Kampf mit Hilfe des gedruckten Wortes

Maximilian Kolbe (gebürtig Rajmund) ist vielen Menschen durch seine letzten Tage bekannt: als Märtyrer, der sein Leben für einen Familienvater gab. Sein Leben aber liegt für viele im Dunkeln.

Am 7. Januar 1894 wird Rajmund als zweites von fünf Kindern in Zdunksa-Wola (PL) geboren. Er ist ein quicklebendiger, etwas unberechenbarer und eigenwilliger Junge.1 Da die Familie arm ist, können die Eltern nur dem ältesten Sohn eine Ausbildung ermöglichen. Rajmund soll zu Hause bleiben und Handwerker wie sein Vater werden. Doch einem Apotheker fällt auf, dass der Junge einige Worte Latein spricht. Er nimmt sich seiner an und gibt ihm Privatunterricht. An Ostern 1907 halten Minoritenpatres eine Volksmission und erklären, dass ihr Ordensgymnasium in Lemberg Ordenskandidaten aufnimmt. Rajmund und sein älterer Bruder Franz melden sich sofort, da beide Priester werden möchten.

Unsicherer Weg

Am Ende der Gymnasiumszeit ist sich Rajmund sicher, dass er Priester werden will, aber Minorit? Er bekommt Zweifel an seiner Berufung und entschliesst sich, das Kloster zu verlassen. In dieser Situation erhält er Besuch von seiner Mutter. Sie wollte schon immer ins Kloster gehen. Da nun auch der jüngste Sohn Josef bei den Minoriten eintreten will, haben ihr Mann und sie beschlossen, sich gegenseitig freizugeben. Sie erzählt Rajmund, dass sie zu den Benediktinerinnen in Lemberg gehen wolle, der Vater als Terziar zu den Franziskanern in Krakau. Nach diesem Gespräch entscheidet sich Rajmund dafür, im Kloster zu bleiben, und tritt 1910 bei den Minoriten ein. Er erhält den Ordensnamen Maximilian Maria.

Im Dienst Mariens

Zunächst studiert er in Krakau, danach in Rom Philosophie und Theologie. Während seines Studiums in Rom erlebt Kolbe, wie die Freimaurer 1917 ihr 200-Jahr-Jubiläum feiern und dabei den Papst und die Kirche verbal attackieren. Kolbe erkennt hier seine Berufung. Er will über das Gebet hinaus etwas gegen die antiklerikalen Strömungen unternehmen. Dabei ist er überzeugt: Wenn die unbefleckte Jungfrau Maria den Kopf des Satans zertreten kann (vgl. Gen 3,15), dann können wir durch sie auch die Häresien unserer Zeit überwinden. Kolbe erstellt einen «Schlachtplan», den er ab Oktober 1917 zusammen mit sechs Mitbrüdern umsetzt: die «Militia Immaculatae»* ist geboren. Ihr Ziel ist es, sich einzusetzen für «die Bekehrung der Sünder, Häretiker, Schismatiker usw., besonders der Freimaurer; und um die Heiligung aller unter dem Schutz und durch die Vermittlung der Unbefleckten Jungfrau».2 Die Immaculata wird ihn sein Leben lang begleiten. In allen Schwierigkeiten, bei allen Hindernissen wird er sich an sie wenden und ihre Hilfe erfahren.

Das grosse Werk beginnt

1918 wird Kolbe zum Priester geweiht. Ein Jahr später, nach seinem Doktorat in Theologie, kehrt er in seine Heimat Polen zurück und wird Dozent für Kirchengeschichte in Krakau. Hier treibt er seine Pläne bezüglich der Miliz voran. Auch eine Tuberkuloseerkrankung hindert ihn nicht daran. Schnell wächst die Zahl der Anhänger der Bewegung. Da die Säle zu klein für die Schulungskonferenzen werden, weicht er auf das gedruckte Wort aus. Die erste Ausgabe der Zeitschrift «Rycerz Niepokalanej» (Ritter der Unbefleckten3) erscheint in einer Auflage von 5000 Exemplaren, die sechste Auflage umfasst bereits 50 000 Exemplare. Vom Orden erhält er keine finanzielle Unterstützung, doch es gelingt ihm immer wieder, Geld für die Druckkosten aufzubringen.

Im Herbst 1922 muss er auf Befehl der Oberen mit der Druckerei ins abgelegene Kloster Grodno umziehen, da der Platz im Kloster in Krakau zu knapp geworden ist. Trotz der weiten Entfernung zu Krakau und trotz erneutem Kuraufenthalt kann die Auflage vergrössert werden. Das Leben in Grodno ist einfach und hart. So müssen sich die drei Brüder ein paar Schuhe und einen Mantel teilen.4 Schwierigkeiten sind an der Tagesordnung, doch Kolbe interessiert sich nur für die Postulanten, «die sich zahlreicher denn je an der Klosterpforte einfanden, um das mit ihm zu teilen, was nur er ihnen geben konnte, nämlich nichts und Gott»5. Bald werden die Räumlichkeiten zu klein – die Mitbrüder müssen ihre Betten abends jeweils in den Arbeitsräumen aufstellen.6

So viele «Ritter» wie es Sprachen gibt

1927 erhält Kolbe von Fürst Drucki-Lubecki westlich von Warschau Land, wo er eine Kapelle, Wohnräume, eine Druckerei und weitere Gebäude baut. Die Stadt Niepokalanów (Stadt der Unbefleckten) entsteht. Hier sind der volle Einsatz aller und ein Leben in Armut selbstverständlich. Dabei geht es Kolbe nicht darum, mit der Presse- arbeit einen Gewinn zu erzielen. «Das Mittel würde zum Zweck und der Zweck zum Mittel»7, ist er überzeugt.

Kolbe will sein Apostolat auf die ganze Welt ausbreiten. So reist er im März 1930 mit vier Brüdern nach Japan. Der zuständige Kirchenverantwortliche begegnet ihm skeptisch. Als er aber erfährt, dass Kolbe doktoriert hat, erlaubt er ihm, zu bleiben, unter der Voraussetzung, dass er als Philosophieprofessor am Priesterseminar arbeitet. Bereits Ende Mai erscheint die erste Ausgabe des «Ritters» auf Japanisch.8 Der «Seibo no Kishi» richtet sich nicht nur an die Katholiken, sondern an alle Interessierten. Kolbe gründet in Nagasaki ein zweites Niepokalanów: «Mugenzai no Sono» (Garten der unbefleckten Empfängnis). Die Stadt entwickelt sich zu einem der grössten Mis- sionszentren Japans.9

Kolbe ist in dieser Zeit von einem missionarischen Eifer getrieben und hat Visionen für Zentren überall auf der Welt: Von Shanghai könne man auf ganz China ausstrahlen, in Indien Übersetzungen in alle dortigen Sprachen vornehmen, Europa, Süd- und Nordamerika. «So viele ‹Ritter› muss man drucken, als es Sprachen gibt.»10 Bereits im Juni muss er zurück nach Polen ans Provinzkapitel. Im August ist er erneut unterwegs: In Moskau sondiert er die Lage für einen russischen «Ritter», dann geht es weiter über Sibirien nach Korea und zurück nach Japan.

Eine Stadt im Dienste Mariens

Erst 1936 kehrt er nach Polen zurück und wird zum Oberen von Niepokalanów ernannt. Die Stadt vergrössert sich durch weitere Schenkungen ständig. 1939 besteht die Stadt neben dem Druckereikomplex und der Radiostation aus einer grossen Kirche, sechs Ordenskollegien, einer Feuerwehr, einem Flugplatz, drei Sportplätzen und vielen weiteren Einrichtungen.

Die rund 700 Minoriten (darunter nur zehn Priester) übernehmen alle anfallenden Arbeiten selber. Sie sind Schriftsteller, Mechaniker, Architekten, Professoren usw. Sie leben als Brüder im gleichen Geist, so wie es der Ordensgründer Franziskus verlangt hat. Es gibt keinen Unterschied zwischen Laienbrüdern und Priestern. Die positive Einstellung zur Armut ist Kolbe sehr wichtig: In geflickten Habits arbeiten die Brüder an den neuesten Maschinen und fliegen die modernsten Flugzeuge. Er möchte alle Formen der Massenmedien für das Apostolat einsetzen; er träumt von eigenen Filmstudios und dem Fernsehen. Doch in Niepokalanów konzentriert man sich auf die Presse: Die Monatsauflage des «Ritters» liegt bei einer Million, jene der Jugendzeitschrift bei 250'000 und jene der Kinderzeitschrift bei 35'000 Exemplaren. Dazu kommen die Tageszeitung «Maly Dziennik» mit einer Auflage von 250'000 Exemplaren und sieben weitere Publikationen.

Letzte Tage

Der Zweite Weltkrieg bricht in diese Gemeinschaft der Brüderlichkeit ein. Im September 1939 wird Niepokalanów von den Deutschen besetzt, Kolbe zusammen mit den noch gebliebenen Ordensbrüdern ohne Angabe von Gründen verhaftet.11 Er ist davon überzeugt, dass die Immaculata ihnen helfen wird. Und wirklich: Am 8. De- zember werden sie wieder entlassen und können nach Niepokalanów zurückkehren, das durch die Bombardierung stark zerstört ist. Die Stadt bietet im Krieg Tausenden von Flüchtlingen Zuflucht, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Kolbe möchte die Pressetätigkeit wieder aufnehmen. Am 8. Dezember 1940 erscheint die erste und letzte Nummer des «Ritters».

Am 17. Februar 1941 wird Maximilian Kolbe erneut verhaftet. Es wird vermutet, dass dies aufgrund der nazikritischen Berichterstattungen im «Ritter» sowie der Ablehnung Kolbes, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, geschieht.12 Am 14. August stirbt er im Hungerbunker durch eine Giftspritze.

Rosmarie Schärer

 

1 Vgl. Lesch, Franz-Xaver, P. Maximilian Kolbe, Würzburg 1964, 6.

2 Ebd., 11.

3 Die Mitglieder werden als Ritter bezeichnet, daher der Name der Zeitschrift.

4 Vgl. Frossard, André, Die Leidenschaft des Maximilian Kolbe, 70.

5 Ebd., 71.

6 Vgl. Lesch, 16.

7 Ebd., 17.

8 1939 liegt die Auflage bei 70 000 Exemplaren.

9 Beim Abwurf der Atombombe über Nagasaki 1945 blieb das Kloster wie durch ein Wunder unversehrt.

10 Zitiert in: Lesch, 19.

11 Kolbe hatte zuvor seine Mitbrüder aufgefordert, in andere Konvente oder zu ihren Familien zu flüchten.

12 Vgl. Lesch, 34; Frossard, 151–156.

 


Der Portraitierte

Maximilian Kolbe wurde am 17. Oktober 1971 selig- und am 10. Oktober 1982 als Märtyrer heiliggesprochen. (Bild: Wikipedia)