Von Männern für Männer

Männerseelsorge liegt in der pastoralen Arbeit im Bereich der Kür. Für eine zukunftsweisende Aufbauarbeit bedarf es derer strukturellen Verankerung in der Pastoral.

Matthias Koller Filliger (Jg. 1967) ist Mitarbeiter auf der Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie des Bistums St. Gallen. Er ist Gewaltberater und Erwachsenenbildner.

 

Die kirchliche Fachstelle für Partnerschaft, Ehe und Familie liegt ganz in der Nähe des Bahnhofs in St. Gallen. Hier treffe ich mich mit Matthias Koller Filliger zu einem Gespräch. Er ist Mitarbeiter der Fachstelle und Gewaltberater. Eines seiner Herzensanliegen ist die Männerseelsorge.

SKZ: Wo und wie engagieren Sie sich für Männer?
Matthias Koller Filliger: Die Frage nach dem Mannsein heute begleitet mich schon seit dem Studium. Ich kam damals erstmals in Kontakt mit feministischen Strömungen. Angeregt durch diese fragte ich mich: Wie werden Männer in der Gesellschaft wahrgenommen? Welche Rolle haben sie in der Gesellschaft inne? Mit anderen jungen Männern traf ich mich in einer Gruppe und seither bin ich immer in Männergruppen unterwegs. Diese erlebe ich als sehr stärkend und belebend. Über die Jahre ist eine Gemeinschaft entstanden, in der tiefe Gespräche möglich sind. Auch engagiere ich mich seither für Männer. Im Rahmen meiner jetzigen Aufgabe auf der Fachstelle versuche ich, die engagierten Männer in der kirchlichen Männerarbeit zu vernetzen. Ich versende in ökumenischer Zusammenarbeit zweimal jährlich einen Newsletter mit Beispielen von gelungener Männerpastoral, mit Inspirationen, Bücherhinweisen und einem Interview. Da Männer- und Väterpastoral ein Querschnittthema ist, lasse ich es zudem da und dort in die Begleitung von Engagierten in der Paar- und Familienseelsorge einfliessen. Ehrenamtlich engagiere ich mich in meiner Heimatpfarrei Degersheim. Zweimal im Jahr gestalte ich mit anderen Männern einen offenen Männeranlass.

Wenn ich Sie so höre, habe ich nicht den Eindruck, dass die Männerseelsorge ein Stiefkind in der Pastoral ist, wie gelegentlich zu lesen ist. Wie sieht es diesbezüglich wirklich aus?
Hier ist zu differenzieren. In den kirchlichen Kinder- und Jugendverbänden sowie in der kirchlichen Jugendarbeit ist das Bewusstsein für eine geschlechtersensible Pastoral da. Die Leiterinnen und Leiter sind sensibilisiert für das, was Mädchen und Jungen brauchen, was sie anspricht, wofür sie zu begeistern sind. Anders sieht es in der Erwachsenenpastoral aus. Hier sind die Männer kaum spezifisch im Blick. In der Erwachsenenpastoral hängt die Männerarbeit stark ab von den hauptamtlich und ehrenamtlich in der Kirche Tätigen. Denn Männerseelsorge gehört nicht zur Pflicht, sondern liegt im Bereich der Kür seelsorgerlicher Aufgaben. Viele Männer setzen sich mit Begeisterung und aus einem inneren Anliegen in der Männerseelsorge ein. Die Begeisterung und der Elan sind ansteckend, das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Es fehlen Kraft und Zeit für die Vernetzungs- und Aufbauarbeit. Wenn es zu einem Stellenwechsel oder zu einem Rücktritt der engagierten Männer kommt, schläft das Angebot vielfach wieder ein. Auch werden Männer in der Kirche zu wenig abgeholt. Wo werden ihre spezifischen Lebenswelten und -fragen in Gottesdiensten, Predigten, Pfarreiveranstaltungen aufgenommen und angesprochen? Da klafft eine Lücke. Einzige Ausnahmen sind die Armee- und die Gefängnisseelsorge. Hier sind vornehmlich Männer im Fokus der Seelsorge.

Sie sprachen davon, dass Männer in der Kirche schlecht abgeholt werden. In der Literatur ist von einer «Feminisierung des Glaubens» zu lesen. Wie kann dem Gegengewicht verschafft werden, damit sich Männer und Väter in ihrem Glauben angesprochen sehen?
Mir gefällt der Begriff «Feminisierung» nicht. Er tönt für mich stark danach, als wären die Frauen für diese Entwicklung verantwortlich und würden die Männer verdrängen. Für mich ist die Frage «Wo können Männer im Bereich von Kirche und Religion aktiv werden?»  entscheidend und zukunftsweisend. Was braucht es, damit sich Männer im Glauben angesprochen fühlen? Sie brauchen eigene Gefässe: von Männern für Männer und nur für Männer. Es ist wichtig, dass mehrere Männer Männer zu einem Anlass einladen. Das signalisiert den Interessierten, dass sie unter Männern sein werden und nicht der einzige Mann unter vielen Frauen. Darüber hinaus ist mit den Einladenden eine gewisse Gruppengrösse schon gegeben, auch wenn nur wenige zum Anlass kommen. Wie wichtig es für Männer ist, dass sie Orte haben, wo sie unter sich sein können, kann ich Ihnen an einem Beispiel verdeutlichen. Der Männerverein St. Otmar-St. Gallen bot für Männer das Gottesdienstformat «Manne-D(T)ankstell» an. Dieses war unter Männern beliebt und geschätzt. Nachdem dieses Angebot für Frauen geöffnet wurde, blieben die Männer je länger, je mehr fern.

Wie kann Männerpastoral und -seelsorge strukturell gefördert werden?
Männerpastoral muss von begeisterten Männern gemacht werden. Ich wünsche mir, dass die Pfarreiteams die Männer und Väter mehr in den Blick ihrer Seelsorgetätigkeit nehmen und dass dies selbstverständlich wird. Männerseelsorge darf nicht länger Kür bleiben, sondern muss zum Pflichtenheft gehören. Entsprechend sind Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die Männerseelsorge ist ein weitgehend unbeackertes Feld, das beinhaltet Chancen. Man(n) kann ausprobieren, Neues wagen. Zuallererst aber ist das Feuer für die Männerseelsorge zu entfachen und am Brennen zu halten. Pfarreiseelsorger sind zu ermutigen, mit anderen Seelsorgern oder ehrenamtlich Tätigen zusammen spezifische Angebote für Männer aufzugleisen. Sie nehmen dadurch auch eine Vorbildfunktion ein. Sie zeigen sich als Teamplayer und nicht mehr als Einzelkämpfer. Arbeiten in der Männerseelsorge bedeutet für die Einzelnen auch, sich mit seinen eigenen Erfahrungen als Bub, Mann und Vater auseinanderzusetzen. Männerarbeit ist für die Seelsorger selber ein Gewinn. Männerpastoral ist strukturell in der Pastoral zu verankern: einerseits für eine zukunftsweisende Aufbau- und Vernetzungsarbeit und andererseits dafür, die Männerpastoral langfristig zu sichern. Bei einem Personalwechsel sollen die Angebote nicht wieder einschlafen. Das setzt ein längerfristiges Denken voraus.

Welche Anforderungen stellen sich diesbezüglich an die Ausbildung angehender pastoraler Mitarbeitender?
In der Berufseinführung im Bistum St. Gallen wird das Thema in der Einheit «Kinder- und Jugendarbeit» behandelt. Ich lasse es darüber hinaus bei der Einheit über Partnerschaft, Ehe und Familie einfliessen. Aber ein eigenes Gefäss zu Männerpastoral gibt es nicht. Ein solches wäre aber notwendig. Es gälte den Blick auf die Wirklichkeit aus Männersicht zu schulen: Was hindert, was fördert Männer? Was bedeutet für sie ein «Leben in Fülle»? Wie geht es den Vätern – oder den getrennten und geschiedenen Männern und Vätern? Welche Männer- und Väterbilder sind vorherrschend in der Gesellschaft? Wie wirken sich diese auf den einzelnen Mann und die Gesellschaft aus? Die angehenden pastoralen Mitarbeitenden sind zu sensibilisieren für die Lebenssituation von Buben, Männern und Vätern in der heutigen Gesellschaft. Zusätzlich sind gute Praxisbeispiele aufzuzeigen und Werkzeuge für die Männerpastoral zur Verfügung zu stellen. Die Pfarreiseelsorger in Ausbildung sind zu ermutigen und zu befähigen, gemeinsam Männerseelsorge zu machen.

Interview: Maria Hässig
 

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