Wie sollen Orden wirtschaften?

Ein Referat von Anselm Grün über «spirituell wirtschaften» stand im Mittelpunkt der diesjährigen Versammlung der Vereinigung der Höhern Ordensobern der Schweiz/VOS. 21 Äbte und Provinziale sowie zahlreiche Gäste hatten sich dazu in Mariastein eingefunden (27. bis 29. Juni 2016).

Anselm Grün, Benediktiner von Münsterschwarzach, der viele Jahre für die Ökonomie seiner Gemeinschaft verantwortlich war und heute noch zuständig ist für Finanzen, nannte als ein Prinzip für das Wirtschaften von Orden die Sparsamkeit. Durch eine schlanke Verwaltung, eine möglichst gute Organisation der Arbeit könnten Reibungsflächen weitgehend vermieden werden.1

Weiter plädierte der Referent für einen «fantasievollen Umgang» mit Geld. Orden sollten nicht skeptisch sein gegenüber Geldgeschäften an der Börse. Denn: «Wer heute mit Geld umgehen will, kann die Börse nicht umgehen. Die normalen Geschäfte mit Anleihen und Aktien haben nichts mit Spekulation zu tun.»

«Orden sind nicht Betriebe»

In der Diskussion über das mit grossem Applaus verdankte Referat ging es unter anderem um die Beziehungen zwischen den Ordensgemeinschaften und ihren Betrieben. Ein Abt umschrieb es so: «Wir als Orden sind nicht Betriebe. Aber wir haben Betriebe. Wir sind Lebensgemeinschaften.» In der Buchhaltung sei streng zu unterscheiden zwischen diesen Gemeinschaften und den zu ihnen gehörenden Betrieben.

Die Leistungen der eigenen Mitglieder müssten nicht buchhalterisch festgehalten werden. «Sonst unterscheiden wir uns nicht mehr von den andern», meinte ein Oberer. Und weiter sagte er: Während Mitarbeiter eine streng begrenzte Arbeitszeit von 42 Stundenwochen hätten, wären die Ordensmitglieder «nicht durch fixe Arbeitszeiten geschützt». Einige würden sieben Tage pro Woche zwölf Stunden arbeiten.

Ein anderer Abt wehrte sich gegen die Vorstellung, er sei ein CEO. Äbte hätten mehr spirituelle Begleiter als Manager zu sein. Ein anderer Abt gab jedoch zu bedenken, dass Ordensobere die Sorge um wirtschaftliche Belange nicht völlig andern überlassen dürfen: «Wir müssen es lernen – und wir können es.» Und: «Auch Spezialisten kochen bloss mit Wasser.»

Mit Blick auf das dominikanische Tourneen- Theater, das unter dem Titel «Kloster zu verschenken» stand, wurde diskutiert, was mit Klöstern zu geschehen sei, die aufzugeben sind. Man dürfe sie guten Gewissens verkaufen; aber nicht zum Höchstpreis. Und für möglichst sinnvolle Projekte wie zum Beispiel Flüchtlingsunterkünfte.

Mit Klöstern an die Börse?

Einiges zu reden gab auch Anselms Grün These, die Klöster könnten ohne weiteres an die Börsen gehen. Der Referent fügte seinen Ausführungen hinzu, das Kriterium «ethisch vertretbare Anlagen» sei unbedingt zu berücksichtigen. Anders als oft gesagt werde, sei es durchaus möglich, mit diesen Vorgaben recht grosse Gewinne einzufahren. Seine Börsengeschäfte jedenfalls würden besser rentieren als der Durchschnitt der vom Deutschen Börsenindex/ DAX erfassten Geschäfte …

«Sterbende Gemeinschaften»

Am Abend des ersten Sitzungstages trafen sich die 21 in Mariastein versammelten Äbte und Provinziale zu einem stündigen Erfahrungsaustausch über wirtschaftliche und monetäre Fragen. Dabei ging es vor allem auch um die Frage, was mit nicht mehr verwendeten Immobilien zu geschehen sei. Es wurde daran erinnert, dass der Vatikan hier ein Mitspracherecht hat. So kämen das zivile und das kanonische Recht ins Spiel. Doch ein Verkauf sei auch dann gültig, wenn der Vatikan nicht einbezogen war.

Wenn Orden immer kleiner werden und sich von vielem trennen müssen, sei dies eine Form von Sterben. Man dürfe dies nicht nur negativ sehen. Die Gemeinschaften würden ein Zeugnis ablegen, wenn sie ihr Geld für weltweite Solidarität einsetzen. Dazu informierte der Obere der Immenseer Missionsare. Diese geben als «sterbende» Gemeinschaft Gelder, die sie nicht mehr brauchen, an junge Missionsgesellschaften im globalen Süden weiter. Dafür verzichten sie darauf, in ihren Einsatzgebieten um Nachwuchs für ihre Gemeinschaft zu werben.

Frauen moderieren

Ein ganzer Vormittag war den Gruppengesprächen gewidmet. Es war dem Vorstand der VOS ein Anliegen, dass dafür Moderatorinnen gefunden wurden. So haben drei Frauen mit hohem wirtschaftlichem Sachverstand die Gespräche souverän geleitet. Darunter war die Betriebsleiterin einer Benediktiner- Abtei.

Ein Schwerpunkt der Gruppengespräche war der Umgang mit Laien in führenden Funktionen. Es gibt Gemeinschaften, in denen Mitglieder nur noch nominell als Ökonomen walten, weil das Kirchenrecht dies vorschreibt. Die Arbeit würden jedoch Angestellte verrichten. Der Übergang sei nicht immer einfach. Es gäbe Ordensleute, die ihre Aufgabe nicht mehr zeitgemäss wahrnehmen könnten, aber nicht bereit und fähig seien, loszulassen. In diesem Zusammenhang wurde ein weit verbreiteter «Klerikalismus» festgestellt. Manche Priester ohne grosse fachliche Kenntnisse in «weltlichen» Fragen meinten immer noch, sie wüssten alles besser.

Mit Blick in die Zukunft wurde das Postulat erhoben, ganz gezielt Vorkehrungen zu treffen für die Zeit, in denen keine Ordensleute mehr da seien, um die «Werke» weiterzuführen. Das Ideal sei, dass die Spiritualität auch dann gelebt wird, so etwa in Schulen und Spitälern.

Dazu wurde eine konkrete Frage diskutiert: Was geschieht, wenn an Wallfahrtsorten wie zum Beispiel Mariastein keine Mönche mehr da sind, um die Pilger – gratis! – zu betreuen. Die Aufgaben müssten wohl von den Landeskirchen garantiert werden. Ob sie aber dazu bereit wären?

Zwei markante Verstorbene

Peter von Sury, Abt von Mariastein, leitete als VOS-Präsident seinen Jahresbericht mit einem Gedenken an zwei «markante» Ordensmänner ein, die kürzlich gestorben waren. Zu Joseph Roduit, dem Abt der Regulierten Augustiner-Chorherren von St.-Maurice, bemerkte er: «Seine Präsenz an den Jahresversammlungen der VOS war stets eine Bereicherung, auch weil er direkt aus der Bischofskonferenz berichtete, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.»

Abt Peter hatte bereits die diesjährige Versammlung mit einem Gebet des Kapuziners Anton Rotzetter eingeleitet, der gleich alt wie Joseph Roduit war und völlig unerwartet gestorben ist. In seiner Würdigung sagte der VOS-Vorsitzend: «Er war ein profilierter Jünger des heiligen Franziskus, ein geschätzter geistlicher Lehrer und Schriftsteller. In den letzten Jahren war er ein überzeugter Verfechter einer umfassenden Schöpfungstheologie, welche auch die Tiere als des Menschen Mitgeschöpfe in den Heilsplan Gottes einbezieht.»

Der Abt bedauerte, dass das «Jahr der Orden» bereits im März durch das angekündigte «Jahr der Barmherzigkeit» in den Hintergrund trat. Die von der Fachstelle «Information kirchliche Berufe/IKB» lancierte Idee, die Pfarreien zu ermuntern, die aus ihnen hervorgegangenen Ordensleute einzuladen, habe leider praktisch kein Echo gefunden.

Finanzielle Sorgen

Mit Sorge blickten in Mariastein die Ordensobern in die finanzielle Zukunft ihrer Vereinigung. Die VOS hat im letzten Geschäftsjahr ein Defizit gemacht. Denn die Zahl der Ordensmänner und damit die Einnahmen der Vereinigung sind stark rückgängig. Die Versammlung gab darum dem Vorstand den Auftrag, ein neues Finanzierungsmodell zu erarbeiten.

Weiter wünschte sich die VOS engere Kontakte mit der Schweizer Bischofskonferenz/SBK. Obwohl fünf Mitglieder der SBK Ordensleute sind, gäbe es nur minimale institutionelle Kontakte zwischen den Bischöfen und den Orden. In den Niederlanden beispielsweise – so war zu erfahren – trifft sich die Bischofskonferenz jährlich viermal für drei Stunden mit Delegierten der Orden.

 

1 Vgl. ausführlicher unter www.kath.ch/newsd/anselm-gruen-lobte-in-mariastein-verantwortungsvolles-wirtschaften-und-boersengang/

Walter Ludin

Walter Ludin

Br. Walter Ludin ist Kapuziner und schreibt als Journalist BR für verschiedene Medien. Er lebt im Kloster Wesemlin in Luzern.