«Handle niemals gegen die Natur»

Ein Trend ist zurzeit unaufhaltsam: Zurück zur Natur. Das hat auch unsere Gastkolumnistin, Stefanie Stäuble, erkannt und plädiert für Nachhaltigkeit im Garten.

 

Kürzlich erzählte ich einem Freund von meinen Plänen für den Garten. Dabei verwendete ich ganz unbewusst das Wort «beseelt»: Ich sei ganz beseelt von den Gedanken an meinen Garten und was ich daraus machen wolle. Was für ein passendes Wort, dachte ich später. Unsere Gärten und auch die Arbeit, die wir darin erledigen – vom Pflanzen über das Giessen, Pflegen und Jäten bis hin zum Ernten –, sind wirklich eine beseelte Tätigkeit.

Jetzt im Mai ist natürlich die beste Zeit im Gar-ten. Alles blüht und grünt. Die Blättchen sind noch von einer hellgrünen Zartheit, Glockenblumen, Rosen und Königskerzen leuchten um die Wette, mollige Hummeln fliegen träge durchs Staudenbeet, die Hinterbeine voller Pollen – und das jedes Jahr wieder neu, ohne unser Zutun! Ach wie herrlich ist es, mit beiden Händen in fruchtbarer Erde zu wühlen und fette Regenwürmer, fleissige Spinnen oder emsige Käfer anzutreffen. Wenn dann noch ein Kohlmeisenpärchen eine Vogelhochzeit feiert und der Nachwuchs im Nistkasten nicht lange auf sich warten lässt, dann ist man gewiss: In diesem Garten lebt es.

Beim Gärtnern geht es auch um Rücksicht auf die Pflanzen- und Tierwelt. «Handle niemals gegen die Natur!», war das Credo des Briten Thomas Hanbury, der im 19. Jahrhundert den botanischen Garten bei Ventimiglia gründete. Dieses Zitat traf mich mitten ins Herz. Ja, genau so soll es sein! Wachsen lassen, was kommen will, ist auch das Motto der zunehmenden Schar von Naturgärtnern. In meinem Garten sind die meisten Pflanzen sowieso äusserst eigenständig – oder ist es einfach ihre Natur? Auf jeden Fall wachsen sie immer da, wo sie nicht sollten: im Kies unter der Natursteinmauer oder zwischen den Steinplatten. Vor allem Akeleien und Karthäuser-Nelken lieben diese Plätze, gefolgt im Juni von Lavendel und Patagonischem Eisenkraut. Meist lasse ich ihnen ihren Willen. Ich gärtnere nach dem Motto: «Das lassen wir einfach mal so stehen». Was ich nicht könnte: Pflanzen ausreissen, weil sie nicht in mein Farbkonzept passen – dazu fehlt mir glücklicherweise die nötige Konsequenz.

Das Gärtnern ist eine gute Art, unsere Beziehung zur Natur zu (über-)denken und zu leben. Wer weiss, vielleicht finden wir dabei unsere Wurzeln wieder – schliesslich waren unsere Vorfahren allesamt Bauern, Selbstversorger und Gärtner.

Stefanie Stäuble


Stefanie Stäuble

Stefanie Stäuble (1971) ist Chefredaktorin der Zeitschrift «Schweizer Garten» und hat von Berufs wegen einen grünen Daumen. Das meistgelesene Gartenmagazin der Schweiz feiert nächstes Jahr sein 90-jähriges Bestehen.