«Ein Held ist ein gewöhnlicher Mensch, der die Kraft findet, trotz überwältigender Hindernisse durchzuhalten und zu bestehen.»1
Helden sind in unserer Geschichte sowie in unserer Gesellschaft, ja sogar in unserem Alltag beständig und allgegenwärtig. Doch was verstehen wir unter Helden? Wie definieren wir sie? Die Literatur beschäftigt sich seit Beginn mit Helden und deren Beschreibung. Dabei haben sich auch in der psychologischen Literatur verschiedene Konstrukte entwickelt, wie Helden definiert werden können. Helden werden als Personen beschrieben, die trotz Scheitern bestehen bleiben, für andere Risiken auf sich nehmen und sich aufopfern, äusserem Druck standhalten, das Wohl künftiger Generationen schützen und fördern oder die Fähigkeit zeigen, in einer bestimmten Situation das Richtige zu tun. Die verschiedenen Definitionen und Konstrukte zeigen dabei auf, wie schwierig es ist, sich auf einzelne Charakterzüge zu fokussieren, welche einen Helden ausmachen. Schliesslich hat jeder auch noch eine subjektive Einschätzung dazu. Dennoch gibt es einige prototypische Merkmale, welche die meisten Heldenbilder gemeinsam haben. Studien mit Erwachsenen zeigen, dass folgende Eigenschaften als prototypisch für Helden eingeschätzt werden: inspirirend, hilfsbereit, andere beschützend, selbstlos, altruistisch, bescheiden, andere rettend, sympathisch und mit einer hohen moralischen Integrität.
Im Gegensatz zu Erwachsenen nennen Jugendliche noch andere Arten von Helden. Sie unterscheiden dabei zwischen transparenten Helden, mit welchen sie täglich interagieren und deren Handlungen sie häufig als selbstverständlich ansehen, und aktuellen/angesagten Helden, die besonders beliebt sind in ihrer jeweiligen Altersgruppe und häufig medial bekannte Figuren sind. Letztere können auch zu sogenannten Übergangshelden werden, aus denen die Jugendlichen mit dem Erwachsenwerden herauswachsen. Dies deckt sich mit verschiedenen qualitativen Studien, die gezeigt haben, dass Erwachsene, die nach Helden gefragt werden, vermehrt Menschen nennen, die sie persönlich kennen oder mit ihnen verwandt sind. Jugendliche zählen dagegen häufig eine Kombination von Helden auf, welche zum einen aus ihnen nahestehenden und für sie zugänglichen Personen und zum anderen aus berühmten oder angesagten Personen bestehen, welche auf eine distanziertere Weise inspirierend für sie sind.
Doch wofür brauchen wir überhaupt Helden? Kinder und Jugendliche begegnen Heldenbildern schon früh in Märchen und Geschichten. Von dort kennen sie Helden, die gegen Tyrannen und andere Bösewichte kämpfen und am Schluss den Kampf gewinnen. So lernen sie beispielsweise vom Däumling, der gegen den Riesen kämpft, dass sie, auch wenn sie klein sind, ein Held sein können, wenn sie ihre Fähigkeiten richtig einsetzen. Die Heldenfiguren haben zum Ziel, Kindern Mut zu machen und an eigene Fähigkeiten zu glauben, auch wenn sie nicht direkt ersichtlich sind.
Tatsächlich zeigt auch die Forschung, dass Helden insbesondere während des Prozesses des Erwachsenwerdens im Jugendalter wichtige psychologische und soziale Funktionen einnehmen. Eine dieser Funktionen, die Helden haben können, ist die Verstärkungsfunktion. Sie können inspirierend wirken, können neue Hoffnungen auslösen und an das Gute in der Welt erinnern. So hat sich auch gezeigt, dass Kinder und Jugendliche, welche über Helden in ihrem Leben berichten, bessere Strategien zeigen, mit Schwierigkeiten umzugehen und hoffnungsvoller sind als Gleichaltrige, welche keine Heldenfiguren nennen konnten. Weiter können Helden «gutes» Verhalten zeigen und vorleben, wie man eine «gute» oder «bessere» Person sein kann. Sie können zudem eine beschützende Funktion haben, indem sie sich dem «Bösen» oder einer Gefahr stellen. Dabei retten sie andere Menschen oder helfen ihnen, mit schwierigen Situationen umzugehen. Das Wissen darüber, dass es solche Menschen gibt, wirkt sich bestärkend auf die Kinder und Jugendlichen aus. Zuletzt können Helden Jugendlichen helfen, ihre eigene Identität zu explorieren und zu formen, indem sie ihnen zeigen, ihre eigenen Ziele zu setzen und eigene Werte zu definieren.
Auf der anderen Seite können Heldenbilder auch negative Effekte auf Kinder und Jugendliche haben. Helden können Jugendliche enttäuschen, wenn sie die hohen Erwartungen, die an sie gestellt werden, doch nicht erfüllen können, Fehler machen oder sich entgegen ihrer eigenen Werte verhalten. Die Idealisierung einer anderen Person kann sich zudem negativ auf das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen auswirken, wenn sie diese Erwartungen selbst nicht erfüllen können. Auch kann es ungünstig sein, wenn Kinder und Jugendliche auf jemand anderes vertrauen, die eigenen Probleme zu lösen, und somit nicht lernen, selbständig mit schwierigen Situationen umzugehen.
Kinder und Jugendliche brauchen Helden, die Vorbilder sind und sie inspirieren, ihre eigenen moralischen Wertehaltungen zu entwickeln. Dabei ist es wichtig, dass die Helden ihnen ähnlich und für sie greifbar sind. Das heisst, dass sie sich nicht nur von einem abstrakten Superhelden mit Cape und Superkräften, der Menschen auf imposante Weise vor einer Katastrophe rettet, inspirieren lassen, sondern von einem Helden in ihrem näheren Umfeld, der ganz gewöhnlich ist und dennoch auf hervorragende Weise Herausforderungen angeht. Besonders können Kinder und Jugendliche von Helden profitieren, wenn diese auch mal Fehler machen, ihr eigenes Verhalten reflektieren und sich Herausforderungen stellen, egal ob diese darin bestehen, an sich selbst zu arbeiten oder anderen zu helfen. Kinder und Jugendliche schätzen Superheldenfiguren für ihre speziellen Kräfte, ihre Helden aus dem Alltag jedoch für ihre sozialen Fähigkeiten, moralischen Werte und was sie ihnen vorleben.
Helden im Leben von Kindern und Jugendlichen sind dann sehr lehrreich für sie, wenn sie ihnen vorleben, dass man Verantwortung für seine eigenen Herausforderungen übernehmen, sich stetig weiterentwickeln und aus Fehlern lernen kann. Damit ebnen sie den Weg dafür, dass die Kinder und Jugendlichen selbst zu Helden werden können. Dies ist insbesondere hilfreich, um ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln, was aus psychologischer Sicht ein zentraler Faktor für ein glückliches Leben ist. Um die Möglichkeit zu schaffen, dass Kinder und Jugendliche in sich die eigenen Helden finden, gibt es verschiedene Ansätze. Beispielsweise zu fragen, was sie an ihren aktuellen Helden bewundern, und sie dann anzuleiten, das auf sich selbst zu übertragen. Ein anderer Ansatz ist, sie zu ermutigen, nach den eigenen Superkräften (ihren Stärken) zu suchen und sich diese mehr bewusst zu machen. Diese und ähnliche Ansätze lassen sich einfach in den Alltag integrieren und wirken sich positiv auf die Entwicklung des Selbstwertes aus. Dies führt dann in kleinen Schritten dazu, dass Kinder und Jugendliche zu den Helden werden, welche sie sich als Vorbild nehmen.
Silvia Meyer