Kirchliche Stiftungen und Vereine

Eine Gesetzesänderung, die 2016 in Kraft getreten ist, verpflichtet kirchliche Stiftungen zur Eintragung ins Handelsregister (SKZ 44/2015)1. Die Eintragung erfolgte freilich noch nicht wie vom Parlament gewünscht.2

Am 15. Juni 2016 reichte Nationalrätin Doris Fiala (FDP) im Nationalrat eine Interpellation mit dem Titel "Finanzierung von religiösen Gemeinschaften. Mangelnde Transparenz und fehlende Aufsicht" ein.3 Es sei schwer nachvollziehbar, dass kirchliche Stiftungen gegenüber herkömmlichen privilegiert würden, indem sie keiner staatlichen Aufsicht unterstellt seien und über keine Revisionsstelle verfügen müssten. Es fehle bezüglich der Finanzierung von religiösen Gemeinschaften daher jegliche Transparenz. Es könnten auch sie von Finanzkriminalität und Terrorismusfinanzierung betroffen sein. Die Interpellation wurde von über 60 Nationalräten aller Parteien unterzeichnet. Die Antwort des Bundesrates wird in den nächsten Monaten erfolgen.

Irreführender Begriff "kirchliche Stiftungen"

Wie viele kirchliche Stiftungen und religiöse Vereine es gibt und welchen Religionsgemeinschaften solche zugeordnet sind, ist bisher unbekannt. Dies darum, weil die Benutzung dieser Rechtsformen aufgrund der verfassungsmässigen Grundrechte der Rechtsgleichheit und Religionsfreiheit nicht auf öffentlich-rechtlich anerkannte Kirchen und kirchliche Gemeinschaften oder gar die römisch-katholische Kirche beschränkt ist. Der gesetzlich verwendete Ausdruck "kirchlich" wurde im Laufe des letzten Jahrhunderts von der Rechtsprechung auf nicht christliche Religionsgemeinschaften ausgeweitet. Der Begriff "kirchliche Stiftungen" ist irreführend.

Bundesrat sieht Handlungsbedarf

In Bezug auf religiöse Vereine beschrieb der Bundesrat bereits Handlungsbedarf. In seiner Stellungnahme vom 6. Juli 2016 zur vorangehenden Interpellation von Nationalrätin Fiala4 legte die Landesregierung dar, der Bund habe, abgesehen von sicherheitsrelevanten Einzelfällen, keine Befugnis, Daten über die Finanzierung muslimischer Vereine und Moscheen zu erfassen. Bisher gebe es weder im Bund noch in den Kantonen allgemeine Vorschriften, die muslimische Vereine oder Moscheen zur finanziellen Transparenz verpflichteten. Eine allfällige neue Regelung betreffend Vereine erforderte eine formelle gesetzliche Grundlage, sie müsste dem Gleichbehandlungsgebot entsprechen und dürfte sich nicht allein auf muslimische Vereine beschränken. Folgt man der Antwort des Bundesrates, würden entsprechende Massnahmen sämtliche religiösen Vereine betreffen, somit auch die römisch-katholischen. Aus entsprechenden Handelsregistereinträgen5 geht hervor, dass die Rechtsform der privilegierten kirchlichen Stiftungen6 nicht nur von öffentlich-rechtlich anerkannten christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften wie namentlich der römisch-katholischen Kirche in Anspruch genommen wird, sondern auch von beliebigen anderen Konfessions- und Religionsgemeinschaften wie zum Beispiel von islamischen. Damit ist diese Rechtsform zusammen mit jener der religiösen Vereine ins öffentliche Interesse gerückt und dürfte hier vom Bundesrat bzw. Parlament ebenso ein Handlungsbedarf ausgemacht werden. Eine dringliche Behandlung des Geschäfts ist nicht ausgeschlossen.

Neuregelung staatlicher Aufsicht?

Die kirchlichen Stiftungen sind unter Vorbehalt des öffentlichen Rechts der staatlichen Aufsichtsbehörde nicht unterstellt.7 Ein solcher Vorbehalt kann im öffentlichen Recht der Kantone oder des Bundes bestehen, wobei dieses delegationsweise auch auf landeskirchliches Recht verweisen kann. Diese Privilegierung gegenüber sogenannt gewöhnlichen (klassischen) Stiftungen wurde 1907 damit begründet, dass die kirchlichen Stiftungen nicht von öffentlicher Relevanz seien.8 Diese Sicht wird heute nicht mehr geteilt. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass das ihnen 1907 mit gleicher Begründung weiter eingeräumte Privileg der Befreiung vom Handelsregistereintrag seit dem 1. Januar 2016 im Rahmen von Massnahmen gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung aufgehoben worden ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Bundesgericht aus der Tatsache fehlender staatlicher Beaufsichtigung einer der römisch-katholischen Kirche angebundenen kirchlichen Stiftung schloss, dass "keine wirksame Kontrolle über die Verwendung der Stiftungsmittel bestand"9. Dies bedeutet, dass heutzutage selbst die kircheninterne Aufsicht 10 als ungenügend betrachtet wird, was angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage in Europa staatliche Massnahmen zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung in Form einer Neuregelung der Beaufsichtigung religiöser Stiftungen nach sich ziehen dürfte. Dabei könnte auch das Privileg, dass die kirchlichen Stiftungen von der Pflicht befreit sind, eine Revisionsstelle zu bezeichnen,11 zumindest dem Grundsatz nach bei der Einführung eines schärferen Aufsichtsregimes entfallen.

1 SKZ 44/2015, S. 552–553.

2 Vgl. NZZ vom 16. Juni 2016, S. 15.

3 Geschäft Nr. 16.3453.

4 Geschäft Nr. 16.3269.

5 Vgl. www.zefix.ch

6 Im Sinne von Art. 87 i. V. m. Art. 80 ff. ZGB vom 10. Dezember 1907 ZGB; SR 210.

7 Art. 87 Abs. 1 ZGB.

8 Vgl. Stenographisches Bulletin der Bundesversammlung 15 [1905], Ständerat, S. 927, 929 f. und 1238 ff. sowie StenBull BVers 17 [1907], Nationalrat, S. 239 und 242 f.

9 Urteil 2C_220/2008 vom 9. September 2008 (E. 4).

10 Gemäss Codex Iuris Canonici von 1983 CIC/83.

11 Art. 87 Abs. 1bis ZGB.

Andrea G. Röllin

Andrea G. Röllin, Dr. iur., Rechtsanwältin, ist Gerichtsschreiberin am Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II (Wirtschaft, Wettbewerb, Bildung) in St. Gallen und Theologiestudentin. Sie gibt hier ausschliesslich ihre persönliche Sicht wieder.