Noch keine finanziellen Sorgen

Immobilienmanagementkonzepte kommen auch in Pfarreien und Kirchgemeinden zum Tragen. Die Kirche Region Bern investiert in Orte der Begegnung, Kultur und Bildung.

Gottesdienst zum Erstkommunion-Starttag in der Dreifaltigkeitskirche in Bern im August 2018. (Bild: zvg)

 

Die Kirchgemeinden der Region Bern mit insgesamt über 60'000 Mitgliedern sind in der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung zusammengeschlossen. Ihr gehören über ein Dutzend Kirchen, dazugehörige Gemeindehäuser und diverse weitere Liegenschaften an. Auf den ersten Blick werden sie konventionell genutzt – doch sie bilden wichtige Freiräume für ein umfassendes soziokulturelles Engagement und übernehmen dadurch öffentliche Funktionen.

Wer den Bahnhof Bern verlässt, blickt direkt auf die Heiliggeistkirche. Hier ist nicht nur eine reformierte Kirchgemeinde zu Hause, sondern seit 20 Jahren auch die ökumenische offene Kirche. Das zentrale Kirchengebäude nimmt exemplarisch die Entwicklung der kirchlichen Bauten in der Bundesstadt vorweg. Zum Beispiel um den Flüchtlingstag im Juni 2019 wurde es zu einem eindrücklichen Mahnmal gegen das grosse Sterben im Mittelmeer. Während in der Kirche die 35'597 umgekommenen Geflüchteten beim Namen genannt wurden, hing für jeden ein Stoffstreifen am Kirchengebäude. Neben Grossanlässen wird die zentral gelegene Heiliggeistkirche für unzählige andere Ausstellungen, Events, Konzerte, Diskussionen und Feiern genutzt. Damit wird die Kirche als öffentlicher Raum sichtbar und auf spezielle Art zurückgegeben. Diese Rolle spielten die Kirchen einst schon, wenn sich in früheren Jahrhunderten Gemeindeversammlungen oder im Falle der Heiliggeistkirche auch mal die Tagsatzung dort trafen.

Kostenfrei oder bescheidener Beitrag

Natürlich unterscheiden sich normale Pfarrkirchen von der zentralen offenen Kirche. Und doch werden die katholischen Räume in ähnlichem Sinne genutzt. Die Entscheidungshoheit über den eigentlichen Kirchenraum liegt bei den Pfarreileitungen, die lokalen Kirchgemeinden entscheiden über die Nutzung der Kirchgemeindehäuser. Doch alle tragen aktiv eine Philosophie mit, die in den Weisungen des Kleinen Kirchenrats (Exekutive der Gesamtkirchgemeinde) so formuliert werden: «Wir treten dem Individualismus entgegen und bieten Menschen unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit Gastfreundschaft und Begegnungsorte an, damit sie Raum haben für Begegnungen, Feste, Kultur und Bildung.» Das bringt es mit sich, dass die meisten Nutzungen von katholischen Räumen in der Region Bern kostenfrei erfolgen oder gegen einen bescheidenen Beitrag an die Betriebskosten. Meist verlangen die Kirchgemeinden Mieten nur bei kommerziellen Anlässen. Vielleicht ändert sich diese Haltung dereinst, wenn die Gesamtkirchgemeinde finanzielle Sorgen bekäme, die sie zurzeit nicht kennt. Denn die katholischen Mitgliederzahlen in der Region Bern sind ziemlich stabil, wohl auch, weil der Anteil der Migrationsbevölkerung hoch ist. So konnte das katholische Bern in den letzten Jahren sein soziales Engagement ausbauen, aber auch die Investitionen in die Liegenschaften und die Abschreibungen auf hohem Niveau halten, auch inklusive sozialer Wohnungsbau.

Soziale Orte ermöglichen

So spielen wirtschaftliche Überlegungen bei der Raumnutzung von der städtischen Bruder-Klaus- Pfarrei bis in den Vorort Zollikofen oder das halbländliche Belp kaum eine Rolle. Wer Kirchensteuern zahlt, soll kirchlichen Freiraum bekommen. Die zentrale Dreifaltigkeitsbasilika und ihr Areal zeigen ebenfalls, wohin die Entwicklung geht: Die Kirche selber wird täglich von Hunderten einzelnen Frauen und Männern besucht, die hier kurz innehalten oder eine Kerze anzünden. Im offenen Haus La Prairie kocht ein Freiwilligenteam täglich für Dutzende von Menschen von der Gasse ein günstiges Mittagessen. Das auch von der französischsprachigen Paroisse mitgenutzte Areal wurde schon vor 30 Jahren nicht nur mit ökologischen Vorzeichen geplant, sondern mit einer Art «Theologie der Küche» – denn Küchen sind zentral fürs Leben, hier wird über Herzensdinge gesprochen und es findet praktische Seelsorge statt. So wurden denn auf dem Areal diverse Küchen als soziale Orte geplant, die das gemeinsame Zubereiten des Essens fördern und erleichtern, zum Beispiel mit Kochinseln und gemeinschaftlichen Rüsttischen. Kein Wunder, werden solche Räume gut und gern genützt.

Karl Johannes Rechsteiner


Karl Johannes Rechsteiner

Karl Johannes Rechsteiner (Jg. 1958) ist eidg. dipl. PR-Berater BR/SPRV und leitet die Kommunikationsstelle der katholischen Kirche Bern. Er wirkte in kirchlichen Baukommissionen mit.