«Ohne Frauen läuft einfach nichts»

Wally Bäbi gehört einer anderen Generation an als Alice Stierli. Sie engagiert sich im Kantonalen Seelsorgerat und als Präsidentin des Kirchgemeinderates in Flims. Wie erlebt sie den Wandel?

SKZ: Sie sind Präsidentin des Kirchgemeinderates in Flims, waren lange Präsidentin des Kantonalen Seelsorgerates Graubünden und dabei selbständig erwerbend. Was ist Ihre Kraftquelle?
Wally Bäbi: Die Kirche, der Glaube. Für mich ist die Kirche sehr wichtig. Doch ich sehe mich selbst nicht als fromm. Ich bin auch sehr kritisch. Mir ist diese Beziehung zur Kirche in die Wiege gelegt worden. Ich bin im Unterengadin, in Susch, direkt neben der Kirche aufgewachsen. Die Pfarrei wurde von Patres aus dem Südtirol betreut. Schon als Kind lernte ich, dass es wichtig ist, alles zu organisieren, damit das Pfarrei- leben gelingen kann.

Sehen Sie sich als Akteurin des Wandels?
Ja! Im Grossen habe ich nichts verändert, doch im Kleinen. So habe ich zum Beispiel in der Pfarrei dafür geschaut, dass die Kirche, die Pfarrei mit der Zeit mitgeht. Ohne Frauen läuft einfach nichts. Das ist so. (Sie lacht.) Veränderungen in der Kirche sind schwierig. Am besten gehen Veränderungen durch das eigene Beispiel. Wenn Menschen mein Beispiel sehen und meinen Lebenswandel, können sie sich davon angesprochen fühlen und versuchen, es nachzuahmen. Mir ist dabei wichtig, dass bei allen Veränderungen eine klare Linie beibehalten wird. Wir sollen nicht einfach Veränderungen einführen, nur weil diese den Menschen besser gefallen. Ich versuche den Menschen zu erklären, warum gewisse Dinge nicht möglich sind – selbst wenn ich diese manchmal lieber auch anders hätte.

Sie haben viel Kraft in die Gründung des «Pfarreiblatts Graubünden» gesteckt. Warum war Ihnen dieses Projekt so wichtig?
In der letzten Sitzung des Kantonalen Seelsorgerates mit dem damaligen Generalvikar Vitus Huonder brachte dieser den Wunsch nach einem kantonalen Pfarreiblatt ein. Die Verwirklichung dieses Wunsches war mir ein grosses Anliegen, da ich den Wert eines solchen Pfarreiblattes sah. Es gibt immer mehr Menschen, die nicht mehr in die Kirche gehen. Durch das Pfarreiblatt erreichen wir auch diese Menschen und können ihnen so den Glauben verkünden. Viele Menschen kennen mich aufgrund meines Fotos im Editorial des Pfarreiblattes und sprechen mich auf der Strasse an. Und da höre ich oft den Satz: «Wissen Sie, in die Kirche gehen wir nicht mehr, aber das Pfarrblatt lesen wir immer.»

Konnten Sie als Mutter Ihren Kindern die Offenheit für Veränderungen mitgeben?
Selbstverständlich habe ich meine Kinder zu Offenheit gegenüber Neuem erzogen. Doch im Moment merke ich, dass es schwierig ist. Meine erwachsenen Kinder hören von den aktuellen Ereignissen in der Kirche und reagieren mit Ablehnung. Dies kann ich nachvollziehen, ich hoffe aber auch, dass diese kritische Haltung gegenüber der Kirche schliesslich zu einer positiven Veränderung der Kirche führen wird.

Glauben Sie, dass es die Jugend heute leichter hat, etwas zu verändern, als Ihre Generation?
Ich denke im Gegenteil, dass es die Jugend schwieriger hat als meine Generation. Wir haben vieles einfach von den Eltern oder Grosseltern übernommen und weitergeführt. Die junge Generation steht unter vielen verschiedenen Einflüssen, zum Beispiel durch die sozialen Medien und muss ihren Weg selber finden. Ich stehe Grossveranstaltungen für Jugendliche deshalb eher skeptisch gegenüber. Es ist sicher schön, wenn die Jugendlichen in einer grossen Gemeinschaft den Glauben feiern können, doch zu Hause sind sie in den Pfarreien oft alleine unter älteren Menschen. Der Event ist schön, doch der Alltag sieht anders aus. Mir geht es ähnlich. Wenn ich zum Beispiel einer schönen grösseren Feier in der Kathedrale beiwohne und danach einem schlecht besuchten Gottesdienst in der eigenen Pfarrei. Dann denke ich oft: Jetzt musst du in der Pfarrei etwas verändern!

Interview: Rosmarie Schärer


Interviewpartnerin Wally Bäbi

Wally Bäbi-Rainalter (Jg. 1947) ist in Susch GR aufgewachsen. Zusammen mit ihrem Mann betrieb sie ein Geschäft für Raumgestaltung in Flims GR, das heute ihr Sohn Christoph führt. Sie ist Präsidentin der Redaktionskommission des «Pfarreiblatts Graubünden».