«Zum Wandel gehört Mut»

Alice Stierli ist Co-Präsidentin von Jungwacht Blauring Schweiz einer Organisation, der rund 30 000 Kinder und Jugendliche angehören. Sieht sie sich darin als Akteurin des Wandels? Die SKZ hat nachgefragt.

SKZ: Sie sind seit Ihrer Kindheit Mitglied bei Jungwacht Blauring (Jubla). Was verbindet Sie mit dieser Organisation?
Alice Stierli: Im Alter von sieben Jahren habe ich zum ersten Mal an einem Lager teilgenommen. Mit all den Herausforderungen, die an eine Siebenjährige gestellt wurden, bin ich wieder heil heimgereist – ich war ja umgeben von Menschen, die mir halfen. So wächst man in alles rein und lernt dabei. In meiner ganzen Jubla-Karriere bin ich immer von erfahrenen Leitern in neue Aufgaben eingeführt worden.

Inwiefern prägte die Jubla Ihr Leben?
Ich denke, dass alle meine Lebensbereiche durch die Jubla beeinflusst wurden. Es sind starke Freundschaften entstanden. Auch habe ich in der Jubla Fähigkeiten erlernt, die mir in meinem Beruf als Lehrerin zugutekommen. Es sind in erster Linie Erlebnisse, die geblieben sind: Erlebnisse von Dingen, die nicht geklappt haben. In der Jubla habe ich auch die Möglichkeit, Fehler zu machen und an diesen zu wachsen.

Gibt es einen besonderen Anlass, der bezeichnend ist für die Jubla?
Nein. In einem Lager gibt es unendlich viele Momente: am Lagerfeuer, in der Gruppe, beim Sport, in der Natur. Dazu kommen Anlässe wie zum Beispiel das «Schmutzlen» am 6. Dezember. Unser Pfarrer kochte das Mittagessen während der Papiersammlung und im Gegenzug haben wir in der Osternacht auf das Feuer aufgepasst. Aktuell gehört es für mich neben Sitzungen und Projekten auch zur Jubla, dass wir zusammen mit den Ehemaligen Glühwein kochen, der nach der Mitternachtsmesse an Heiligabend ausgeschenkt wird. Diese Vielfalt macht für mich die Jubla aus.

Die Jubla hat im positiven Sinn Einfluss auf rund 30 000 Kinder und Jugendliche. Was möchten Sie ihnen mitgeben?
Es sind Werte in verschiedenen Bereichen des Lebens. Wir möchten ein Umfeld schaffen, in dem Kinder Werte für sich selber entwickeln können in Bezug auf die Natur, auf Gemeinschaft, auf andere Menschen. Wir möchten, dass sie in einer Gemeinschaft aufwachsen, die ihnen erlaubt, eigene Werte zu finden. Auch den eigenen Glauben zu entwickeln, wie auch immer dieser dann ausgeprägt ist.

Sie sind jetzt in der Verbandsleitung. Inwiefern sehen Sie sich als Akteurin des Wandels?
Ich glaube, wenn ich einem Menschen die Möglichkeit gebe, Dinge auszuprobieren, bin ich bereits eine treibende Kraft im Wandel. Früher waren Mädchen und Buben getrennt in den Lagern, sodass alle alle Aufgaben übernehmen mussten. Unabhängig davon, ob man ein Mädchen oder ein Bub ist, ist entscheidend, was man sich zutraut. Zum Wandel gehört der Mut, Neues auszuprobieren. Wir ermutigen die jungen Leiter, die Dinge so zu machen, wie sie es für richtig halten. Selbstverständlich sollen sie von den Erfahrungen der Vorgänger profitieren und Bewährtes übernehmen, doch sie sollen kreativ sein. So kommt ein Wandel in Gang. Es ist unsere Aufgabe, Gefässe zu bieten, in denen Leiter sich zutrauen, Neues zu wagen.

Hatten es frühere Generationen einfacher, etwas zu verändern?
Vielleicht trauen wir uns heute mehr zu, weil wir über die sozialen Medien erfahren, was sich andere getrauen. Und vielleicht beeinflusst der Wandel schon nur die Motivation, etwas zu verändern. Ich denke auch, dass es heute einfacher ist, weil die Gesellschaft Veränderungen und allgemein das Anderssein besser akzeptiert. Meine bald 90-jährige Grossmutter erzählt mir oft von Dingen, die sie verändert haben – teils nur im Verborgenen. Sie haben vieles in die Wege geleitet, sodass eine Änderung möglich wurde. Vielleicht hatte die frühere Generation den Eindruck, dass sie nicht viel verändern konnte, einfach weil es nicht direkt sichtbar wurde. Doch sie hat wichtige Grundsteine für einen Wandel gelegt. Ich weiss nicht, was schwieriger ist: etwas ins Rollen zu bringen oder etwas am Rollen zu halten.

Interview: Rosmarie Schärer

 

Blauring Jungwacht Schweiz
Die Jungwacht ging 1932 aus dem Schweizerischen Katholischen Jungmannschaftsverband hervor, der Blauring 1933 aus der Jungfrauen-Kongregation. In den 1970er-Jahren lösten sie sich von ihren Gründerverbänden und begannen eine Zusammenarbeit, die 2009 durch die Fusion der beiden Verbände ihren Höhepunkt fand. www.jubla.ch

Der Herbert-Haag-Preis 2019 geht an Jungwacht Blauring Schweiz. Die Preisverleihung findet am 24. März statt. Die Herbert-Haag-Stiftung zeichnet Personen und Institutionen aus, die sich durch freie Meinungsäusserung und mutiges Handeln in der Christenheit exponieren.

 


Interviewpartnerin Alice Stierli

Alice Stierli (Jg. 1987) ist Co-Präsidentin von Jungwacht Blauring Schweiz und dabei zuständig für die Fachgruppen Ausbildung und Prävention. Sie arbeitet als Sekundarlehrerin. (Bild: rs)