An der Zukunft der Kirche mitarbeiten

Im deutschsprachigen Teil des Bistums Sitten startete 2017 im Auftrag von Bischof Jean-Marie Lovey die Initiative «üfbrächu». Sie möchte zur Erneuerung der Kirche im Oberwallis beitragen.

Der Anstoss zu «üfbrächu» kam vom Seelsorgerat und von Generalvikar Richard Lehner. Aufgrund seiner Erfahrungen war ihm bewusst, dass etwas in der Kirche geschehen muss. «Er schlug im Seelsorgerat Oberwallis vor, etwas breit Angelegtes, Grundsätzliches zu machen», erinnert sich Daniel Leiggener, der Projektleiter von «üfbrächu». «Es ist klar, dass die Volkskirche, wie wir sie kennen, massiv im Umbruch ist und in 10 bis 20 Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein wird.»

500 Voten entgegengenommen

Im Mai 2017 traf sich eine Gruppe kirchlicher Mitarbeiter (Ehren- und Hauptamtliche) zu einem Gedankenaustausch. Aus diesen Personen formierte sich eine siebenköpfige Kerngruppe, die sich konkrete Schritte überlegte. Dabei war ihnen der partizipative Ansatz wichtig: die Initiative sollte möglichst von allen mitgetragen werden, jeder darf und soll sich einbringen. Leiggener als Projektleiter kamen seine Erfahrungen im Personalwesen und in der Unternehmungsberatung zugute. Es wurde ein Projektauftrag konzipiert, der festhält, wer was macht und wer wofür zuständig ist. «Es ist ein sogenanntes Change-Management-Projekt. Das heisst, wenn man die Probleme nicht aktiv in Angriff nimmt, riskiert man, dass das Ganze sang- und klanglos ‹bachab› geht.» Es gibt ein zum Klassiker gewordenes Buch dazu, eine Fabel mit dem Namen «Pinguin-Prinzip»: Pinguine haben schon immer auf der gleichen Eisscholle gelebt. Eines Tages geht einer von ihnen tauchen und sieht, dass die Scholle ausgehöhlt ist und zu sinken droht. Er muss jetzt seine Kolonie, die nichts anderes kennt, dazu überreden, die Eisscholle zu wechseln. Er stösst dabei natürlich auf grossen Widerstand.1 «Die Veränderungsaffinität ist im Oberwallis vermutlich nicht grösser als anderswo», glaubt Leiggener.

Innerhalb der diözesanen Weiterbildung 2018 wurde das Projekt erstmals den kirchlichen Mitarbeitern vorgestellt; dabei wurde versucht, die Unabdingbarkeit des Wandels zu veranschaulichen sowie sie für die benötigte Zusammenarbeit untereinander zu motivieren. Im Herbst des gleichen Jahres reflektierten Katecheten, Priester und Diakone sowie Laientheologen jeweils ihre Identität und ihren Dienst in der Kirche und überlegten sich, worin sie sich Unterstützung durch «üfbrächu» wünschten. «Wir haben bei den kirchlichen Mitarbeitern quasi ‹Bestellungen› aufgenommen», schmunzelt Leiggener. Insgesamt kamen so rund 500 Voten zusammen. Diese wurden zunächst in 16 pastoralen Feldern zusammengefasst und 2019 im Rahmen der diözesanen Weiterbildung auf drei pastorale Themen verdichtet, an denen prioritär weitergearbeitet werden sollte: «Pfarreiräte» (als vordergründiges Laiengremium), «Dialog und Beziehungsarbeit» sowie «Taufe» (und deren Vorbereitung als Chance zur Elternbildung). Die begründeten Anliegen zu Kompetenzen, Strukturen und Organisationsformen seien in dieser Diskussion bewusst ausgeklammert worden, da diese primär von der Bistumsleitung angegangen werden müssten, erläutert Leiggener.

Neues Kirchenverständnis fördern

Bisher ist es der Kerngruppe noch nicht gelungen, alle für die Initiative zu begeistern. Dies liegt unter anderem an den unterschiedlichen Erwartungen. «Für uns ist bezeichnend, dass wir keine Priesterberufungen mehr haben. Wir haben eine Krise in der Familie, in der Spiritualität, im Glaubensleben. Wir möchten das Problem so angehen, dass Menschen die religiöse Praxis wieder neu entdecken.»

Gegen aussen war noch nicht viel von der Initiative wahrnehmbar, da sich die Kerngruppe in einem ersten Schritt auf die kirchlichen Mitarbeitenden konzentrierte. Der Schritt zur Basis wird nun sehr wichtig, damit die Initiative nicht einfach im Sand verläuft. Als Endtermin von «üfbrächu» wurde zu Beginn 2022 festgelegt, doch dies ist nicht realistisch. «Die Initiative wird vermutlich viel länger laufen, da wir den sich vollziehenden Übergang von der Volkskirche in ein hoffentlich wieder spirituelleres, charismatischeres Verständnis von Kirche und ihrer Identität begleiten möchten», erklärt Leiggener.

Rosmarie Schärer

 

1 Vgl. «Das Pinguin-Prinzip» von John Kotter und Holger Rathgeber, München 2017.

Informationen zur Initiative «üfbrächu» unter www.stjodern.ch/uefbraechu