Baudenkmäler müssen nicht rentieren

Aktuell wird eine profane Mitnutzung von Kirchengebäuden als interessante Lösung für die abnehmende Gottesdienstnutzung angesehen. Damit stellen sich allerdings nicht nur bauliche Fragen.

Wird die Umnutzung eines Baudenkmals im Allgemeinen betrachtet, dann ist festzuhalten, dass zunächst einmal die ursprüngliche Nutzung für die Erhaltung und das Verständnis des Denkmals wichtig ist. Weil die Geschichte des Gebäudes im ursprünglichen Gebrauch anschaulich wird und sich so auch besser vermitteln lässt. Die angestammte Nutzung stellt daher auch aus denkmalpflegerischer Sicht einen Wert dar, der nicht ohne wichtige Gründe aufgegeben werden sollte.

Je ähnlicher, desto integrierbarer

Die Umnutzung eines kirchlichen Baudenkmals ist aufgrund der religiösen und gesellschaftlichen Zusammenhänge ein Sonderfall. Ob es nun besser ist, wenn im Falle einer Um- oder Mitnutzung kircheneigene oder profane Nutzungen in den Kirchenraum einziehen sollen, ob es eine oder mehrere Nutzungen sein können, das kann aus denkmalpflegerischer Sicht angesichts der Bandbreite der Umsetzungsmöglichkeiten und der Eigenheiten der Bauten nicht vorab festgelegt werden. Untersuchungen zeigen allerdings, dass sich eine neue Nutzung umso besser in ein Baudenkmal integrieren lässt, je ähnlicher die Neu- oder Mitnutzung dem ursprünglichen Gebrauch ist. Der Begriff Nutzung wird in der Denkmalpflege sehr weit ausgelegt, denn auch eine museale Präsentation eines Baudenkmals kann als Nutzung verstanden werden. Eine grosse Rendite muss die Nutzung eines Baudenkmals angesichts seines hohen kulturhistorischen Zeugniswerts nicht abwerfen. Die Bausubstanz des Denkmals und seine Bedeutung haben deshalb auch Vorrang vor aktuellen Bedürfnissen. Diese sind häufig einem kurzfristigen Wandel unterworfen, die immer wieder neue bauliche Eingriffe nach sich ziehen. Auch bei gleichbleibender Nutzung sind veränderte Bedürfnisse bereits in der Konzeptphase auf ihre Verträglichkeit mit dem Baudenkmal hin zu überprüfen.

Ungeeignete Nutzung vermeiden

Im Zusammenhang mit Kirchengebäuden gilt es jedoch noch weitere Aspekte zu beachten. Es gibt Neunutzungen oder Mitnutzungen, die bewusst oder unbewusst zur Abwertung eines Baudenkmals beitragen können. So sehr, dass das Gebäude in der Öffentlichkeit in Misskredit gerät. Das umgenutzte Gebäude wird rasch als Schandfleck wahrgenommen. Dies kann zum Beispiel geschehen, wenn eine Kirche als Autowerkstatt oder Diskothek verwendet wird. Dann kann der Ruf nach dem Abbruch des Gebäudes aufgrund der ungeeigneten Nutzung schwerer wiegen als das Engagement für dessen Erhaltung. Es gibt also auch Nutzungsarten, die der Bedeutung eines Kirchengebäudes nicht oder nur bedingt gerecht zu werden vermögen. Die Suche nach einer neuen Nutzung kann unter Umständen lange dauern. Doch der Kirchenbau ist auch in der Phase der Lösungssuche zu unterhalten und wenn möglich in der angestammten Art zu nutzen. Denn die Aufwendungen für eine Wiederherstellung nach langem Leerstand sind in jedem Fall deutlich höher als der kontinuierliche Unterhalt.

Sich für die Zukunft rüsten

In der Schweiz ist aktuell zu beobachten, dass die Kirchgemeinden ihre Kirchengebäude gut unterhalten. Sie möchten aber gern auch mehr Leben in diese Räume bringen, und so wird vorsichtig nach Lösungen der Mit- oder Umnutzung Ausschau gehalten. Vollständige Umnutzungen werden vor allem in Städten umgesetzt, deren Kirchenorganisationen auf Konzentrationskurs sind. In den allermeisten Kirchgemeinden werden die Bauten aber aktuell noch wesensgerecht genutzt und saniert, um sie für die Zukunft zu sichern. Dabei werden allerdings zunehmend die Bedürfnisse von Einzelanlässen wie Konzerten, Kinderbetreuung oder soziale Aktivitäten stärker gewichtet als die der Gottesdienstnutzung. Die Diskussionen über die verträgliche Art der Nutzung von kleineren oder grösseren Kirchenräumen in Stadt und Land werden künftig zunehmen. Die Gratwanderung, alle wesentlichen Interessen – wie die der Besitzerschaft, der lokalen Öffentlichkeit, der Nutzer und auch der Denkmalerhaltung – zu berücksichtigen, ist anspruchsvoll und verlangt bei allen Beteiligten ein grosses Fingerspitzengefühl und bei hohem Verantwortungsbewusstsein die Bereitschaft zu interdisziplinärem Austausch.

Eva Schäfer

 

Buchempfehlung: «Umnutzung von Kirchen. Diskussionen und Ergebnisse seit den 1960er Jahren». Von Eva Schäfer. Kromsdorf/Weimar 2018. ISBN 978-3-95773-235-4, CHF 109.–. www.asw-verlage.de


Eva Schäfer

Dr. Eva Schäfer (Jg. 1974) studierte Architektur an der ETH Zürich und promovierte an der Bauhaus-Universität Weimar zur Umnutzung christlicher Kirchen in den Niederlanden und der DDR. Sie arbeitete von 2006 bis 2016 bei der kantonalen Denkmalpflege in Bern und ist seit Mai 2016 Mitarbeiterin des Amts für Denkmalpflege des Kantons Thurgau.