«Wir haben ein Zeichen gesetzt»

Am 4. November fand in Thun das erste Friedensgebet mit Christen und Muslimen mit überwältigender Beteiligung statt. Initiant Hans H. Weber erzählt, wie es dazu gekommen ist und wie es weitergeht.

Imam Azir Aziri und Pfarrer Hans H. Weber anlässlich des ersten interreligiösen Friedensgebets in Thun. (Bild: Christine Burghagen)

 

SKZ: Wie kam es zur Idee eines gemeinsamen Friedensgebets?
Hans H. Weber: Wir von der katholischen Pfarrei St. Marien in Thun pflegen seit längerer Zeit Kontakt mit dem Islamischen Kulturzentrum IKRE, Thun. Diakon und Gemeindeleiter Patrick Erni und ich leiten das Projekt Forum-Utopia für den interreligiösen Dialog. Muslimischer Partner ist der Imam von Thun, Azir Aziri. Unser aller Antrieb war, dem ambivalenten und oft von den Medien verzerrten Bild des Islams mit einem gemeinsamen Anlass ein Zeichen für Vernunft, Toleranz und gegenseitige Akzeptanz zu setzen.

Wie reagierten die Thuner Moslems auf diese Idee?
Die Gläubigen der Moschee IKRE stammen aus dem Balkan. Sie unterstreichen, dass sie nicht Araber, sondern Europäer sind, und sie haben sich inzwischen sehr gut bei uns integriert. Nach langem Zögern seitens des IKRE traf ich mich mit Aziri in der Moschee. Als wir die ersten Worte wechselten und wir uns gegenseitig positionierten, brach ein Damm, und nach vielen weiteren Gesprächen sind wir enge, gute Freunde geworden. Trotz religiös bezogen unterschiedlicher Glaubensauffassung verstehen wir uns als Partner auf gleicher Augenhöhe.

Hatten Sie ein Motto, und wie lief das Friedensgebet ab?
Unser Motto lautete: «Nicht miteinander, sondern füreinander beten!» Damit wollten wir unsren gegenseitigen Respekt gegenüber der anderen Religionsgruppe bezeugen. Nach zwei selb- ständigen Gebeten, die Imam Aziri mit seinen Gläubigen, Männern und Frauen, betete und wo wir Christen zuschauten, beteten wir Christen. Für die Christen war es vermutlich das erste Mal, dass sie ein islamisches Gebet miterlebten. Auch unser Gebet, das Diakon Patrick Erni und seine Mitarbeiterin Sonja Lofaro hielten, wurde von den Moslems achtsam verfolgt. Darauf richtete Aziri seine erste deutschsprachige Predigt überhaupt an alle Teilnehmer. Diakon Erni folgte mit seiner Predigt.

Wie waren die Reaktionen?
Das Interesse unserer eigenen Leute wie auch jenes unserer muslimischen Freunde war überwältigend. Wir rechneten nicht mit einem so gros- sen Aufmarsch. Für uns wie auch für Azir Aziri wurde klar und deutlich demonstriert, dass unsere Moslems zur konstruktiven Mitarbeit mit uns Christen bereit sind und umgekehrt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein älterer Mann stellte nach dem Anlass fest: «Ich bin nun 40 Jahre in der Schweiz, und bis zum heutigen Tag gab es keinen gegenseitigen Dialog, es ist einfach wunderbar.»

Was passierte nach dem Friedensgebet?
Am Ende dieser interreligiösen Aktion eröffneten Imam Azir und ich den Dialog zwischen den Mitgläubigen. Die muslimischen Frauen mischten sich unter die christlichen Frauen, verteilten kleine Spezialitäten aus ihrer Heimat und es entstand eine Atmosphäre des Friedens und gegenseitiger Achtung. Wir Organisatoren beobach- teten den regen Kontakt zwischen Christen und Moslems und konstatierten, dass wir unser Ziel erreicht hatten: vom «Man sollte, könnte oder müsste» zum «Wir haben gemacht!» Es gab tatsächlich Mitmenschen, die während der Gebete und Predigten Tränen in den Augen hatten.

Wie geht es nun weiter?
Der Imam der Berner Moschee versicherte, dass er den interreligiösen Dialog auf gleicher Augenhöhe ebenfalls anregen wolle, und wir haben das Ziel, uns in der gemeinsamen Jugendarbeit zu engagieren. Wir bleiben auf jeden Fall dran und gehen den eingeschlagenen Weg miteinander weiter.

Interview: Brigitte Burri

 

Weitere Informationen: Röm.-kath. Pfarrei St. Marien, Kapellenweg 9, 3600 Thun, www.kath-thun.ch
und
Islamisches Kulturzentrum Thun (IKRE), Rampenstr. 1, 3600 Thun, www.ikre.ch