«Der Garten erfüllt viele Frauen mit Stolz»

«Neue Gärten» gibt es in verschiedenen HEKS-Regionen der Schweiz, z. B. auch in der Region Aargau-Solothurn. Mit der Projektleiterin, Regula Rickenbacher*, verabredete sich die SKZ zu einem Gespräch.

Die HEKS-Gärten sind eine sinngebende Alltagsbeschäftigung für Flüchtlinge. (Bild: zvg)

 

SKZ: Wie viele Gärten haben Sie in Ihrer Region?
Regula Rickenbacher1: Wir haben aktuell fünf Gärten. 2009 eröffneten wir in Rheinfelden, 2010 in Aarau, Buchs und Rütihof, 2011 in Solothurn und 2016 in Windisch einen neuen Garten. Den letzten mussten wir in diesem Februar einstellen.

Was war der Grund?
Die Finanzen. Es war zudem der kleinste Garten in unserer Region und es gab kaum Ausbaumöglichkeiten. So haben wir uns entschlossen, ihn zu schliessen.

Auf die Finanzierung würde ich gerne später eingehender zu sprechen kommen. Wer nimmt an diesem Integrationsprogramm teil?
Ich muss vorweg erwähnen, dass die Region Aargau-Solothurn das Projekt «Neue Gärten» als Programm für Flüchtlingsfrauen mit Kindern führt. Im letzten Jahr hatten wir 65 Frauen aus 15 Nationen im Programm. Die Frauen verfügen über einen F-, B- oder C-Ausweis. Es sind Frauen, die schlecht in die Gesellschaft integriert sind und bislang auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht Fuss fassen konnten. Das kann verschiedene Gründe haben: Entweder können sie kein oder zu wenig Deutsch oder sie haben Kleinkinder oder zu viele Kinder. Manchmal sind die Frauen noch zu traumatisiert, um einer regelmässigen Arbeit nachgehen zu können. Alle diese Gründe kommen in unterschiedlicher Kombination vor und führen die Frauen in die soziale Isolation.

Wie sieht ein HEKS-Gartenjahr aus?
Von April bis Oktober treffen sich die Frauen einen halben Tag pro Woche, von November bis März einen halben Tag pro Monat. An diesen Halbtagen findet ein geführtes Kurs- programm statt. Dabei wird nicht nur gegärtnert und Wissen über biologischen Gartenbau vermittelt. Die Gartenarbeit ist, wenn ich dies so sagen darf, Ziel und Methode. Beim Gärtnern sind Gespräche möglich, die nicht entstehen würden, wenn die Frauen einander gegenüber sitzen. Ein Beispiel: Ich gehe unsere Gärten regelmässig besuchen. In Buchs lud mich die Leiterin ein, einer Frau zu helfen, die schwarzen Johannisbeeren zu pflücken. Für die drei Sträucher brauchten wir drei Stunden! Das hing nicht nur an den bedingten Deutschkenntnissen der Frau, sondern an den Themen, welche die Frau anschnitt. Ich hörte zu und konnte hilfreiche Informationen einfliessen lassen. Das geschah so «nebenher». Aber es gehört wesentlich zum Programm, einerseits die Frauen über Regelstrukturen, Abfallentsorgung und das Schulwesen in der Schweiz zu informieren, mit ihnen über die eigene und die Gesundheit der Kinder zu sprechen oder ihnen zu zeigen, wie das anfallende Gemüse verwertet werden kann, andererseits sind aktuelle Themen aufzugreifen. Beispielsweise hat eine Gartenleiterin gegenwärtig den Eindruck, dass bei den Frauen, die in ihrem Gartenprogramm teilnehmen, Gewalt ein Thema ist. Sie wird einen thematischen Impuls zu häuslicher Gewalt halten und mit den Frauen darüber ins Gespräch kommen.

Was schätzen die Frauen am Programm?
Das gemeinsame Gärtnern steigert das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Die Frauen erleben sich – so die Rückmeldungen – als zufriedener und glücklicher. Sie schätzen es sehr, sich untereinander vernetzen zu können. Manchmal entstehen Freundschaften. Das geerntete Gemüse entlastet zudem ihr Haushaltsbudget. Insbesondere schätzen sie die Informationen zu Abfallent- sorgung, Gesundheitsvorsorge usw. Der Garten erfüllt viele Frauen mit Stolz. Eine Frau sagte in der Auswertung: «Ich freue mich, wenn ich Besuch habe und ihm den Garten zeigen darf.»

Wie finanzieren Sie dieses Programm?
Die Finanzierung des Projekts ist sehr aufwendig, da verschiedene Geldquellen die Ausgaben decken müssen. Das Projekt «Neue Gärten» ist teil des kantonalen Inte- grationsprogramms, deshalb erhalten wir zum einen Geld vom Kanton. Zum anderen werden wir von den Landeskirchen und den Kirchgemeinden unterstützt. Auch spenden uns Privatpersonen. Es besteht zudem die Möglichkeit, uns die gesammelten Cumuluspunkte bei der Migros zu übertragen. Und es gehört zu meinen Aufgaben, Drittmittel zu akquirieren. Meistens bleibt doch noch eine Differenz, die HEKS begleicht, aber nicht unbegrenzt, weshalb wir den Garten in Windisch schliessen mussten.

Was können Kirchgemeinden noch zum Projekt beitragen?
Neben Opfergaben aus den Sonntagsgottesdiensten oder von Beerdigungen sind wir dankbar, wenn wir die Möglichkeit erhalten, ihre Räume und ihre Küchen nutzen zu können. Unsere Frauen kochen gern gemeinsam.

Interview: Maria Hässig

 

1 Regula Rickenbacher leitet seit 2015 das Projekt «Neue Gärten» bei der HEKS-Regionalstelle Aargau-Solothurn.

 

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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