Kinder entdecken die Orgel

Im Dezember 2017 wurde «Orgelbau und Orgelmusik» als immaterielles Kulturerbe der Menschheit ausgezeichnet und in die UNESCO-Liste aufgenommen. Zu Unrecht gilt die Orgel als verstaubt und antiquiert.

Die Orgelmaus, Jesuitenkirche Luzern. (Bild: Suzanne Z’Graggen)

 

Wie lebendig die Kultur des Orgelbaus und der Orgelmusik ist, demonstrieren Orgelbauer und Organistinnen ständig. Trotzdem wird Orgelmusik vielfach als langweilig empfunden. Deshalb schweigt die Orgel gerade da, wo mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird. So lernen Kinder dieses Instrument selten kennen. In der Folge wollen nur wenige Kinder das Orgelspiel erlernen. Falls dennoch ein Kind, zum Beispiel vom Klavier her, an die Orgel herangeführt wird, ist die Spielsituation schwierig, da die Masse des Instruments nicht auf die Körpergrösse des Kindes abgestimmt sind. Oder das unbeschwerte Üben an einer Orgel ist nicht möglich, da die Orgel in der Kirche und somit in einem öffentlich und für alle zugänglichen Ort steht.

Ich bin überzeugt, dass es gelingen kann, Kindern die Orgel nahezubringen und ihr Interesse für das Instrument zu wecken. Es wäre schön, wenn in weiterer Folge beispielsweise das Erlernen des Orgelspiels möglich wäre. Von orgelbautechnischer Seite wurde dafür bereits ein Aufsatz entwickelt, welcher auf dem normalen Orgelpedal angebracht wird. Aber wie gelingen erste Schritte, um bei Kindern Schranken oder gar Vorurteile gegenüber der Orgel abzubauen?

Ein Instrument zum Anfassen

Die Orgel spricht alle Sinne des Menschen an. Sie bringt mit ihren vielfältigen Facetten – klanglich, technisch, baulich, spielerisch – Kinder zum Staunen. Dabei kann man auf die «Offenohrigkeit» der Kinder setzen, welche die Klänge der Orgel oftmals sehr körperlich erfahren. Wenn man ihnen zum Beispiel sehr tiefe Töne vorspielt, fassen sie sich fasziniert an den Bauch und lassen sich vom Klang durchströmen. Auch andere Aspekte können faszinieren: die grosse Anzahl der Orgelpfeifen (oftmals über 3000!), das Spiel mit Händen und Füssen, der Spieltisch mit seinen vielen Tasten und Knöpfen und natürlich die speziellen Klangfarben. Warum klingt ein «Zungen-Register» ein bisschen wie eine quakende Ente oder die hohe Flöte wie ein zwitschernder Vogel? Und überhaupt begeistert das brausende Plenum, welches den ganzen Raum mit Klang füllt.

Orgelmusik kann in die Kinder- und Jugendarbeit der Pfarrei eingebunden werden. Dazu ist es wichtig, spielerische Aspekte in den Vordergrund zu setzen. Kinder sollen selber Musik machen und Neues entdecken. Die Organistinnen und Organisten sind Schlüsselfiguren, um Kontakt zwischen Kindern und der Orgel herzustellen. In der Kirchenmusik-Ausbildung werden auch Inhalte im Bereich der Musikvermittlung weitergegeben. So verfügen Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker meist über eine breite Palette an Ideen, um Kinder mit der Orgel in Verbindung zu bringen. Von einer Orgel-Führung für Kinder über Gottesdienste, die nicht nur vom Keyboard oder der Band begleitet werden (sondern auch durch die Orgel), bis hin zu speziellen Angeboten für Kinder (z. B. «Die Orgelmaus», «Der Orgelbär Willy» oder «Der Orgelkrimi») ist vieles denkbar.1

Kreativer Umgang

Ein offener, kreativer Umgang mit Orgel- und Kirchenmusik und das gleichzeitige Eingehen auf neue Musikrichtungen und Stile – ohne dabei auf traditionelle Aspekte der Kirchenmusik zu verzichten – ist besonders wichtig. Das Lieblingslied der Klasse oder ein aktueller Hit kann selbstverständlich auch auf der Orgel gespielt werden!

Erfahrungsgemäss lassen sich Kinder von den Klängen der «Königin der Instrumente» faszinieren. Oft darf ich dies in meinem Alltag als Kirchenmusikerin erleben und mich über die leuchtenden Augen, offenen Münder und begeisterten Kindergesichter freuen.

Suzanne Z’Graggen

 

1 Ideenkatalog zur Hinführung von Kindern zur Orgel s. Bonusbeitrag.


Suzanne Z'Graggen

Suzanne Z'Graggen (Jg. 1979) ist als Studienkoordinatorin und Stabstellenleiterin Kirchenmusik und als Dozentin für Orgel an der Hochschule Luzern - Musik tätig. Gleichzeitig ist sie Kirchenmusikdirektorin an der Jesuitenkirche Luzern. Von 2008 bis 2016 war sie als Domorganistin der St.-Ursen-Kathedrale Solothurn tätig. Neben einer regen Konzerttätigkeit als Orgelsolistin widmet sie sich zahlreichen Projekten zur Heranführung von Kindern und Jugendlichen an die Orgel.

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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