Von der Hoffnung erzählen...

Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt (1 Petr 3,15). Dieser Satz zierte damals die Einladungskarten für unsere Diplomfeier am Religionspädagogischen Institut (RPI).

Wir waren alle gewillt, genau das zu tun. Nur: Wer will davon überhaupt noch etwas wissen? Wer fordert von mir noch Rechenschaft über die Hoffnung, die mich erfüllt und antreibt? Was für die Kirche als Ganzes gilt, gilt auch für den Religionsunterricht (RU), die Gemeindekatechese und die Jugend- und Erwachsenenarbeit: In einer individualistischen, säkularisierten und pluralen Welt, hat die Kirche längst ihren Status als «heiliger Baldachin» verloren.

Religionsunterricht als Chance

Glaube und Religion im Allgemeinen, Kirche und ihre Angebote im Besonderen sind nicht mehr selbstverständlicher Bestandteil heutiger Lebensentwürfe. Sie sind höchstens eine mögliche Option unter vielen anderen. Die Kirche buhlt auf dem unübersichtlichen Markt der «Freizeit»-Angebote um Aufmerksamkeit und «Kunden». Die Menschen bleiben frei in ihrer Entscheidung. Gesellschaftlicher Druck und die Angst vor künftigen Höllenqualen sind Gott sei Dank weitgehend verschwunden. Kirchliche Beheimatung kann heute nicht mehr flächendeckend vorausgesetzt werden und deshalb auch nicht mehr das Bedürfnis nach verordnetem Religionsunterricht.

Kirchlich verantworteter Unterricht darf nicht darauf ausgerichtet sein, künftige Pfarreimitglieder anzuwerben. Er sollte als die Chance genutzt werden, Kindern und Jugendlichen jene Hoffnung näher zu bringen, die getaufte Christen und Christinnen erfüllen kann.

Der Nutzen reiner Wissensvermittlung, die Weitergabe des «Kanisi» im weitesten Sinn (komme sie auch «aufgepimpt» und modern-locker-flockig daher) ist mehr als fraglich. Wissensvermittlung, wenn kaum einer mehr dieses Wissen teilt, kann nicht fruchtbar sein. Denn wo Kinder und Jugendliche, als «Objekte» kirchlicher Katechese, ausschliesslich und in knapp bemessenen, zeitlich weit auseinander liegenden Unterrichtsgefässen von Gott höchstens hören, kann kaum etwas haften bleiben.

Wo der RU vom Umfeld der Kinder und Jugendlichen vielleicht zwar noch geduldet, aber nicht mehr wirklich mitgetragen wird, fallen die meisten Samenkörner auf steinigen Boden, auch wenn der Unterricht gut und nach neuesten religionspädagogischen Erkenntnissen vorbereitet ist. Denn wie und wo kann der Same Wurzeln schlagen, wenn es vielen Kindern und Jugendlichen schlicht an Möglichkeiten und Ansprechpersonen fehlt, um sich über das im Unterricht Gehörte auszutauschen?

Laut nachdenken über Glaubensvermittlung

Wenn davon gesprochen wird, dass die Kirche ihren Anspruch aufgeben muss, gar dazu gezwungen wird, sich und ihre Lehre als allgemeingültig zu verstehen, muss auch über die künftige Glaubensvermittlung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene laut nachgedacht werden. Wenn die Kirche weiterhin von Rahmenbedingungen ausgeht, die letztmals vor Jahrzehnten stimmig waren, könnte sie in gewissen Ländern und Kulturen scheitern und damit die Glaubenstradierung erschweren. Soll die Weitergabe des Glaubens, die kirchliche Sozialisation von Kindern und Jugendlichen wieder vermehrt gelingen, müssen bereits von Karl Rahner angedachte Formen der Katechese breit umgesetzt werden. Die Ermöglichung mystagogischer Erfahrungen und das glaubwürdige und authentische Zeugnis von Menschen, die von der Hoffnung erzählen, die sie erfüllt, können hier mögliche Ansatzpunkte sein.

Zugänge zur Gotteserfahrung ermöglichen

Künftiger RU ist vielleicht nicht mehr an einen bestimmten Ort, eine bestimmte Zeit und eine bestimmte Personengruppe gebunden, sondern ereignet sich je neu. Gelingender mystagogischer Unterricht vertraut auf die in jedem Menschen angelegte Transzendenzfähigkeit und knüpft an dieser an. Sie weckt, was in allen Menschen angelegt ist, und ermöglicht Zugänge zu und Erfahrungen mit dem Göttlichen.

Wenn darum die Kirche, ihren Wunsch und ihr Bemühen überdenkt, mit RU und Katechese allzu viel Wissen zu vermitteln und Kinder und Jugendliche zum Gemeindeleben und zur Liturgie hinzuführen, können sich neue Wege auftun. Wenn kirchliche Mitarbeitende in der Pastoral und in der Katechese die ihnen anvertrauten Menschen nicht länger als Objekte ihrer Bemühungen betrachten, sondern als selbstbestimmte Subjekte wahrnehmen, die zu Gotteserfahrungen von Gott selbst ermächtigt sind, gibt es Hoffnung für den in eine Sackgasse geratenen Religionsunterricht. Dann gibt es – und das hoffe ich sehr – auch in Zukunft noch Menschen, die stets bereit sind, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von ihnen Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die sie erfüllt.

 

Eleonora Biderbost

Eleonora Biderbost engagiert sich als pastorale Mitarbeiterin im Obergoms/ Wallis.