Das Kloster Mariazell in Wurmsbach war bekannt für seine Mädchenschule. 178 Jahre lang wurde am Obersee Bildungsgeschichte geschrieben. Im Sommer 2021 schloss die Gemeinschaft nach sorgfältig und reiflich überlegter Entscheidung das Mädcheninternat. Das war ein grosser Schritt in der Klostergeschichte.
SKZ: Äbtissin Monika, welche weiteren Fragen und Entscheidungen stehen im Blick auf die Zukunft Ihrer Gemeinschaft an?
Äbtissin Monika Thumm: Mit der Schliessung des Mädcheninternats stellten sich uns verschiedene Fragen. Die erste war: Werden wir eine neue Trägerschaft mit einem passenden Schulangebot finden? Heute können wir glücklich sagen: Ja, Wurmsbach bleibt ein Bildungsstandort. Mit der «SBW Haus des Lernens AG»1 wird eine innovative Bildungseinrichtung zukunftsweisende Angebote für Jugendliche anbieten. Im August 2022 starten das 10. Schuljahr und ein Gymnasium. «Wage, wovon du träumst» ist das Motto des «Talent-Campus Zürichsee». Zudem stand die Frage im Raum, welches Engagement unserer kleiner gewordenen Gemeinschaft angepasst sein könnte. Wir fragten uns in einem intensiven Prozess, welche Bedürfnisse junge Menschen insbesondere bezüglich der Sinnsuche haben. «Wie finde ich meinen Platz in der Welt?» «Wie kann ich hören, was Gott mir sagen will?» «Wie kann mein Leben zur Fülle kommen?» Das sind Fragen, die viele beschäftigen.
Wie wird die Neuausrichtung konkret aussehen?
Unter anderem aufgrund der sehr positiven Erfahrungen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer «Lerntage am See» wuchs in der Klostergemeinschaft die Idee zum neuen Angebot einer längeren «Auszeit für junge Menschen».2 Angesprochen sind junge Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren, die ihr gewohntes Umfeld für ein paar Monate verlassen möchten, um sich Zeit zu nehmen, tiefer zu fragen: Wohin geht mein Weg? Wofür lebe ich? Für die meisten sind drei Monate eine angemessene Zeit. Es ist jedoch auch möglich, sechs Monate oder länger hier am Ort zu sein. Das Projekt ist ökumenisch. Eingeladen sind sowohl junge Frauen als auch Männer. Die jungen Leute leben unter sich in einer Gruppe von vier bis zehn Personen, jedoch Tür an Tür mit der Klostergemeinschaft. Wir begegnen uns beim Gebet, bei der Arbeit und auch einmal zum Dessertessen an einem Festtag. Wöchentliche Impulse biblischer, spiritueller, psychologischer, literarischer oder anderer Natur unterstützen die persönliche Suche. Zwei Schwestern und eine Sozialpädagogin begleiten sowohl die Gruppe als auch die Einzelnen.
Stösst dieses Angebot bei jungen Menschen auf Interesse?
Ja, wir sind überrascht, wie viele es anspricht. Besonders in Deutschland findet es grosse Resonanz. Es kommt immer wieder vor, dass wir Reaktionen bekommen wie: «Das ist genau das, was ich suche!»
Was stärkt Sie auf diesem Weg in die Zukunft?
Wir machen im Moment ermutigende Erfahrungen: dass unser neues Angebot viel Resonanz findet, dass junge Menschen gestärkt von hier weggehen und den nächsten Schritt für ihr weiteres Leben sehen. Daraus schöpfen wir Freude und auch neue Energie. Wir erleben es als bereichernd, mit den jungen Leuten Schätze aus unserer christlichen und klösterlichen Tradition zu teilen. Zugleich erfahren wir, wie sie durch ihr Dasein und ihre Mitarbeit auch uns beschenken.
Wie kommt bei den Gesprächen und Entscheidungen das Charisma des Ordens zum Tragen?
Ich denke, bei unserer Neuausrichtung kommt vor allem das benediktinische Charisma der Gastfreundschaft zum Tragen. Der Empfang von Gästen hat in unseren Klöstern seit der Anfangszeit einen hohen Stellenwert. Heute machen wir die Erfahrung, dass gerade in einer Zeit der Kirchenkrise viele Menschen auf der Suche sind nach dem, was trägt. Sie kommen in unsere Klöster, um dem in der Stille und im Austausch nachzuspüren. Es liegt uns am Herzen, dass unsere Gäste eine Kirche entdecken, die einladend ist und in ihren liturgischen Feiern zur Kraftquelle wird.
Interview: Maria Hässig