«Himmel und Erde kommunizieren miteinander»

Der Musik und dem Gesang in der Liturgie werden wenig Beachtung geschenkt. Doch die Gläubigen nehmen nicht nur durch das gesprochene, sondern auch durch das gesungene Wort aktiv an der Liturgie teil.

Udo Zimmermann (Jg. 1974) studierte Kirchenmusik in Rottenburg/Neckar (B-Diplom) und in Frankfurt/Main (A-Examen). Er ist hauptamtlicher Kirchenmusiker an St. Peter und Paul in Zürich, Präsident des Kirchenmusikverbandes des Bistums Chur und freier Mitarbeiter am Liturgischen Institut der deutschsprachigen Schweiz. Er ist zudem Dozent für Gottesdienstgestaltung an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und lehrt an der diözesanen Kirchenmusikschule St. Gallen das Fach liturgisches Orgelspiel.

 

SKZ: Liturgie ist ein dialogisches Geschehen. In welcher Weise ist die Musik an diesem Dialog beteiligt?
Udo Zimmermann (Bild)1: Die Musik trägt durch Wechselgesänge, Refrainlieder (V/A), gesungene Akklamationen, Rufe wie z. B. Kyrie, Halleluja oder Christusrufe und ganz besonders durch den Antwortpsalm zum Dialog bei. Gerade beim Antwortpsalm wird dieses dialogische Geschehen deutlich: Die Vorsängerin oder der Vorsänger trägt Psalmverse vor, die Gemeinde antwortet mit einem gleichbleibenden Kehrvers.

Welche weiteren dialogischen Singformen gibt es in einem Gottesdienst?
Eine ganz besondere dialogische Singform ist das Sanctus. Wir alle stimmen in den gewaltigen Gesang der Engel mit ein. Himmel und Erde kommunizieren miteinander. Dies ist ein Privileg. Der Gesang der Engel ist das Sanctus mit dem dreimal Heilig (Jesaja, 6,3). Aus diesem Grunde sollte das Sanctuslied nicht durch ein x-beliebiges Loblied ersetzt werden. Es gibt viele Sanctusgesänge im Katholischen Gesangbuch (KG), die auch abwechselnd gesungen werden können.2 Die Gemeindepsalmodie in der Tagzeitenliturgie möchte – im Gegensatz zum Antwortpsalm des Wortgottesdienstes – durch die antiphonale Singweise zum Meditieren der Psalmen einladen.3 Auch die Cantica und Responsorien weisen dialogische Singformen auf.4 Erwähnt sei auch noch die Litanei.

Gibt es dabei etwas zu beachten?
Gerade beim Antwortpsalm sollte man auf eine sehr gute textliche Aussprache achten, da es sich um eine Verkündigungspsalmodie handelt. Grundsätzlich sollten alle Vorsängerinnen und Vorsänger über eine geschulte Stimme verfügen und sich in der Liturgie auskennen. Bei allen dialogischen Singformen sollte zudem klar sein, wann die Gemeinde einsetzt. Dies kann ich erreichen durch eine lautere Registrierung der Orgel oder einen netten Blick mit einladender Gestik zur Gemeinde, ohne in Aktivismus zu verfallen. Bei der Gemeindepsalmodie im Tagzeitengebet sollte in jeder der beiden Gruppen eine mit dem Psalmensingen vertraute und sichere Person das Singen der Psalmen anleiten.

Wie können diese dialogischen Singformen eingeführt oder ausgebaut werden?
Ich würde bei der Einführung von dialogischen Singformen ganz «einfach» beginnen mit musikalischen Kleinformen wie z. B. Kyrie, Tropen, Halleluja, einer gesungenen Akklamation zu den Interzessionen im Eucharistischen Hochgebet oder einem gesungenen «Amen» nach der Doxologie. Falls es (noch) keine Vorsängerinnen und Vorsänger gibt, könnte der Chor oder eine Gruppe aus dem Chor (Schola) den Vorsängerdienst übernehmen. Oder der Antwortpsalm könnte von der Lektorin resp. dem Lektor gesprochen werden. Dies kann sehr eindrücklich sein, wenn die Organistin oder der Organist einen Klangteppich darunter spielt und die rezitierten Psalmtexte musikalisch kommentiert. Die Gemeinde antwortet dann mit einem Kehrvers. Falls die Organistin oder der Organist über eine gute Stimme verfügt, könnten diese den Vorsängerdienst übernehmen. Der Höhepunkt könnte eine vom Chor gesungene Coda5 sein wie z. B. eine Halleluja-Coda (Beispiel KG 429.1 V/A, gesungener Evangelien-Vers, KG 429.1 A, Chor-Coda) oder Choreinschübe bei Kyrie- oder Fürbittrufen. Bei allen chorischen Einsätzen ist jedoch darauf zu achten, dass die Gemeinde aktiv mit Singen beteiligt ist.

Was genau ist die Aufgabe von Kantorinnen und Kantoren?
Der Kantorendienst gehört in die Grundform der Messfeier mit Gemeinde. Kantorinnen und Kantoren haben folgende Aufgaben: Sie stimmen Lieder und Gesänge an; sie animieren die Gemeinde zum Singen und führen den Gemeindegesang; sie singen solistisch den Vorsänger-Part vor; sie tragen den Psalm nach der Lesung samt Ruf zum Evangelium mit Evangelien-Vers vor; sie können Kanons leiten und sie bereiten sich auf die Liturgie vor.

Interview: Rosmarie Schärer

 

1 Udo Zimmermann (Jg. 1974) studierte Kirchenmusik in Rottenburg/Neckar (B-Diplom) und in Frankfurt/Main (A-Examen). Er ist hauptamtlicher Kirchenmusiker an St. Peter und Paul in Zürich, Präsident des Kirchenmusikverbandes des Bistums Chur und freier Mitarbeiter am Liturgischen Institut der deutschsprachigen Schweiz. Er ist zudem Dozent für Gottesdienstgestaltung an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und lehrt an der diözesanen Kirchenmusikschule St. Gallen das Fach liturgisches Orgelspiel.

2 Z. B. KG 116, 117 und 118 oder KG 162 und KG 166.

3 Im KG finden wie die Gemeindepsalmodie von den Nummern 606 bis 637.

4 Z. B. KG 281.

5 Als Coda wird der angehängte, ausklingende Teil eines musikalischen Werkes oder einer Phrase bezeichnet.

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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