Verantwortlich und nachhaltig wirtschaften

Der «Swiss Global Compact Dialogue on Responsible Business» erlebte am 2. Februar 2017 seine erste Auflage in Bern. Es ging um nachhaltiges Wirtschaften als Innovationsfaktor für die Schweizer Wirtschaft. Als Senior Programme Leader berichtet Antonio Hautle.

Vertretungen von Schweizer Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und Bundesämtern trafen sich in Bern zu einem offenen Dialog zu Fragen der Führungsverantwortung in der Privatwirtschaft. Es war die erste nationale Konferenz des Global Compact Network Schweiz als lokales Netzwerk der UN Global Compact. Zu dessen Mitgliedern zählen KMUs und einige der grössten Unternehmen der Schweiz, die sich den 10 Prinzipien des UN Global Compact verpflichtet haben. Sie engagieren sich für die Umsetzung der in der Agenda 2030 festgeschriebenen UNO-Nachhaltigkeitsziele. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage: Ist Corporate Social Responsibility (CSR) ein Innovationsfaktor für die Schweizer Wirtschaft?

Wider Erwarten viele Dialogbeteiligte

Die Tagung brachte wider Erwarten viele Menschen zusammen. Es war ein erster und offensichtlich gelungener Versuch, den Dialog auf dieser Ebene anzustossen. Die Frage, ob Unternehmen verantwortlich handeln sollen, war unbestritten – ob sie genug tun, wurde kritisch beantwortet. Dass die Thematik bei vielen Firmen in den letzten Jahren in die Geschäftsstrategien integriert und zu einem zentralen Faktor geworden ist, zeigten die vielen Beispiele, die präsentiert und in Workshops diskutiert wurden.

Christoph Stückelberger, Präsident von Globethics und ehemaliger Zentralsekretär von Brot für alle, merkte an, dass auffällig viele Frauen an dieser Veranstaltung anwesend wären, nicht nur im Publikum, sondern auch als Rednerinnen und Leiterinnen von Workshops. Tatsächlich bewegt sich in der CSR-Community, das heisst bei den Verantwortlichen für Menschenrechte, Zulieferketten, Nachhaltigkeit, Antikorruption und Arbeitsbedingungen, viel. Oft sind es innovative CEOs, Firmenbesitzer und das mittlere Management, die eine besonders grosse Sensibilität für die Anliegen nachhaltigen Wirtschaftens mitbringen. Viele davon sind Frauen. Investoren und Banken nehmen zunehmend Einfluss auf Geschäftspraktiken, indem sie Finanzierungs-und Investitionsentscheide vermehrt an Bedingungen knüpfen, einerseits, um Risiken zu minimieren, und andererseits, um neue nachhaltige Investitionen anzubieten, die vermehrt nachgefragt werden.

Der Fokus lag auf dem Dialog. Ideen wurden entworfen, Kontakte geknüpft und nach Wegen zur Umsetzung der Corporate Social Responsibility sowie der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO gesucht. Einige NGOs hatten sich an die Tagung gewagt. Alliance Sud war auf einem Panel, andere in Workshops. Eine wirkliche Dialogplattform für Privatwirtschaft, öffentliche Verwaltung und NGOs war es aber noch nicht. Das Global Compact Network Schweiz hat die Ambition, vermehrt verschiedene «Stakeholder» aus Wirtschaft, Gesellschaft, Verwaltung, Kirchen und NGOs zu diesen Themen zusammenzubringen. Es geht darum, gemeinsam neue, innovative Lösungen zu finden. So betrachtet, war dieser Anlass ein weiterer Schritt auf einem langen Weg.

Warum nachhaltiges Wirtschaften anstreben?

Dass die Thematik des nachhaltigen Wirtschaftens nicht nur wichtig, sondern ein ganz zentraler Motor für Innovation, deutliche Risikoreduzierung und dadurch zu einem zentralen Erfolgsfaktor eines Unternehmens wird, zeigen inzwischen diverse Studien. Viele Firmen, allen voran grosse Schweizer Konzerne mit direktem Kundenkontakt sind seit Jahren daran, neben dem Risiko-und Umweltmanagement systematisch Corporate Social Responsibility entlang ihrer Wertschöpfungsketten zu implementieren. Darum sind auch vor allem viele Grosskonzerne mit starker internationaler Vernetzung besonders sensibilisiert. Das war nicht immer so, und bei vielen Firmen ist die Botschaft immer noch nicht angekommen.

Welche Wertschöpfung von der Wirtschaft erwarten?

Unternehmen schaffen Mehrwert. Ohne Arbeitgeber kein Einkommen, ohne Einkommen kein menschenwürdiges Leben. Doch unter welchen Bedingungen dient wirtschaftliche Tätigkeit dem guten Leben? 2005 bis 2010 waren Caritas und Fastenopfer am kritischen Dialog Alliance Sud–Nestlé beteiligt. Dieser Prozess von damals hat wesentlich dazu beigetragen, dass der Grosskonzern inzwischen zu den führenden Unternehmen in nachhaltigem Wirtschaften gehört und in Ratings meist vorne liegt (vgl. sustainablebrands.com vom März 2017). Öffentlich gerade auch von kirchlichen Kreisen immer wieder kritisiert, ist diese Firma heute ein wichtiger Antreiber der «triple based sustainability», der dreifachen ökologisch, ökonomisch und sozialen Nachhaltigkeit. Wie Nestlé haben indessen etliche Firmen entdeckt, dass Investitionen in verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften nicht nur ein Gebot der Stunde sind, sondern auch den Geschäftserfolg langfristig nachhaltig sichern.

Kritischer ist die Situation in KMUs. Während sie ihr Geschäft in der Schweiz fair, nachhaltig und mit guten bis sehr guten Anstellungsbedingungen betreiben, sind ihnen die Risiken bezüglich Menschenrechtsverletzungen, Umweltschutz und Korruption noch viel zu wenig bewusst. Sie wissen oft nicht, was an Kinderarbeit, Umweltzerstörung etc. in den importierten Halbfabrikaten, Fertigprodukten und eingekauften Dienstleistungen steckt. Bedingt durch sehr knappe Ressourcen und hohen Konkurrenzdruck glauben viele KMUs, sie könnten sich den Aufwand für eine umfassende nachhaltige Geschäftstätigkeit nicht leisten. Wir wissen aber inzwischen, dass Firmen, die sich permanent und konsequent sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig verhalten, langfristig erfolgreicher sind. Am Anfang sind aber unbestritten Investitionen in Wissen, Geschäftskultur, Prozessmanagement und Personalschulung nötig. Langfristig werden aber nur Unternehmen überleben, die Nachhaltigkeit ernst nehmen.

Noch viel Überzeugungsarbeit und wohl teilweise auch Druck durch Kundinnen und Kunden sowie die Öffentlichkeit ist nötig. Nur wenn Nachhaltigkeit nachgefragt wird, werden die Firmen sie auch liefern. Das ist nicht gratis zu haben.

Und wir Konsumenten?

Deshalb greift auch einseitige Kritik an der Wirtschaft zu kurz. Nötig ist die kritische Reflexion des gesamten gesellschaftlichen Verhaltens. Unternehmen bedienen die Nachfrage der Märkte (und beeinflussen sie durch Werbung zu ihren Gunsten). Kritische Konsumentinnen und die Hinterfragung des eigenen Lebensstils werden die Zukunft unserer Urgrosskinder wesentlich beeinflussen. Es nützt nichts, immer effizientere Autos und Fernseher zu bauen, wenn gleichzeitig pro Haushalt drei TVs und zwei Autos angeschafft werden.

Kirchliche und andere Hilfswerke kritisierten und kritisieren immer wieder die grossen Konzerne. Diese Kritik ist ein wichtiger Faktor, um Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Inzwischen hat sich aber das Umfeld deutlich verändert. Viele Unternehmen bewegen sich und sind offen für den Dialog, darum ist auch ein Umdenken in NGOs und Hilfswerken wichtig. Viele Unternehmen berichten auch transparenter, als gewisse NGOs es tun. Ich erfahre den Dialog teilweise immer noch als schwierige Gratwanderung. Alte Feindbilder sind langlebig. Persönlich bin ich überzeugt, dass es keine Alternative zu einem offenen, ehrlichen, kritisch-konstruktiven Dialog gibt. Dialog setzt aber ein gewisses Grundvertrauen voraus, dass «der andere» es grundsätzlich gut meint und nicht lügt. Wir brauchen eine intensive Auseinandersetzung mit Fakten und Wahrnehmungen. Und wir haben inzwischen viele Beispiele konstruktiven Dialogs, aus denen deutliche Verbesserungen für Menschen und Mitwelt resultierten. Wir brauchen noch viel mehr davon, wenn wir die 17 SDGs bis 2030 erreichen wollen.

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10 Prinzipien des UN Global Compact

Die Mitgliederfirmen verpflichten sich, die 10 Prinzipien in ihrer Wertschöpfungskette nach bestem Wissen umzusetzen und jährlich öffentlich über die erzielten Fortschritte zu berichten.

Menschenrechte

1. Unternehmen sollen den Schutz der internationalen Menschenrechte unterstützen und achten.

2. Unternehmen sollen sicherstellen, dass sie sich nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen.

Arbeitsnormen

3. Unternehmen sollen die Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen wahren.

4. Unternehmen sollen für die Beseitigung aller Formen von Zwangsarbeit eintreten.

5. Unternehmen sollen für die Abschaffung von Kinderarbeit eintreten.

6. Unternehmen sollen für die Beseitigung von Diskriminierung bei Anstellung und Erwerbstätigkeit eintreten.

Ökologie

7. Unternehmen sollen im Umgang mit Umweltproblemen dem Vorsorgeprinzip folgen.

8. Unternehmen sollen Initiativen ergreifen, um grösseres Umweltbewusstsein zu fördern.

9. Unternehmen sollen die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien beschleunigen.

Antikorruption

10. Unternehmen sollen gegen alle Arten der Korruption eintreten, einschliesslich Erpressung und Bestechung.

 

Antonio Hautle

Antonio Hautle

Antonio Hautle (lic. theol.; MBA HEC Genève) ist seit August 2015 Senior Programme Leader und Representative UN Global Compact Network Switzerland. Hautle war 2001–2013 Direktor des Hilfswerks Fastenopfer und 2014–2015 Leiter Dienststelle Soziales und Gesellschaft Kanton Luzern. Zudem ist er Lehrbeauftragter für Ethik und Wirtschaftsethik an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Olten.