Wie kann man kirchliche Berufe "wecken"?

Ist "wecken" überhaupt das richtige Wort? Wäre nicht "Förderung" besser, wäre nicht "Sensibilisierung" angebrachter? Inwiefern muss man auch "Werbung" machen? Und welche Rolle spielen "Vorbilder"?

Noch grundsätzlicher gefragt: Kann und soll ich mich überhaupt für Berufe in der Kirche einsetzen? Ist es nicht Gott, der beruft? – Klar! – Aber Gott beruft immer durch Menschen: Charismen, Neigungen und Pläne Gottes sind ineinander verwoben! Ein ganzes Bündel von Fragen nahm der "Gönnerkreis des Seminars St. Beat" in Angriff. Bei dem jährlichen Treff in Luzern (Juni 2016) dachten 30 dem Seminar zugeneigte Frauen und Männer über "Berufungspastoral" nach.

Chance Kirchenberuf

Das Projekt "Chance Kirchenberuf" hat in seiner jüngsten Phase Porträts in Zügen (S-Bahn) und auf öffentlichen Plakaten präsentiert, auf denen Menschen mit ihrem Gesicht und ihrer Biografie für kirchliche Berufe einstehen. Sie legen Zeugnis ab für die Promotion kirchlicher Berufe. Die Plakate haben durchaus Wirkung gezeigt und über fünfzig Beratungsgespräche angeregt. Freilich, eine "Schwemme" von Priesterberufenen hat die Kampagne mit sechsstelliger Kostenzahl allerdings nicht gebracht. Der Gönnerkreis hat sich in einem anschliessenden Gruppengespräch Gedanken gemacht zur Frage: Wie können wir vor Ort hier und heute kirchliche Berufe fördern? Was ist in einer Pfarrei, in einem Pastoralraum möglich? Folgende sieben Ideen standen am Schluss auf der Pinnwand, wobei das Gebet um diese Berufe nirgends fehlen darf: Im Zusammenhang mit der Vorbereitung und der Feier des Firmsakramentes begegnen wir Firmandinnen und Firmanden, die Interesse zeigen und Freude am kirchlichen Glauben erhalten haben. Das Thema "kirchliche Berufe" darf im Umkreis der Firmung durchaus angesprochen und soll offen diskutiert werden. Junge Leute können auf die Idee kommen, in der Kirche arbeiten zu wollen, sich auf dem Bauplatz des Reiches Gottes zu engagieren. Ja, mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten – das könnte sich auch für mich lohnen!

Nach wie vor hat die katholische Kirche Ministrantinnen und Ministranten jeden Alters. Gewiss hat sich auch dieser Dienst gewandelt, doch sind immer noch viele mit Leib und Seele dabei und feiern Gottesdienste mehr oder weniger bewusst mit. Vielerorts hat sich aus der Ministrantenarbeit eine Jugendarbeit mit Reisen, Lagern und vielem anderem mehr entfaltet. Die Beteiligten sind für das kirchliche Leben offen und oft auch für einen Beruf in der Kirche. Immer noch sind die meisten Theologiestudierenden einst Minis gewesen! Geben wir ihnen eine neue Chance, ohne aufdringlich zu werden!

Es gibt noch in vielen Gemeinden und Regionen kirchliche Jugendarbeit, etwa Jungwacht und Blauring, Pfadfinder, Nuovi movimenti und andere mehr. Zugegeben, es fehlen die jungen Vikare, es fehlen oft geistliche Begleiter/-innen und Präsides. Nicht alle feiern sonntags im Lager einen Gottesdienst, aber es gibt sie noch! Es gibt kirchliche Sozialisierung und überzeugte kirchliche Jugendarbeiter und Jugendarbeiterinnen, Blauring- und Jungwachtleitende, die man durchaus auf einen kirchlichen Beruf hin ansprechen darf!

Seit einigen Jahren ist es gelungen, an Kantonsschulen und Gymnasien "Religion als Maturafach" einzuführen. Einst musste es hart erkämpft werden, heute erstellen zahlreiche Maturandi und Maturandae Arbeiten zu biblischen und kirchlichen Themen, über die Religion, über ethische Fragen und den Sinn des Lebens. Diese Jugendlichen mit Religion als Maturafach sind für theologische Fragen offen. Sogar daran interessiert!

"Generation Praktikum", so lautete der Titel der Shell-Jugendumfrage 2009. Viele junge Menschen wissen nicht, welche Berufslehre sie ergreifen, beziehungsweise welches Studium sie wählen sollen. Deshalb absolvieren viele Praktika und erfahren den künftigen Lebensalltag. Die Pfarreien haben oft Praktikumsplätze zur Verfügung und zeigen jungen Menschen, was in einer Gemeinde konkret geschieht. Oft wird gestaunt, wie viel Gutes in einer Pfarrei geschieht, und dies ohne Aufhebens. Also: Praktikumsplätze in den Pfarreien/Regionen schaffen, um originale Erfahrungen zu ermöglichen. (Oft werden "soziale Praktika" auch als Firmvorbereitung gefordert, so genannte Compassions-Projekte).

Die Liste muss hier stoppen. Es fehlen die neuen Medien (social media). Entscheidend erscheint im Bemühen um kirchliche Berufe zu sein, dass konkrete Kirche erlebt und gespürt wird. Vergessen wir nicht: Wir haben eine gute und frohmachende Botschaft, für die es sich lohnt, sich zeitlebens einzusetzen. Ohne die Schwächen der Kirche zu verbergen darf doch gesagt werden, dass sie vielen Menschen Heimat und Geborgenheit gibt, dass sie die Erfahrung schenkt, anerkannt und geliebt zu werden.

 

 

Stephan Leimgruber

Stephan Leimgruber

Dr. Stephan Leimgruber ist seit Februar 2014 Spiritual am Seminar St. Beat in Luzern und zuständig für die Theologinnen und Theologen in der Berufseinführung. Bis zu seiner Tätigkeit in Luzern war er Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät in München.