Ut unum sint

Die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen wird jedes Jahr vom 18. bis 25. Januar durchgeführt. Sie ist selber das Ergebnis eines längeren ökumenischen Prozesses.

 

Die Anfänge von Gebetswochen für die Wiedervereinigung der Christen gehen auf die Mitte des 19. Jahrhunderts und die Initiative der Evangelischen Allianz zurück. Die Gebetswoche, wie wir sie heute kennen, hat zwei voneinander unabhängige Ursprünge.

Rückkehr nach Rom

1899 gründete Paul Francis Wattson (1863–1940) zusammen mit Lurana White (1870–1935) in Graymoor, New York (USA), die anglikanische Ordensgemeinschaft «Congregatio Fratrum Adunationis Tertii Regularis Ordinis S. Francisci» (Regulierte Franziskaner-Terziarier von der Wiedervereinigung). Sie setzte sich für die Wiedervereinigung der Episkopalkirche mit der römisch-katholischen Kirche ein, wobei sie vom Primat des Papstes ausging. Schon bald gab es Probleme mit der Episkopalkirche, da sich die Gemeinschaft an die Ordensregeln der römisch-katholischen Franziskaner hielt. Als die Episkopalkirche später Predigern aus anderen Konfessionen das Gastrecht erteilte, trat die Gemeinschaft 1909 nach langem Ringen geschlossen in die römisch-katholische Kirche über. Es war dies der erste Übertritt einer ganzen Gemeinschaft in die römisch-katholische Kirche seit der Reformation.

Bereits 1907 hatte Wattson zu einer Gebetsoktav vom 18. Januar (damals Fest Kathedra Petri)1 bis zum 25. Januar (Fest der Bekehrung des Apostels Paulus) für die Rückkehr der verschiedenen christlichen Kirchen nach Rom aufgerufen, die dann 1908 zum ersten Mal in Graymoor begangen wurde. 1910 wurde diese Gebetsoktav von Pius X. befürwortet und 1916 von Benedikt XV. für die ganze katholische Kirche für verbindlich erklärt.

Abbé Paul Couturier (1881–1953)2 wies in den 1930er-Jahren darauf hin, dass das Gebet für die Einheit der Christen nur dann Sinn mache, wenn es zusammen mit anderen Christen gebetet werde. Da diese natürlich nicht gezwungen werden konnten, für ihre Rückkehr in die römisch-katholische Kirche zu beten, wurde in der Folge allgemein für die Einheit der Christen gebetet. Diese Änderung wurde 1959 durch Johannes XXIII. genehmigt.

Ökumenischer Weg

Der zweite Ursprung der Gebetswoche liegt in der Arbeit der «Kommission für Glauben und Kirchenverfassung», einer Vorgängerbewegung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). 1920 regte der Vorbereitungsausschuss für die erste Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung eine Gebetswoche für die Einheit an, die jeweils in der Pfingstzeit gebetet wurde. 1941 wurde das Datum in den Januar verlegt, damit die Christen aller Konfessionen zur gleichen Zeit für die Einheit beten konnten. Ab 1958 wurden das liturgische Material dieser Kommission und der römisch-katholischen Kirche aufeinander abgestimmt und ab 1960 gemeinsam besprochen. 1966 wurde vom ÖRK und vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen beschlossen, das Material von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe erarbeiten zu lassen.

Seit 1973 erarbeitet jeweils eine ökumenische Gruppe in einem bestimmten Land einen Entwurf, der dann von der gemeinsamen Arbeitsgruppe so bearbeitet wird, dass er weltweit verwendet werden kann. Die Materialien stehen jedes Jahr unter einem biblischen Motto. Dabei handelt es sich um einen Text zum Thema, einen Vorschlag für einen ökumenischen Gottesdienst, Bibeltexte sowie kurze Meditationen und Gebete für alle Tage der Gebetsoktav.

Bemerkenswert ist, dass am Sonntag, der in die Gebetswoche fällt, nicht die Texte des entsprechenden Sonntages genommen werden müssen. Die Zelebranten können eine der drei Votiv- messen «Für die Einheit der Christen» sowie entsprechende Lesungen auswählen.

Rosmarie Schärer

 

1 Heute wird das Fest Kathedra Petri am 22. Februar gefeiert.

2 Couturier war ein französischer Priester. Er gilt als Initiator der «geistlichen Ökumene».