faustregeln sollte man sich merken. Erstens: Privatpersonen sind viel stärker geschützt als Menschen, die ein öffentliches Amt ausüben oder sich anderweitig exponiert haben. Zweitens: Willigen die Betroffenen in die Publikation ein, so ist man auf der sicheren Seite. Diese Einwilligung kann auch nachträglich erfolgen und sie muss nicht immer explizit erteilt werden. Wenn aus den Umständen klar wird, dass Bilder an die Öffentlichkeit gelangen, braucht es keine spezielle Zustimmung. Beispiel: Der Religionslehrer teilt den Schülerinnen und Schülern mit, dass ein Fernsehteam den Unterricht filmt. Allerdings setzt die rechtsgültige Einwilligung Urteilsfähigkeit voraus, und diese beginnt bei Jugendlichen erst mit ungefähr 12 bis 14 Jahren. Abhilfe schafft hier ein Mail an die Eltern oder der eindeutige Hinweis in der Einladung, dass vom Anlass Bilder gemacht und in den sozialen Medien veröffentlicht werden. Wer ganz sichergehen will, fordert die Eltern auf, sich umgehend zu melden, falls sie nicht einverstanden sind.

Eine Einwilligung ist grundsätzlich auch für die erneute Publikation erforderlich. Heikel sind also Bilder aus dem Archiv, vor allem wenn sie einen veränderten Kontext herstellen. Schnappschüsse aus dem Ferienlager, welche die Ministranten bei der Tortenschlacht zeigen, mögen in der Whatsapp-Gruppe lustig sein. Aber die Betroffenen werden zu Recht empört reagieren, wenn diese Bilder später unter dem Titel Food Waste wieder auftauchen. Hier hilft nur eine erneute Absprache. Denn das Netz vergisst nichts.

Persönlichkeitsschutz und Medienfreiheit

Mitarbeitende von Pfarreien werden wohl nur selten in die Lage kommen, trauernde Menschen abzubilden. Wohlweislich, denn Ton- und Bildaufnahmen von Trauergottesdiensten «greifen in die Intim- oder Privatsphäre ein», wie die «Publizistischen Leitlinien» von Schweizer Radio und Fernsehen unmissverständlich festhalten. Ein medienethischer Grundsatz, dem die Boulevardpresse nicht immer nachlebt. Allerdings schliessen auch die SRF-Leitlinien Filmaufnahmen von Trauergottesdiensten nicht gänzlich aus. Voraussetzung ist ein grosses öffentliches Interesse – und dieses ist gegeben, wenn eine Person der Zeitgeschichte verstorben ist, etwa ein Bundesrat, ein bekannter Sportler oder auch ein Bischof. Hier müssen es sich die Teilnehmenden gefallen lassen, dass ihr Bild in dezenter Form veröffentlicht wird. Zurückhaltung ist freilich angebracht, dies umso mehr, als das Datenschutzgesetz Informationen über religiöse und weltanschauliche Aktivitäten zu den «besonders schützenswerten Personendaten» zählt.

Was hier im konkreten Fall gilt, ist nicht immer einfach zu entscheiden. Mitunter muss das Recht am eigenen Bild zurücktreten; die Güterabwägung fällt in einer freiheitlichen Gesellschaft oft zugunsten der Medienfreiheit aus. Generell gilt: Wer sich in der Öffentlichkeit oder an öffentlich zugänglichen Veranstaltungen aufhält, darf fotografiert werden. Dies hat das Bundesgericht unter dem Stichwort Panoramafreiheit vielfach festgehalten. In diesem Sinne öffentlich ist gewiss nicht der Religionsunterricht oder das Treffen von kirchlichen Seniorengruppen, wohl aber die Kirchgemeindeversammlung oder ein anderer Event ohne Anmeldungspflicht.
Allerdings gibt es eine klare Grenze: Die fotografierte Person darf nur Teil des Ereignisses oder der Bildumgebung sein, sogenanntes Beiwerk. Also keine Fokussierung und schon gar keine Porträts! Ein konkretes Beispiel: Auf Whatsapp kursieren Gruppenbilder vom Pfarreifest. Diese dürfen auch im Pfarreiblatt publiziert werden, vorausgesetzt die fotografierende Person ist einverstanden. Unnötig (und praktisch unmöglich) ist es in diesem Fall, die Abgebildeten zu fragen. Diese müssen sich die Bilder gefallen lassen, solange sie nicht zur Hauptperson mutieren. Und solange sie nicht lächerlich gemacht oder in ein ungünstiges Licht gestellt werden (was bei einer Person, die in der Nase bohrt, bereits der Fall wäre).
Vorsicht ist umso mehr angebracht, als sich heute jedes virtuell publizierte Foto zoomen lässt. Abzuraten ist bei Gruppenbildern von Namensnennungen, weil damit der Ausforschung der Betroffenen Tür und Tor geöffnet wird. Da bewegt man sich datenschutzrechtlich auf abschüssigem Terrain. Gleiches gilt für die früher verbrei- tete Praxis von Pfarrämtern, die Telefonnummern und Adressen von Erstkommunikanten einfach im Pfarreiblatt abzudrucken. Das Datenschutzgesetz, in Kraft seit 1992, verbietet dies ganz klar; auch die Handynummern von Pfarreiräten dürfen nicht ohne deren Zustimmung auf der Webseite publiziert werden.

Selbst Selfies unterstehen dem Copyright

Oft vergessen geht in der Praxis auch die Abklärung des Copyrights. Wer ein urheberrechtlich geschütztes Bild veröffentlicht, ohne dazu berechtigt zu sein, riskiert Schadenersatzzahlungen. Ob das Bild von einem Amateur oder von einem Profi stammt, ist irrelevant. Das revidierte, am 1. April 2020 in Kraft getretene Urheberrechtsgesetz (URG) spricht hier Klartext: Geschützt sind neu sämtliche Fotos, auch Ferienbilder, Schnappschüsse und Selfies. Fremde Bilder dürfen also nur mit Zustimmung verwendet werden. Dies gilt auch in den sozialen Medien. Wer auf Facebook einen Post mit Bild absetzt, gibt damit noch keine Einwilligung zur Publikation in anderen Medien – auch dies eine Regel, die vielfach verletzt wird. Es ist besser, nachzufragen und die Nutzungsrechte am Bild, die auch bei einer Agentur liegen können, genau abzuklären.

Nur in einem Fall kann man ohne Zustimmung auf Bilder oder kurze Videoausschnitte zugreifen und diese (mit Namen und Quellenhinweis) veröffentlichen: wenn es um ein aktuelles Thema geht. Klassische Beispiele sind Screenshots von Fernsehsendungen oder Ausrisse aus einem Zeitungsartikel. Das ist das sogenannte Aktualitätsprivileg. Auch Textzitate sind frei. Es ist also zulässig, aus aktuellen Werken zu zitieren, sofern «das Zitat zur Erläuterung, als Hinweis oder zur Veranschaulichung dient», wie es in Artikel 25 URG heisst.

Aktualitätsprivileg und Zitatrecht haben im revidierten Gesetz überlebt. Zum Glück, sonst wäre die sachgemässe Berichterstattung über aktuelle Trends in Religion und Gesellschaft nicht mehr möglich.

Hansjörg Utz

 

 

 


Hansjörg Utz

Dr. iur. Hansjörg Utz (Jg. 1950) war Chefreporter beim Tages-Anzeiger. Für seine Geldwäscherei-Recherchen erhielt er den Zürcher Journalistenpreis. 1989 wechselte er zum Schweizer Fernsehen. Er leitete acht Jahre den Kassensturz, war Mitgründer der Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» und langjähriger Chef des Nachrichtenmagazins «10vor10». Im Januar 2013 gründete er die Firma MediaCheck GmbH. Heute arbeitet er schwergewichtig als Mediencoach, Berater und Gutachter. Zudem unterrichtet Utz an mehreren Hochschulen Medienrecht und Medienethik.