(Fast) allein unter Männern

In der Schweizer Armee liegt der Frauenanteil unter einem Prozent. Nicht ganz so extrem ist das Geschlechterverhältnis in der Armeeseelsorge. Eine der wenigen Seelsorgerinnen ist Sabine Herold.

Angefangen hat es mit dem Aufruf, dass Armeeseelsorger gesucht werden. Sabine Herold, Gemeindepfarrerin in Wohlen AG, fühlte sich sofort davon angesprochen. Dies ist nicht selbstverständlich, kommt sie doch ursprünglich aus Deutschland und hat sich mit ihrer Familie erst 2013 einbürgern lassen. «Wir sind sehr dankbar, dass die Schweiz eine Armee hat, die für Sicherheit, Schutz und Verteidigung da ist», erklärt Herold.

Eintritt in eine fremde Welt

Im Sommer 2016 besuchte sie die notwendige minimale Rekrutenschule von drei Wochen. «Es waren drei harte Wochen, aber drei wichtige Wochen», hält sie fest. Sie lernte unter anderem die militärische Sprache, wie man sich korrekt kleidet und grüsst oder welche Dienstgrade es gibt. «Ohne diese Grundausbildung käme man vermutlich wie von einem anderen Stern in die Armee und hätte überhaupt keine Ahnung», ist sie überzeugt.

Im November 2016 folgte der technische Lehrgang für die Armeeseelsorge. Ab diesem Punkt war sie von einer Vorfreude auf ihre Tätigkeit erfüllt und auch von der Überzeugung, dass es wichtig sei, dass es Armeeseelsorger gibt und dass sie erreichbar sind.

Wichtige Beziehungsarbeit

Armeeseelsorger ist kein eigentlicher Beruf. Herold hat eine Vollanstellung als Gemeindepfarrerin und wird für ihre Tätigkeit als Armeeseelsorgerin von der Kirchgemeinde freigestellt. Normalerweise beträgt ein Pensum zwischen zehn und zwanzig Diensttagen pro Jahr. Da sie aber für zwei Rekrutenschulen zuständig ist, ist ihr Aufwand höher. «Die einzelnen Einsätze verteilen sich über Wochen und Monate, da habe ich feste Termine», erklärt Herold. Dazu gehören z. B. die Theorien, die sie den neuen Rekruten hält. Hier stellt sie auch die Armeeseelsorge vor, damit die Rekruten wissen, dass es diese gibt. Speziell ist, dass für den Kontakt mit den Armeeseelsorgern der Dienstweg nicht eingehalten werden muss. Eine absolute Ausnahme. Herold verteilt zu Beginn Kugelschreiber mit ihrer Telefonnummer und einer Notfalltelefonnummer. «In den ersten Wochen läuft die Leitung heiss, da gibt es viele, die eine Krise kriegen oder merken, sie schaffen es nicht, oder die von zu Hause Probleme mitbringen», erzählt Herold.

Ab RS-Woche 7 kommen zugsweise je 30 bis 50 Rekruten zu ihr in eine Theorie. Sie sprechen dabei über verschiedene Themen, von denen sie betroffen sind, und tauschen sich darüber aus, was gut läuft, wo es schwierig ist usw. Dann kommt es auch vor, dass Herold bei Übungen dabei ist, zum Teil auch mitmacht oder auf einem Marsch mitmarschiert. «Das ist eine gute Gelegenheit für Gespräche», stellt sie fest. Ihr ist es sehr wichtig, präsent zu sein. Einerseits wird sie so von den Armeeangehörigen schneller als «eine von uns» wahrgenommen, andererseits fördert sie so das Bewusstsein für die Existenz der Armeeseelsorge. «Wenn man den Armeeseelsorger nie sieht, dann denkt man auch im Ernstfall nicht an ihn», ist Herold überzeugt und ergänzt: «Die Arbeit als Armeeseelsorgerin ist in erster Linie Beziehungsarbeit, die sich lohnt!» Diese Beziehungsarbeit schliesst auch das Kader und das Berufsmilitär mit ein.

In einer wichtigen Mission unterwegs

Eine Herausforderung für die Pfarrerin ist, dass sie in der Armee keine langen Predigten halten kann. «Ein Impuls darf nur wenige Minuten dauern und sollte möglichst noch zweisprachig sein.» Dabei muss sie auch stets berücksichtigen, dass nicht alle Armeeangehörigen einen christlichen Hintergrund haben. Sie sieht ihre Aufgabe aber auch als eine grosse Chance: «Ich treffe in der Rekrutenschule auf genau die Altersgruppe, die wir in der Pfarrei oft nicht mehr erreichen.»

Missionieren ist selbstverständlich nicht erlaubt, denn die Armeeseelsorge ist ein Dienst der Armee zugunsten aller Angehörigen der Armee, unabhängig von deren religiös-spiritueller Verwurzelung. Doch ihr Handeln und Sprechen ist von ihrem christlichen Glauben genährt. «Ich kann mich ja nicht verbiegen», hält sie fest. «Ich will nicht missionieren, ich bin aber in einer wichtigen Mission in der Armee.»

Darauf angesprochen, dass die Frauen im Militär in der Minderheit seien, lacht sie laut und meint: «Ich habe zusammen mit meinem Mann drei Söhne. Ich bin es also gewohnt, in einer Männergesellschaft zu leben.»

Rosmarie Schärer


Im Porträt: Sabine Herold

Sabine Herold (Jg. 1973) ist reformierte Pfarrerin in Wohlen AG und arbeitet seit Herbst 2016 als Armeeseelsorgerin.

 

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