«Ein Ort der Gegenwart Gottes»

Für Judentum, Christentum und Islam ist der Garten Eden bzw. das Paradies ein vielversprechender und hoffnungsvoller Ort – ein Ort der Ruhe, der Vollendung und des Friedens. Ein interreligiöses Gespräch.

«Das Jüngste Gericht» von Fra Angelico, ca. 1395 –1455. (Bild: Wikipedia)

 

SKZ: Welche Hoffnungen verbindet Ihre Religion mit dem Paradies bzw. Garten Eden?
Annette M. Böckler1: In der Bibel wird zwischen dem «Garten» und «Eden» unterschieden. In Genesis/Bereschit 2,8 steht: «Und der Ewige pflanzte einen Garten in Eden». Eden ist also der Name der Gegend, in deren Osten der Garten liegt. Der Torakommentar Etz Hayim von 2001 erklärt: «Die alte griechische Version der Bibel übersetzt das Wort gan mit paradeisos, von dem alt-persischen pairi-daesa, das bedeutet: ‹abgegrenzter Park›. Das hebräische eden ist ein Lehnwort und kommt von dem assyrischen Wort edinu ‹Steppe›, die rabbinische Tradition jedoch deutete das Wort eden im Sinne von ‹Lust, Vergnügen› und so wird es bis heute verstanden.» Daher gibt es zwei Verwendungen des Gan Eden, die unabhängig voneinander sind. Das eine ist der Garten in Eden, in dem die ersten Menschen lebten. Das zweite ist Eden oder Gan-Eden wie zum Beispiel im Gebet El Male Rachamin, das man im Gedenken an einen Verstorbenen mit einer eindrücklichen Melodie rezitiert. Gegen Ende heisst es dort: be-gan eden tehe menucha/«Im Garten Eden möge sie – die Seele – Ruhe finden». Dies ist die bildhafte Vorstellung, dass die Seelen der Gerechten nach dem Tod an einem glückseligen himmlischen Aufenthaltsort ruhen, während der Körper im Grab ruht und beide auf die Auferstehung warten. Im modernen Judentum sind diese metaphysischen Vorstellungen jedoch umstritten. Ruhe in Gan Eden kann heute daher zum Beispiel ein Bild sein für trostspendende Erinnerungen.

Samuel M. Behloul2: Im Christentum verbinden sich mit dem Sinnbild des Paradieses generell zwei Vorstellungen: Zum einen ist es der Urzustand der Unschuld, in dem sich der Mensch befand, bevor die Sünde von ihm Besitz ergriff. Zum anderen steht das Paradies sinnbildlich für die Sehnsucht nach einem Zustand und nach einem Ort, an dem Menschen frei von allerlei Leid und Konflikten leben. Diese Sehnsucht findet ihren besonderen Ausdruck in der letzten Schrift des Neuen Testamentes, in der Offenbarung des Johannes, und zwar in Form des Versprechens, dass Gott den gerechten, verfolgten und leidenden Menschen Anteil am und Zugang zum Paradies gewähren wird. Hier ist insbesondere der abschliessende Vers des Offenbarungsbuchs interessant: «Und wenn jemand etwas wegnimmt von den Worten des Buchs dieser Weissagung, so wird Gott ihm seinen Anteil wegnehmen am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt, von denen in diesem Buch geschrieben steht» (Offb 22,19). Diese prophetisch-ermahnenden Zeilen schlagen heilsgeschichtlich den Bogen zum Anfang der Bibel: «Und siehe da, es war sehr gut» heisst es in Gen 1,31. Anschlies- send daran folgt die Paradieserzählung, die mit dem Sündenfall der ersten Menschen endet. Und auf der letzten Seite der Bibel lesen wir «Siehe, ich mache alles neu» (Offb 21,5). Am Anfang der Bibel steht also die Vollendung der Schöpfung mit dem Paradies und dem Sündenfall, und am Ende das neue Paradies mit der Erlösung in der heiligen Stadt Jerusalem und der neuen Vollendung der Schöpfung. Diese beiden schöpfungs- und heilsgeschichtlichen Eckpunkte der Bibel haben ihre Mitte in der Person Jesu Christi. Er ist es, der alle Menschen und die ganze Welt erlösen wird, d. h. alles – Himmel, Erde und den Menschen – neu machen wird, so dass die Welt endgültig so (paradiesisch) sein wird, wie Gott sie gewollt hat.

Hannan Salamat3: Die Rückkehr zu Gott – «Siehe, wir sind Gottes, und zu ihm kehren wir zurück» – und Leben unter Gottes- herrschaft in totaler Harmonie und Frieden, in einer Vielfalt und Fülle an Gaben und die unendliche und grenzenlose Gnade und das Wohlgefallen Gottes, sind die wichtigsten Hoffnungen, die Muslime mit dem Paradies verbinden.

Böckler: Was ist die wichtigste theologische Funktion des Paradieses im Islam? Gibt es einen Unterschied zwischen den theologischen Positionen und dem allgemeinen Wissen der Bevölkerung?
Salamat: Paradies und Hölle werden im heiligen Koran häufig im Zusammenhang mit dem Tag des Jüngsten Gerichtes erwähnt. So heisst es u. a. in der Sure 99 Vers 7 und 8: «Wer Gutes tat, vom Gewicht eines Stäubchens, wird es sehen. Und wer Böses tat, vom Gewicht eines Stäubchens, wird es sehen.» Es wird immer wieder daran erinnert, dass wir Menschen eines Tages für unsere Taten geradestehen müssen und keine Tat, so klein sie auch gewesen sein mag, unbewertet bleibt. Während das Diesseits vergänglich ist – darauf wird immer wieder hingewiesen –, ist das Paradies unendlich. In dieser Hinsicht decken sich die Theologien und die Volksweisheit.

Behloul: Die islamischen Paradiesvorstellungen scheinen eine sehr realistische Genusswelt mit Essen, Trinken und Jungfrauenliebe zu beschreiben und zu versprechen. Dies würde in scharfem Gegensatz zum christlichen Paradies als einem Ort vollkommenen geistigen Glücks stehen. Ist das islamische Paradies wirklich ein reiner Genussort, ein weltlicher Lustpark?
Salamat: Neben den materiellen Belohnungen geniesst man im Paradies auch spirituelle Segnungen, die die höchsten Belohnungen und Ehren im Paradies darstellen. Beispielsweise werden die göttliche Gegenwart und die Verbundenheit mit der dauerhaften und uneingeschränkten Gnade Gottes als eine der spirituellen Segnungen des Paradieses angesehen. Auch ist Gottes Wohlgefallen eine der höchsten Belohnungen für die Gläubigen. So heisst es im Koran in Sure 9 Vers 72: «Den Gläubigen, den Männern wie den Frauen, hat Gott Gärten verheissen, unter denen Bäche fliessen – ewig werden sie dort weilen –, und gute Wohngefilde in den Gärten Eden. Doch Wohlgefallen von Gott ist grösser. Das ist der grosse Gewinn!» Auch werden weitere nicht materielle Werte wie völlige körperliche und geistige Gesundheit, Frieden und der Einklang mit sich selbst an verschiedensten Stellen im Koran versprochen. Die bildlichen Beschreibungen des Paradieses als Garten mit Flüssen, Früchten, gutem Essen und anderen Genussmitteln wurden unter muslimischen Theologen auch diskutiert. So gab es Uneinigkeit, ob diese Darstellungen wörtlich oder als Symbol zu verstehen sind. Im 10. Jahrhundert gibt es sogar die Meinung, dass zwar Beschreibungen des Paradieses im Koran und in den Überlieferungen wörtlich zu glauben seien, allerdings gleichen die in den heiligen Texten erwähnten Gegenstände nicht ihren irdischen Pendants.

Salamat: Wie ist die jüdische Vorstellung von einem Paradies? Gibt es auch Vorstellungen von Gärten mit Bächen und Bäumen?
Böckler: Auch im Judentum wird der Gan Eden – das Wort «Paradies» ist bei uns in diesem Sinne nicht üblich – als ein lustvoller physischer Ort beschrieben. Dies betrifft jedoch nur den irdischen Garten: nach Genesis 3 ist Gan Eden der erste Aufenthaltsort der Menschen vor ihrer Mündigwerdung und in Ezechiel 31 die Gegend, in der sich Assyrien befindet. Eden als Ruheort der Seelen der Gerechten wird nicht näher beschrieben, und über Dinge nach dem Tod soll man sich nicht viele Gedanken machen, da wir ja eh nicht wissen, wie es sein wird. Der irdische Garten in Eden wird jedoch als Miniaturversion des himmlischen Gan Eden verstanden, insofern haben wir doch schon eine kleine Vorstellung davon. Das wichtigste jedoch ist, dass der Garten eine Art Tempel der Natur ist, also ein Ort der Gegenwart Gottes, und dass wir jetzt in unserem Leben versuchen, Güte, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit in der Welt zu praktizieren, so dass Gottes Gegenwart schon jetzt manchmal erfahrbar wird, in unserer gegenwärtigen natürlichen Umgebung.

Böckler: Wenn man durch Museen geht, findet man das Paradies als häufiges Thema in der christlichen Kunst. Wie stellt man sich aus christlicher Sicht diesen Garten vor, den Gott geschaffen hatte? Welche theologische Funktion hat er?
Behloul: Der Garten Eden steht generell als Bezeichnung für einen ursprünglich selbstverschuldet verlorenen Ort und Zustand der Harmonie, Schönheit und menschlicher Sehnsucht nach Erlösung. Theologische Bedeutung erhält diese Metapher erst vor dem Hintergrund der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen und der Heilszusage Gottes gegenüber dem Menschen. Mit Blick auf die christliche Kunst stellt sich allerdings die Frage, ob die Sehnsucht nach dem Paradies weniger mit der Anziehungskraft des Paradieses selbst zu tun hat als vielmehr mit der Angst vor der Hölle. Denn in der Kunst wurde das Paradies eher als langweiliger Garten dargestellt, während es in den Höllendarstellungen jede Menge zu sehen gibt. Dantes «Inferno» beispielsweise liest sich viel spannender als sein «Paradiso».

Salamat: Sind im Christentum der Garten Eden, aus dem Adam und Eva vertrieben wurden, und der Himmel als Belohnungsort derselbe Ort?
Behloul: Als Ort im geografischen Sinne sicher nicht, aber als Zustand jenseits von Hass, Krieg und Bosheit vielleicht schon. Den Kernpunkt der christlichen Heilslehre bildet allerdings Jesu Botschaft vom Reich Gottes. Rein wortstatistisch gesehen kommt das Reich Gottes 162 Mal im Neuen Testament vor, weit häufiger als jedes andere für das Christentum spezifische Wort. Das Wort Kirche beispielsweise kommt im Neuen Testament gerade zwei Mal vor. Der entscheidende Punkt bei der Heilsbotschaft vom Reich Gottes besteht darin, dass dieses Reich nicht einfach einen Ort oder Zustand darstellt, der auf die Guten und die Frommen als Belohnung wartet. Das Reich-Gottes-Paradigma hat vielmehr eine stark ethische und handlungspraktische Komponente. Das Reich Gottes wird durch das gerechte Verhalten von Menschen – nach dem Vorbild Jesus – erst mit ermöglicht, und zwar schon auf Erden.

SKZ: Und wie sieht es im Islam aus?
Salamat: Unter muslimischen Theologen des 8./9. Jahrhunderts gab es verschiedene Diskussionen, ob der Koran, zwischen dem von Adam und Eva bewohnten Paradies und dem Paradies, das der Wohnsitz der Seligen in der kommenden Welt sein wird, unterscheidet. Beide Meinungen existieren nebeneinander und werden von unterschiedlichen Positionen vertreten. Das Wort Garten Eden – Jannat ’adn – wird an verschiedenen Stellen im Koran stets im Plural als «Gärten» erwähnt und als Pendant zum Paradies verstanden.

Behloul: Im Christentum hatte die biblische Paradieserzählung nicht nur auf die Kunstgeschichte einen enormen Einfluss, sondern auch auf die persönliche Frömmigkeit der Gläubigen und nicht zuletzt auch auf die Verhältnisbestimmung der Geschlechter. Lässt sich auch mit Blick auf das Judentum eine ähnliche Wirkungsgeschichte der Paradieserzählung beobachten?
Böckler: Auf die Verhältnisbestimmung der Geschlechter? Das überrascht. Ob sie einen Einfluss auf die persönliche Frömmigkeit hat? Ja. Bis heute spielt der Gan Eden in allen jüdischen Strömungen im Gedenken an einen Verstorbenen eine Rolle. Man wünscht: Möge seine Seele ruhen im Gan Eden. be-gan eden tehe menucha – ein Kantor, der diese Worte singt, wird diese Ruhe musikalisch zum Ausdruck bringen, das Wort be-gan eden hat einen besonderen Klang und ruft Gefühle wach, dass nun etwas zu Ende ist, aus dem Leben vertrieben wurde, wenn man so sagen möchte, und nun Trost und Ruhe kommen mögen. Da der erste Mensch der jüdischen Tradition zufolge androgyn geschaffen wurde – die eine Seite war männlich, die andere weiblich (das hebräische Wort, das im Deutschen oft mit «Rippe» übersetzt wird, kann auch «Seite» bedeuten), –  und Gott später die beiden Seiten geteilt hat und neue Rücken für beide schuf, finden wir am Anfang der Welt eine vollkommene gleichberechtigte Situation für die Menschheit in ihrer Verschiedenheit. Später in der Zeit der Fixierung des rabbinischen Rechts werden dann Rollenzuschreibungen für Männer und Frauen festgelegt, die jedoch die sozialen und kulturellen Gegebenheiten ihrer Zeit wiederspiegeln und nichts mit Gan Eden zu tun haben. Das Essen der Frucht – beide assen, beide trafen eine Entscheidung – gilt im Judentum nicht als Sündenfall. Es ist eine Übertretung eines Speisegebotes, ja. Aber damit beteiligen sich die Menschen an der Schöpfung, in dem sie nun von ihrem freien Willen Gebrauch machen und ab jetzt nicht mehr willenlose verantwortungslose Wesen sind – wie Föten –, sondern Rechtspersonen, die Entscheidungen treffen. Eine notwendige Entwicklung, damit die Geschichte der Menschheit beginnen konnte.

Salamat: Im Islam gilt Gott als allwissend. Das löst in der islamischen Theologie die Diskussion über Prädestination aus. Die Frage ist dann, wenn Gott eh schon weiss, wer ins Paradies kommt und wer nicht, warum denn das ganze Leben ein Wetteifern um das Paradies stattfindet? Gibt es in der jüdischen Theologie ähnliche Diskussionen?
Böckler: Es gibt im Judentum kein Wetteifern um das Ins-Paradies-Kommen. Das zukünftige Leben hat nur den Zweck, die Gerechtigkeit in Lohn und Strafe zu bewahren. Das jüdische Leben ist auf die jetzige Welt konzentriert. Den Konflikt «Vorhersehung – Verantwortung» gibt es aber auch bei uns. Die Mischna – das älteste Dokument des rabbinischen Judentums – überliefert zum Beispiel diese beiden logischen Absurditäten: «Alles ist vorhergesehen, aber Wahlfreiheit ist gegeben. Mit Güte wird die Welt gerichtet, aber alles wird vergolten nach dem Mass der guten Taten» (Pirke Awot 3,19). Dieser Konflikt beschäftigt die jüdischen Denker seit alters her. Er spiegelt die beiden verschiedenen Aspekte der jüdischen Religiosität wider: Es ist das Wesen des Judentums, niemals die Hoffnung aufzugeben. Das ist möglich, wenn man weiss, dass Gott der «Regent der Welt» ist. Es ist aber auch das Wesen des Judentums, Verantwortung zu übernehmen. Wir sind beauftragt, die Welt zu gestalten, zu vervollkommnen und eine gute gerechte Gesellschaft zu schaffen. Um verantwortlich sein zu können, müssen wir aber frei sein. Und daher stimmen also beide Prämissen, und in jeder Generation wird uns die Diskrepanz religiös wachhalten.

Behloul: Wie im Christentum und Islam nimmt das Paradies, der Garten Eden, auch im Judentum eine zentrale Rolle ein. Die gläubigen Juden erwarten aber zugleich auch den Messias, der das kommende Königreich in Jerusalem aufrichten wird. In welchem Verhältnis stehen das messianische Königreich und das Paradies im Judentum zu einander?
Böckler: Den Messias würde ich hier erst mal aussen vor lassen. Die ältesten rabbinischen Schriften versuchten, die messianischen Ideen der griechisch-römischen Zeit einzudämmen, da sie zu grossem Unheil führten, weil Menschen – wie z. B. im Bar-Kochba-Aufstand – sich autorisiert fühlten, im Namen eines Messias Dinge zu bekämpfen, oder auch weil Menschen in zu grosser Erwartung passiv wurden. Durch die ständigen Fragen nach unserer Sicht über den Messias von Christen mussten wir uns jedoch immer wieder mit unseren eigenen Sichtweisen über einen Messias beschäftigen, seit Maimonides (12. Jh.) wurde es dann sogar zu einem Grundsatz des Judentums. Messianisch ist das Judentum, aber wichtiger als eine mystische Person ist die messianische Zeit selbst, zu deren Kommen wir alle beitragen müssen.

SKZ: Ist das Paradies nun eine rein jenseitige Grösse oder gibt es das Paradies auch auf Erden?
Böckler: Beides. Es gibt der jüdischen Tradition zufolge zwei Gärten Eden. Der eine ist der irdische Garten in Eden, in dem Adam und Chawwa lebten bzw. nach Ezechiel die Gegend um Assyrien. Der zweite ist der himmlische Ruheort für die Seelen der Gerechten nach dem Tod. Der irdische Garten war ein Miniaturabbild des himmlischen Gan Eden. Das Paradies auf Erden streben wir mit jeder unserer Taten an, denn wir hoffen, dass das Ziel der Geschichte eine messianische Zeit ist, in der Gutes, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit unsere Erde bestimmen werden. Diese Hoffnung, die unser Handeln und Hoffen antreibt, wollen wir nie aufgeben.

Salamat: Die arabische Bezeichnung für Paradies ist janna und leitet sich von «verdeckt» oder «verborgen» ab. Unter janna wird ein Garten verstanden, in dem die Erdoberfläche durch die Dichte der Bäume verdeckt wird. Ob dieser verborgene Ort auf dem Planeten Erde ist oder im Himmel wurde und wird von muslimischen Theologen diskutiert. Die Bezeichnung janna wird im Koran auch für irdische Gärten benützt, so heisst es in Sure 34, Vers 15: «Für die Sabäer lag einst ein Zeichen in ihrem Wohnort: zwei Gärten, rechts und links […].» Mehrheitlich ist man sich einig, dass das Paradies, in das man nach dem Tod kommt, selbst wenn es auf Erden sein sollte, verborgen und nicht von Menschen auffindbar ist. Paradiesgleiche Gärten auf Erden sind als Zeichen Gottes zu verstehen.

Behloul: Biblisch betrachtet, steht am Anfang der Schöpfung das Paradies und am Ende aller Zeiten soll gemäss der Offenbarung des Johannes wieder ein Paradies entstehen. Zunächst werde es eine Reihe von Katastrophen geben, ein letztes Gericht werde über alle Toten gehalten und dann entstehe eine neue – paradiesische – Welt ohne Leid, Tod und Trauer. Diese paradiesische Vision wird im Offenbarungsbuch mit folgenden Worten beschrieben: «Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen» (Offb 21,3–4). Das Neue Testament endet also nicht mit einem paradiesischen Triumph, sondern mit einer Vision dessen, was noch kommen wird. Und gemäss der Verkündigung vom Reich Gottes sind Menschen angehalten, durch ihren Lebenswandel diese Vision mit zu ermöglichen. Und somit ein Stück zwischenmenschliches Paradies bereits auf Erden zu schaffen.

Gespräch: Maria Hässig

 

1 Rabbinerin i. A. Dr. Annette M. Böckler (Jg. 1966) hat seit 2017 die Fachleitung Judentum am Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) inne, zuvor war sie Dozentin am Rabbinerseminar Leo Baeck College in London.

2 Tit. Prof. Dr. Samuel M. Behloul (Jg. 1968) ist seit 2016 Fachleiter Christentum am ZIID. Er studierte Theologie, Arabistik und Islamwissenschaft, war von 2010 bis 2012 Dozent und Forschungsbeauftragter am Religionswissenschaftlichen Seminar an der Universität Luzern und von 2013 bis 2016 Nationaldirektor von Migratio der SBK.

3 Hannan Salamat (Jg. 1986) ist seit 2019 Fachleiterin Islam am ZIID. Sie studierte Kultur- und Religionswissenschaften an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Sie arbeitete als interkulturelle Mediatorin beim Schweizerischen Roten Kreuz Kanton St. Gallen.

 

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