Zur Handelsregister-Eintragungspflicht kirchlicher Stiftungen

In der SKZ Nr. 44/2015 vom 29. Oktober 2015 wurde über die Aufhebung der bisherigen Befreiung kirchlicher Stiftung von der Pflicht zur Eintragung ins Handelsregister in Art. 52 Abs. 2 ZGB berichtet.1 Diesen Ausführungen, die die gemäss Art. 80 ff. und 87 Abs. 1 ZGB errichteten kirchlichen Stiftungen betreffen, ist nichts beizufügen. Die bessere Transparenz als Massnahme zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung sowie zur Aufdeckung von Vermögenswerten illegaler Herkunft, die von allen juristischen Personen in verschiedenster Hinsicht gefordert und mit der neuen Verpflichtung, kirchliche Stiftungen ins Handelsregister einzutragen, geschaffen wird, ist auch aus innerkirchlicher Sicht und für die öffentlich-rechtlichen kirchlichen Körperschaften (Landes- bzw. Kantonalkirchen und Kirchgemeinden) zu begrüssen, die mit ihren Kirchensteuermitteln die Erfüllung der Aufgaben dieser kirchlichen Stiftungen weitgehend finanzieren bzw. mitfinanzieren.

Keine Eintragungspflicht für die ortskirchlichen Stiftungen des kantonalen öffentlichen Rechts

Nicht ausser Acht gelassen werden darf dabei nun aber, dass die ortskirchlichen Anstalten und Stiftungen, die unter den Vorbehalt von Art. 59 Abs. 1 ZGB – der unverändert bleibt – fallen und damit ihre rechtliche Grundlage nicht in den Art. 80 ff. ZGB, sondern im kantonalen öffentlichen Recht haben, von der neuen Regelung nicht betroffen sind. Diese sind nicht aufgrund der bisherigen Ausnahme in Art. 52 Abs. 2 ZGB, vielmehr aufgrund des Vorbehalts des kantonalen öffentlichen Rechts in Art. 59 Abs. 1 ZGB der HR-Eintragungspflicht nicht unterworfen. Dass Art. 52 Abs. 2 ZGB die Ausnahme von der Eintragungspflicht für kirchliche Stiftungen nach Privatrecht nicht mehr kennt, berührt sie daher nicht.

Dies ist auch gerechtfertigt. Sinn und Zweck der neuen gesetzlichen Bestimmungen ist die Schaffung grösserer Transparenz. Bei den dem kantonalen öffentlichen Recht unterstellten kirchlichen Anstalten und Stiftungen der Kirchgemeinden und kantonalen kirchlichen Körperschaften – auf deren Rechtsnatur nachstehend näher eingegangen wird – ist die Transparenz durch die demokratische und rechtsstaatliche Organisation gewährleistet, zu der die Letzteren gemäss ihrer öffentlich-rechtlichen Anerkennung in den Kantonsverfassungen verpflichtet sind. Die Verwaltung dieser Stiftungen untersteht nach der Organisation dieser Körperschaften der demokratischen und öffentlichen Kontrolle, sei es der Kirchgemeindeversammlung, sei es des landeskirchlichen Parlaments. Auf die nach Privatrecht gemäss Art. 80 ff. ZGB errichteten kirchlichen Stiftungen kommt mit der neuen gesetzlichen Regelung mit der Registrierung und insbesondere mit der danach strengeren Buchführungspflicht ein grosser Aufwand zu, wie auch im eingangs erwähnten Beitrag aufgezeigt wird. Die Handelsregisterverordnung wird die Einzelheiten der Anforderungen,2 die neu an die Grundlagen und die Ausgestaltung dieser Stiftungen gestellt werden, noch regeln. Immerhin sind diese kirchlichen Stiftungen nach Art. 87 Abs. 1bis ZGB nach wie vor von der Pflicht, eine Revisionsstelle zu bezeichnen, befreit.

Der Aufwand fällt nun hingegen insgesamt viel geringer als zunächst vielfach wohl befürchtet aus, weil die ortskirchlichen Stiftungen – nachdem sie in den katholischen Kantonen und in den ursprünglich katholischen Gebieten paritätischer Kantone ihren Ursprung im kantonalen öffentlichen Recht haben3 und ihre Rechtspersönlichkeit weiterhin gestützt darauf besitzen4 – auch neu nicht ins Handelsregister einzutragen sind.

Die Rechtsnatur ortskirchlicher Stiftungen in Graubünden

Im Kanton Graubünden steht aufgrund der alten gesetzlichen Regelungen im kantonalen Recht und deren Entwicklung fest, dass die althergebrachten, auf das Eigenkirchen- und Patronatswesen zurückgehenden Pfarrkirchen- und Pfrundstiftungen der katholischen Kirchgemeinden stets als solche des in Art. 59 Abs. 1 ZGB für "kirchliche Anstalten" vorbehaltenen kantonalen öffentlichen Rechts betrachtet wurden und weiter zu betrachten sind. Wenn in Art. 22 EG zum ZGB-GR heute allein noch festgelegt ist, die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der Landeskirchen werde durch die landeskirchlichen Organe ausgeübt und der Regierung stehe die Oberaufsicht zu, ist dies auf die erfolgte stets konsequentere Entflechtung von Staat und Kirchen zurückzuführen.

Mit dieser Entwicklung beschränkt sich der Kanton wie andere auch im Wesentlichen auf die öffentlich-rechtliche Anerkennung der Landeskirchen und darauf, ihnen wie ihren Kirchgemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechts Autonomie zu garantieren, d. h. das Recht, ihre Angelegenheit selbstständig zu regeln. Zu diesen gehört, nachdem das kantonale Recht heute keine näheren Bestimmungen mehr darüber enthält, auch die Organisation und Verwaltung der "kirchlichen Anstalten", für die das kantonale Recht vorbehalten ist. Die Kirchgemeinden tun dies in den angestammten katholischen Gebieten denn auch ausdrücklich in ihren Kirchgemeindeverfassungen, oder sie verwalten von alters her diese kirchlichen Anstalten und Stiftungen, gewohnheitsrechtlich in einer Form ohne förmliches Statut, nach der der Kirchgemeindevorstand als Stiftungsrat – unter Mitwirkung des Pfarrers, der ihm von Amtes wegen angehört – zu betrachten ist. Weit verbreitet ist auch die historische Praxis, für die einzelnen Stiftungen "Vögte" oder "Vormünder" (romanisch: "ugau") zu bestellen, die die Verwaltung im Namen der Kirchgemeinde ausüben und dieser darüber Rechenschaft ablegen. Für eine Verfügung über die Vermögenswerte dieser Stiftungen wird jeweils die Genehmigung des Bischofs eingeholt, wofür bei Differenzen die Regeln des einvernehmlichen Zusammenwirkens bei gemischten Angelegenheiten gelten.5

Soweit der Bischof in alten Kirchgemeinden aufgrund kantonalen öffentlichen Rechts bestehende Stiftungen in einzelnen Fällen in privatrechtliche Stiftungen nach Art. 80 ff. und 87 Abs. 1 ZGB mittels eines allein durch einen seiner Vertreter unterzeichneten öffentlich beurkundeten Stiftungsstatuts umwandeln liess, sind diese als nichtig zu betrachten, da diese Umwandlungen ohne einen entsprechenden Entscheid der Kirchgemeindeversammlung und ohne die Genehmigung der Verwaltungskommission der Landeskirche erfolgten. Beides ist nach dem Recht der katholischen Kirchgemeinden und der Katholischen Landeskirche Graubünden für eine rechtsgültige Umwandlung erforderlich. Auch am Beispiel des Kantons Schwyz, wo dies nach dortigem Recht auf dem Weg einer Teilrevision der Kantonsverfassung geschah,6 zeigt, dass allein das ein rechtsgültiger Weg sein kann.

Belege in anderen Kantonen

Ulrich Lampert7 führt neben Graubünden und Schwyz die folgenden weiteren Kantone mit alten Regelungen über kirchliche Stiftungen des kantonalen Rechts auf: Appenzell Innerrhoden, Freiburg, Luzern, Nidwalden, Obwalden, St. Gallen, Tessin, Uri, Wallis und Zug.8

Im Kanton Obwalden sind die ortskirchlichen Stiftungen noch heute aufgrund ausdrücklicher Bestimmungen in Verfassung und Gesetzgebung solche nach kantonalem öffentlichem Recht. Nach Art. 6 Abs. 1 der Kantonsverfassung erlangen kirchliche Körperschaften, Stiftungen und Anstalten nur Rechtspersönlichkeit nach Art. 80 ff. ZGB, wenn sie nicht durch Verfassung oder Gesetzgebung öffentlich-rechtlich anerkannt sind. Gemäss Art. 25 EG zum ZGB-OW erlangen die kirchlichen Anstalten und Stiftungen aufgrund des Vorbehalts in Art. 59 ZGB nach kantonalem Recht juristische Persönlichkeit.

Der Kanton Nidwalden gewährleistet in Art. 40 seiner Verfassung den Fortbestand der kirchlichen Stiftungen, was das weitere Bestehen solcher nach kantonalem Recht bestätigt, weil der Kanton allein dafür zuständig ist. Das Gleiche gilt für den Kanton Thurgau, wo in § 37 EG zum ZGB-TG neben jenen der Gemeinden und des Kantons, die unter dem Vorbehalt von Art. 59 Abs. 1 ZGB fallen, weitere öffentlich-rechtliche Anstalten und Stiftungen Erwähnung finden, bei denen es sich insbesondere um kirchliche handeln wird. Zug erwähnt kirchliche Stiftungen in Art. 11 der Verfassung und Art. 31 EG zum ZGB-ZG.

Das heutige Fehlen ausdrücklicher Regelungen in den anderen Kantonen, die solche früher kannten, ist wie in Graubünden nicht als ein Fehlen von kantonalrechtlichen kirchlichen Stiftungen und Anstalten oder eine Aufgabe dieser zu verstehen. Überall dort, wo solche nicht nach Art. 80 ff. ZGB errichtete Stiftungen heute in der Praxis nach wie vor bekannt sind, ist davon auszugehen, dass sie gestützt auf die öffentlichrechtliche Anerkennung der Landeskirchen und ihrer Kirchgemeinden ihre rechtliche Grundlage als kantonalrechtliche Stiftungen in deren autonome Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten haben. Im Fall des Kantons St. Gallen bestätigt Art. 40 der Verfassung des Katholischen Konfessionsteils, nach welchem dieser die kirchlichen Stiftungen und Fonds verwaltet und die der Kirchgemeinden beaufsichtigt, dies beispielsweise. 

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Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB)

Art. 52

A. Persönlichkeit

1 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbstständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.

2 Keiner Eintragung bedürfen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten, die Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen, die kirchlichen Stiftungen und die Familienstiftungen. [Der kursive Text ist in der am 1. Januar 2016 in Kraft tretenden Fassung gestrichen.]

3 ...

Art. 59

F. Vorbehalt des öffentlichen und des Gesellschafts- und Genossenschaftsrechtes

1 Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.

2 ...

 

 

 

1 Dominique Jakob / Simon Gubler: Kirchliche Stiftungen. Bevorstehende bundesrechtliche Änderungen, in: SKZ 183 (2015), Nr. 44, 552–553.

2 Vgl. Vernehmlassungsentwurf für eine neue Geldwäschereiverordnung, mit dem auch die Handelsregisterverordnung in Bezug auf die Eintragung kirchlicher Stiftungen ergänzt wird (siehe www.admin.ch: Vernehmlassungen, abgeschlossene, EFD).

3 Vgl. dazu Ulrich Lampert: Die kirchlichen Stiftungen und Anstalten nach schweizerischem Recht. Zürich 1912, 38 ff.; Alcides Vasella: Die Rechtsverhältnisse des katholischen Kirchenvermögens im Kt. Graubünden. Basel-Freiburg 1933, 63 ff.

4 Eine Ausnahme bildet der Kanton Schwyz. Dort sind diese seit 1999 aufgrund einer Teilrevision der Kantonsverfassung neu privatrechtliche Stiftungen (vgl. Paul Weibel: Grundriss der Kirchlichen Stiftungen im Kanton Schwyz, in: EGVSZ 2004).

5 Vgl. dazu eingehend: Giusep Nay: Die Rechtsnatur ortskirchlicher Stiftungen in Graubünden, in: ZGRG 04/12, 186 ff. Dabei handelt es sich um ein Rechtsgutachten des Verfassers zuhanden der Verwaltungskommission der Katholischen Landeskirche Graubünden, das sich auch mit einem Rechtsgutachten von Michael Riemer zuhanden des Bischöflichen Ordinariates auseinandersetzt. Dieses wurde nachträglich in ZGRG 01/13 veröffentlicht, setzt sich hingegen mit dem Ersteren nicht auseinander und entkräftet dieses daher auch nicht; dies zumal mit Beispielen aus neuen Kirchgemeinden argumentiert wird und mit Aufsichtsbefugnissen des Bischofs, entscheidend jedoch ist, wer die althergebrachten Stiftungen verwaltet.

6 Siehe Anm. 4.

7 Lampert, (wie Anm. 3), 40.

8 Der Kanton Aargau wird als unklar eingestuft.

Giusep Nay

Giusep Nay

Dr. iur. et Dr. theol. h. c. Giusep Nay ist ehemaliger Bundesgerichtspräsident, war Sekretär der Katholischen Landeskirche Graubünden und berät u. a. die Römisch- Katholische Zentralkonferenz der Schweiz in staatskirchenrechtlichen Fragen.