Verliert die Kirche den Kontakt zur Schule?

Vielerorts wird die Frage gestellt, ob es den kirchlichen Unterricht in der Schule noch brauche und welche Bedeutung dieser zwischen Katechese und Schulfach "Ethik, Religionen, Gemeinschaft" noch habe.1 Nachstehend sollen einige Überlegungen zu Chancen und Perspektiven des kirchlichen Engagements an den Schulen aufgezeigt werden.

Kirchlicher Religionsunterricht ist immer noch gefragt

"Die Schule ist säkular, und die Klassenlehrpersonen sind szientistisch und religionsfeindlich" – "Religionslehrpersonen indoktrinieren die Kinder und wollen bloss Kirchenmitglieder rekrutieren". Oftmals wird die Zusammenarbeit zwischen Schule und Kirche auf solche Extrempositionen reduziert und deshalb von beiden Seiten für unmöglich erklärt. Beide Positionen gibt es, aber sie sind nicht repräsentativ für die Religionslehrpersonen und auch nicht für die Mehrheit der Lehrpersonen und Schulen. Im Gegenteil: Viele Lehrpersonen bedauern, dass sich die Religionslehrerinnen und Religionslehrer nicht mehr wie früher für die Schule interessieren und sich nicht mehr an deren Entwicklung mitbeteiligen. Schulleitung und Oberstufenlehrpersonen formulierten es sinngemäss so: "Früher waren die Religionslehrpersonen die innovativsten Lehrkräfte an unseren Schulen. Sie brachten neue Methoden, Medien und einen guten Geist in den Unterricht. Wir stritten darum, sie als Begleiter für die Schullager zu bekommen. Heute halten sie nur noch ihre Lektionen und beteiligen sich schon lange nicht mehr an der Team- und Schulentwicklung. Sie interpretieren dies als Hinausgedrängt-Werden und machen uns noch Vorwürfe. Wir haben keine fachlich kompetenten Gesprächspartner mehr."2 Auch dies mögen keine repräsentativen Aussagen sein. Sie verdeutlichen jedoch, dass der Religionsunterricht nicht nur aus der säkularen Schule hinausgedrängt wird, sondern sich oft aus eigenem, pastoraltheologisch begründetem Entschluss in die Sphäre der Pfarrei zurückgezogen hat.

Mit der Einführung des bekenntnisunabhängigen Faches "Ethik, Religionen, Gemeinschaft" im Rahmen des Lehrplans 21 wird der Bildungsbereich "Religion" zwar tendenziell in der Schule gestärkt.3 Viele Schulverantwortliche sind sich jedoch bewusst, dass die Schule mit einem religionskundlichen Unterricht nur einen spezifischen Teil religiöser Bildung leisten kann. Sie suchen deshalb weiterhin die Kooperation mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften. Das Amt für Volksschule des Kantons Basel-Landschaft formuliert es beispielsweise so: "Der von den Landeskirchen verantwortete christliche Religionsunterricht an den Schulen des Kantons Basel-Landschaft bleibt nach wie vor eine wesentliche Ergänzung des schulischen Unterrichts (…) im Bereich ‹Ethik, Religionen, Gemeinschaft› (…). Der kirchliche Unterricht fördert die Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben, wodurch ein Verstehen der abendländischen Kultur in vertieftem Masse möglich ist. Erlebte und gelebte Religiosität soll weiterhin durch den Unterricht der Kirchen gefördert, aber auch kritisch reflektiert werden."4 Religionsunterricht und Religionslehrpersonen wären also immer noch gefragt. Aber haben die Kirchen den Willen und die Kraft, diese Kooperation zu leisten? Viele kirchliche Mitarbeitende nehmen sich nur wenig Zeit für die Schule neben ihrer Hauptbeschäftigung in der Pfarrei und Kirchgemeinde. Unterricht liegt am Rande ihres Tätigkeitsspektrums, und ebenso fühlen sie sich in den Schulen an den Rand gedrängt und zu wenig kompetent, um sich in Bildungsfragen einzubringen.

Kirchlicher Unterricht – ein mühsames Unterfangen mit heterogenen Klassen

Auch wenn der kirchliche Unterricht in der Schule vielerorts ermöglicht und geschätzt wird, gilt er doch nicht als Erfolgsmodell. Die wachsende Heterogenität der Schülerschaft wird bei den Lehrpersonen des konfessionellen Religionsunterrichts seit Jahren festgestellt und beklagt. Sie zeigt sich in den disziplinarischen Schwierigkeiten, denen kirchliche Religionslehrkräfte als "Lehrpersonen von aussen" besonders ausgesetzt sind. Es sind einerseits die Herausforderungen der Heterogenität, denen die Schule generell mit einer "Pädagogik der Vielfalt" zu begegnen versucht (unterschiedliche Lern- und Leistungsfähigkeit, Gender, sprachliche und soziokulturelle Differenzen, Integration von Kindern mit Behinderungen usw.).5 Andererseits wirkt sich die wachsende Heterogenität der religiösen Haltungen und der unterschiedlichen Beziehungen der Katholiken zur Kirche auf den kirchlichen Religionsunterricht aus. Pastoralsoziologische Untersuchungen dokumentieren diese wachsende Heterogenität schon seit Jahrzehnten.6 Familien zeigen sich in einer Vielfalt von Formen, und auch innerhalb der familiären Gemeinschaften sind sie bezüglich ihrer religiösen Orientierung heterogen. Die Elternteile gehören unterschiedlichen Konfessionen oder Religionen an, manche auch keiner. Nähe und Distanz zu kirchlichen Einrichtungen wird von den einzelnen Familienmitgliedern unterschiedlich erlebt und gestaltet. Im konfessionellen Unterricht sind alle diese Kinder aus engagierten und distanzierten, aus interkonfessionellen und indifferenten Familien unter dem Label "katholisch" versammelt. Daraus ein religiöses Bildungsangebot zu schaffen, das alle einbezieht und ernst nimmt, scheint fast unmöglich. Die einen reagieren darauf, indem sie auf einen allgemein lebenskundlichen Unterricht ausweichen. Andere ergänzen ihren Unterricht mit gemeindekatechetischen Formaten, wie sie zunehmend aus der Diaspora bekannt geworden sind. Sie sind dort aus der Not innovativ entwickelt worden und haben sich durch ihre Freiwilligkeit und durch die offenere Gestaltung als erfolgreich für gelingende religiöse Lernprozesse erwiesen.7 Solche didaktische Elemente aus der Gemeindekatechese werden in den schulischen Unterricht übertragen. Aus dem Schulzimmer wird nun manchmal ein Andachtsraum, manchmal eine familiäre Heimgruppenrunde oder ein Treffen mit Kuchenessen. Dies macht das Fach innerhalb des Schulfächerkanons noch exotischer. Den Schülerinnen und Schülern fällt die Orientierung schwer, Lernprozesse kommen kaum zustande, für die Unterrichtenden wird die Frustration noch grösser. Von der Zielsetzung her wird jedoch vom Religionsunterricht weiterhin das volle kirchliche Programm erwartet, wie wenn alle Kinder bestens sozialisiert wären.

Die Unterscheidung von Bildung und Katechese

Im Unterschied zur Schweiz wird in Deutschland seit der Würzburger Synode der deutschen Bistümer 1971–1975 zwischen einem konfessionellen Religionsunterricht für alle katholisch eingetragenen Kinder in der Schule und dem gemeindekatechetischen Unterricht in der Pfarrei unterschieden. Die deutschen Bischöfe erinnern in ihrem Schreiben "Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen" (2005) daran, dass im konfessionellen Religionsunterricht in der Schule die Vielfalt innerhalb des konfessionellen Spektrums ernst zu nehmen ist.8 Es muss von unterschiedlichen Haltungen der Schülerinnen und Schüler und deren Eltern, von unterschiedlicher Nähe und Distanz zu Kirche und Religion ausgegangen werden. Im Unterschied zur kirchlichen Katechese im Rahmen der Pfarrei dürfe ein "Glaube" im schulischen Unterricht nicht vorausgesetzt werden. Katholischer Religionsunterricht in der Schule wird als ein Bildungsfach definiert, das explizit auch die Erwartungen von distanzierten Jugendlichen und Eltern ernst nimmt. Das Schulfach Katholische Religionslehre wird pädagogisch begründet und ist der Allgemeinbildung verpflichtet. Seit den siebziger Jahren gelten die drei Begründungsstränge:9

  • Kulturgeschichtliche Begründung: Religionsunterricht erschliesst den Schülerinnen und Schülern die Kultur und Tradition, in der sie leben. Weil diese Kultur wesentlich vom Christentum geprägt ist, braucht es für das Verständnis Kenntnisse über das Christentum.
  • Anthropologische Begründung: Religionsunterricht thematisiert die grossen Fragen nach dem Sinn und Lebensgrund und leistet deshalb einen wichtigen Beitrag zur Identitätsbildung der heranwachsenden jungen Menschen.
  • Gesellschaftliche Begründung: Religionsunterricht relativiert die Selbstverständlichkeiten und Absolutheitsansprüche von Schule und gesellschaftlicher Lebenswelt und fördert ethische Auseinandersetzungen, die Suche nach dem guten Leben und der gerechteren Welt.

Im Unterschied dazu wird die Katechese theologisch begründet. Sie ist der kirchlichen Verkündigung verpflichtet, setzt eine Glaubensbereitschaft voraus und führt die Kinder und Jugendlichen in die kirchliche Gemeinschaft ein. Katechetische Angebote finden in der Pfarrei statt und unterscheiden sich in ihrer Gestaltungsform klar vom Schulbetrieb. Eine solch klare Unterscheidung zwischen konfessionellem Religionsunterricht in der Schule und Katechese in der Pfarrei gibt es in der Schweiz nicht, vielleicht, weil hier die Abgrenzung stärker zwischen der vom Staat verantworteten Bildung zum Thema Religion und dem kirchlichen Auftrag diskutiert wird.10 Der kirchliche Unterricht wird deshalb in der Schweiz bis heute weniger als Bildungsfach für alle katholischen Kinder verstanden denn als Katechese innerhalb der Schule. In diesem Unterricht bemühen sich die einzelnen Religionslehrpersonen, beiden Ansprüchen, den schulischen und den kirchlichen, gerecht zu werden.11 Die fehlende Klarheit bereitet insbesondere den institutionell Verantwortlichen in Kirchgemeinden sowie Kirchen- und Pfarreileitungen Mühe. Oft stellen sie falsche und undifferenzierte Erwartungen an den Religionsunterricht. Die reale Heterogenität wird als störend empfunden und die Haltungen distanzierter Kinder und Eltern einseitig als defizitär beurteilt. Religionsunterricht gilt als belastend und schwierig und wird von manchen hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern abgewertet, gemieden und möglichst delegiert. Durch die katechetische Ausrichtung des Unterrichts und die Berufsbezeichnung als Katechetinnen und Katecheten werden die Unterrichtenden von der Schule kaum als Lehrpersonen und fachliche Gesprächspartner wahr- und ernstgenommen und erhalten wenig Wertschätzung und Unterstützung. Schule und Religionsunterricht haben sich so über Jahrzehnte entfremdet.

Die Kirche darf den Kontakt zu Bildung und Schule nicht verlieren

Damit der Bezug zu Bildung und Schule nicht verloren geht, braucht es auch hierzulande eine Unterscheidung zwischen einem vom (kirchlichen) Bildungsauftrag her begründeten konfessionellen Schulfach und einer theologisch und pastoral begründeten Katechese in der Pfarrei. Die drei Begründungsstränge des Schulfachs, wie sie in Deutschland seit vierzig Jahren Geltung haben, müssten in die gegenwärtige vielfältige Schulrealität übertragen und aktualisiert werden. Der Unterricht muss sich für die heterogenen Familien- und Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen öffnen. Klaus König schlägt auch für Deutschland vor, die kulturgeschichtliche um eine religionskulturelle Begründung zu erweitern, die anthropologische um eine kommunikative – und die gesellschaftliche um eine welterschliessende Begründung.12

Religionskulturelle Begründung: Die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen ist nicht mehr allein durch die christliche Kultur geprägt, sondern durch eine Vielzahl von religiösen – mehr oder weniger christlichen – Ausdrucksformen in Medien und in der Populärkultur, sowie durch Erfahrungen im Sport oder an Musikevents, die oft eine religionsähnliche Funktion haben. Solche religionskulturelle Motive sind zu den klassischen christlich geprägten Kulturgütern hinzugekommen. Dieser Religionskultur sind alle Kinder und Jugendlichen ausgesetzt, unabhängig von ihren Einstellungen zu Religion und Glauben. Eine erste Aufgabe des kirchlich verantworteten Religionsunterrichts besteht darin, diese religionskulturellen Codes lesen zu lernen, sie in einer konfessionellen Standardsprache zu benennen und sich darüber verständigen zu lernen.

Kommunikative Begründung: Die religiöse Selbstsozialisation der Kinder und Jugendlichen innerhalb der gesellschaftlichen Religionskultur verändert auch den Zugang zu anthropologischen Grundfragen. Schülerinnen und Schüler haben Vorstellungen und Sinnkonzepte bezüglich grosser Fragen in ihrem kindlichen Denken verankert, lange bevor die Schulung im Religionsunterricht beginnt.13 Sie spielen mit Kindern aus anderen Familien mit anderen Traditionen und Lebensorientierungen und entwickeln ihr Selbstbild entlang der Geschichten und Deutungen, die sie erfahren und denen sie begegnen. Die Überprüfung dieser subjektiven Konstruktionen in der kommunikativen Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen in der kritische Beschäftigung mit Erzählungen des Christentums, mit christlicher Praxis und vorbildlichem Modellhandeln, mit der eigenen Biographie im Bewusstsein des Angenommen-Seins, des Wahrgenommen-Werdens,14 können hilfreich sein für eine gelingende Identitätsbildung.

Welterschliessende Begründung: Im Kontext der internationalen Schulvergleichstests hat sich das Bildungsverständnis von Baumert als Modus der Weltbegegnung etabliert.15 Um die komplexe Wirklichkeit erschliessen, ordnen und verstehen zu können, brauchen Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Zugänge und Perspektiven zu den Dingen und Fragen der Welt (kognitiv-instrumentelle, ästhetisch-expressive, evaluativ-normative, existenziell-ultimative). Religionsunterricht bedient alle diese Dimensionen. In der existentiell-ultimativen Weltbegegnung kann der kirchliche Religionsunterricht jedoch eine Vertiefung anbieten, die der Schule aufgrund ihrer weltanschaulichen Neutralität verwehrt ist.16 In der Vernetzung mit den übrigen Modi leistet er einen unverzichtbaren Beitrag zum Bildungsauftrag der Schule und ergänzt die nach wie vor gültige gesellschaftlichethische Begründung.

Ein in diesen Begründungslinien entwickelter Religionsunterricht bleibt dem subjektorientierten kirchlichen Bildungsauftrag verpflichtet, ohne primär Anforderungen an eine Glaubenspraxis zu stellen. Interessierte Kinder von distanzierten oder ausgetretenen Eltern können ebenso für ihre Entwicklung profitieren wie Kinder aus interkonfessionellen Ehen oder Kinder, die zusätzlich an gemeindekatechetischen Projekten teilnehmen. Schülerinnen und Schüler lernen dadurch zwischen einer schulischen Aussensicht ("Ethik, Religionen, Gemeinschaft"), einer konfessionellen Innensicht (konfessioneller Religionsunterricht) und der Einführung in die Glaubenspraxis (Katechese) zu unterscheiden. Dieser Perspektivenwechsel wird zu einer wichtigen Kompetenz, um sich in einer pluralen Gesellschaft orientieren zu können und dialogfähig zu werden.17

Zukunftsfähiger Religionsunterricht

Wenn sich der schulische konfessionelle Religionsunterricht inhaltlich so als Bildungsangebot positioniert, hat er durchaus Zukunftschancen. Folgende Aspekte sind für das Gelingen wichtig und müssen weiter diskutiert werden:

  • Es braucht den Willen der kirchlichen Verantwortungsträger und der staatskirchenrechtlichen Behörden, weiterhin den Dienst in der Welt, in der Gesellschaft, hier konkret in der Schule, zu ermöglichen. Auf eine parochiale Engführung in der Gestaltung des Religionsunterrichts ist zu verzichten. Sowohl ein bildungstheoretisch begründeter Religionsunterricht als auch eine der kirchlichen Sozialisation verpflichtete Katechese sollen gleichberechtigt gefördert und finanziert werden.
  • Religionsunterricht darf nicht eng an der 45-Minuten- Lektion festgemacht werden. Schulen verstehen sich zunehmend als Gesamteinrichtungen für Schülerinnen und Schüler, die von einer Schulleitung und einem Lehrpersonenteam geführt werden. In diese Gesamteinrichtung gehört der Religionsunterricht mit hinein, mit wechselnden Gefässen, mal als Unterrichtsreihe, mal als Beitrag in einer Schulprojektwoche oder in einem Epochenunterricht, mal in der Begleitung der Klasse auf eine Exkursion oder in ein Lager. Die Gestaltung des kirchlichen Bildungsauftrags muss bezüglich der Unterrichtsformate und der Lernformen flexibel eingebracht und den jeweiligen lokalen Rahmenbedingungen und den pädagogischen Konzepten der örtlichen Schulen angepasst werden.
  • Dazu braucht es religionspädagogische Fachpersonen, die einen Schwerpunkt ihrer professionellen Tätigkeit in der Schule setzen können. Gefragt sind Religionslehrerinnen und Religionslehrer, welche den Modus "Schule" und deren Fachsprache kennen, welche sich in den pädagogischen und fachdidaktischen Diskurs im Lehrkollegium einbringen, welche die Herausforderungen einer teilautonomen, geleiteten Schule kennen und sich an der schulinternen Entwicklungsarbeit und dem Aufbau einer Schulkultur beteiligen sowie die Beziehungsarbeit zu Schulleitung, Lehrpersonen und Schülerschaft pflegen. Die Arbeit an der Schule muss von einer pastoralen Nebenbeschäftigung (wieder) zu einer professionellen Haupttätigkeit werden, wenn sie gelingen will.
  • Angesichts der heterogenen Voraussetzungen innerhalb der Familien bezüglich religiösem Bekenntnis und Bezug zu kirchlichen Institutionen ist eine offene, ökumenische Ausrichtung des Religionsunterricht unbedingt anzustreben. Die beobachtete Tendenz für eine profilbildende Konfessionalisierung wird für die Mehrheit der Familien zu einer Belastung und drängt sie in die Distanzierung. Die Form der interkonfessionellen Gestaltung des Religionsunterricht wird sich je nach den lokalen Verhältnissen unterscheiden. Keinesfalls darf jedoch die heutige säkulare Schule zu einer Bühne für konfessionelle Missionierungen werden.
  • Zahlreiche Überlegungen in diese Richtung wurden bereits angestellt, als Projekte erprobt und umgesetzt.18 Ihr Erfolg hängt jedoch davon ab, ob es gelingt, genügend religionspädagogische Fachpersonen auszubilden und für diese Schulaufgabe hauptamtlich zu beauftragen. In ökumenischer Zusammenarbeit sollte es beispielsweise möglich sein, an jedem Oberstufenzentrum mindestens eine hauptamtliche Religionslehrperson als präsente Bezugsperson zur Schule und als Mitglied des Lehrpersonenkollegiums einzusetzen. Zur eigentlichen Unterrichtstätigkeit können sinnvollerweise Aufgaben der Schulpastoral dazukommen.19

Schlussendlich ist es wichtig, den Erfolg des Engagements in der Schule an den Bildungszielen und pädagogischen Begründungen des Religionsunterrichts zu messen und nicht an der Beteiligung der Kinder und Jugendlichen an den pfarreilichen Aktivitäten. Bildung muss wieder ihre genuin eigene Bedeutung in der kirchlichen Arbeit zurückerlangen.

 

 

1 Vgl. Kuno Schmid: Pluralität – Herausforderung für den Religionsunterricht, in: SKZ 183 (2014), Nr. 38, 546–548.

2 Zusammengefasst aus Diskussionen im Anschluss an Vorträge zu "Religion und Schule" im November 2013 im Kanton Solothurn.

3 Vgl. Sophia Bietenhard / Dominik Helbling / Kuno Schmid (Hrsg.): Ethik, Religionen, Gemeinschaft. Ein Studienbuch. Bern 2015. Siehe dazu die Besprechung dieses Buches durch Stephan Leimgruber auf den Seiten 359–360 der vorliegenden SKZ-Ausgabe.

4 Kreisschreiben des Amtes für Volksschulen Basel- Landschaft vom 1. September 2014.

5 Vgl. Kuno Schmid (Hrsg.): "Religion" lernen in der Schule. Mit Beiträgen von Monika Jakobs. Bern 2011, 104–110.

6 Vgl. Alfred Dubach u. a.: Religiöse Lebenswelt junger Eltern, Zürich 1989; vgl. Jürg Stolz u. a. (Hrsg.): Religion und Spiritualität in der Ich- Gesellschaft. Vier Gestalten des (Un)Glaubens. Zürich 2014.

7 Vgl. Markus Arnold: Curriculum und Berufsbild, in: Monika Jakobs u. a. (Hrsg.): Sehen und gesehen werden. 50 Jahre Religionspädagogisches Institut Luzern. Zürich 2015 (geplant).

8 Vgl. Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen. Bonn 2005.

9 Vgl. Schmid, "Religion" lernen in der Schule (wie Anm. 5), 73.

10 Das Zwei-Säulen-Modell im Kanton Solothurn führt diese Unterscheidung zwischen ökumenischem Bildungsfach in der Schule (Säule 1) und Katechese in der Pfarrei (Säule 2) erstmals konzeptionell ein, vgl. http://www.sofareli.ch/ oekumene/religioese-bildung- auf-zwei-saeulen (12. Mai 2015).

11 Vgl. Monika Jakobs u. a.: Konfessioneller Religionsunterricht in multireligiöser Gesellschaft. Zürich 2009.

12 Vgl. Klaus König: Den Synodenbeschluss zum Religionsunterricht weiterdenken, in: RpB 71/2014, 66–74.

13 Vgl. Schmid, "Religion" lernen in der Schule (wie Anm. 5), 111–116.

14 Vgl. Georg Langenhorst: Sprachkrise im "Theotop". Zur Notwendigkeit radikaler Neubesinnung religiöser Sprache, in: RpB 69/2013, 65–76.

15 Vgl. Jürgen Baumert: Deutschland im internationalen Bildungsvergleich, in: Nelson Kilius u. a. (Hrsg.): Die Zukunft der Bildung. Frankfurt a. M. 2002, 100–150.

16 Vgl. das in Anm. 4 zitierte Kreisschreiben des Amtes für Volksschule Basel-Landschaft vom 1. September 2014.

17 Vgl. Christian Cebulj / Thomas Schlag: Der Schweizer Lehrplan 21 – eine (nicht nur) ökumenische Herausforderung, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 13 (2014), Heft 2, 186–194, http://www. theo-web.de/zeitschrift/ ausgabe-2014-02/(abgefragt 12. Mai 2015).

18 Vgl. Zwei-Säulen-Modell im Kanton Solothurn http://www.sofareli.ch/oekumene/religioese-bildung-auf-zwei-saeulen (12. Mai 2015); vgl. Lehrplan und Themenvergleich zum komplementären Religionsunterricht im Kanton Luzern: www.lukath.ch/de/angebotehilfsmittel/dokumentefs/doksuche/?gesetz_id=3830&action=gesetz (12. Mai 2015); vgl. Interkonfessioneller Religionsunterricht St. Gallen: www. bistum-stgallen.ch/index_de.php?TPL=125000&x 125000_ID=232 (12. Mai 2015).

19 Vgl. Angela Kaupp u. a. (Hrsg.): Handbuch Schulpastoral. Für Studium und Praxis. Freiburg i. Br. 2015 [siehe Besprechung hinten].

 

Kuno Schmid

Kuno Schmid

Prof. Kuno Schmid ist Dozent für Didaktik des schulischen Religionsunterrichts am Religionspädagogischen Institut der Universität Luzern.