UNO-Frauenrechtskommission: «Niemand soll zurückbleiben»

Die diesjährige 60. Session der UNO-Frauenrechtskommission kam auf neuen Kurs. Über 3000 Delegierte von Nichtregierungs- Organisationen (NRO) reisten zur Session an. Ihre aktive Teilnahme ist ein kritisches Element für die Arbeit für Frauenrechte. NROs erinnern die internationalen und nationalen Regierungsvertreter an ihre Verantwortung.

Mit der politischen Erklärung von 2015 zeigten alle Mitgliedsländer den Willen, das Niveau der Aktionsplattform von Beijing (Vierte UN-Welt- Frauenkonferenz 1995) sowie alle nachfolgenden Beschlüsse fortzuführen. Phumzile Mlambo-Ngcuka, frühere stellvertretende Präsidentin von Südafrika und jetzige Exekutiv-Direktorin der Einheit für Gleichstellung und Ermächtigung von Frauen (UN-Frauen), sprach von einem neuen Start: «Niemand soll zurückgelassen werden». Dieser ethische Slogan «niemanden zurücklassen» der UNO hört sich an wie eine säkulare Version von «Was ihr an einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan». Mlambo-Ngcuka verband diesen Slogan der nachhaltigen Entwicklungsziele mit der Kommissionsarbeit und äusserte die Hoffnung, diese werde den zukünftigen Weg mit den 17 Nachhaltigkeitszielen von 2016 bis 2030 verfolgen. Denn die Aktionsplattform biete zusammen mit der Konvention zur Eliminierung jeglicher Form von Gewalt gegen Frauen (CEDAW) einen holistischen Rahmen dazu. Eine erste Evaluation wird die Kommission schon im 2020 durchführen, bis dahin ist «umsetzen, umsetzen» absolute Priorität.

Mädchen/Frauen in patriarchalen Mustern

Inzwischen lässt sich allgemein eine spürbar veränderte Einstellung, mehr Offenheit zu «Religion» oder zu Glauben feststellen. An dieser Session begannen Mlambo-Ngcuka (YWCA) und die UN-Frauen eine Zusammenarbeit mit religiösen Institutionen wie z. B. World YWCA, ÖRK, Lutherischer Weltbund, Act-Alliance und Organisationen anderer Religionen, für einen vertieften Wissens- und Erfahrungsaustausch. An einer gemeinsamen Nebenveranstaltung zu «Niemanden zurücklassen» wurde die Beziehung zwischen Glauben und Feminismus thematisiert.

Gleichzeitig wählten am Church Center Dr. Fulata L. Moyo (ÖRK-Programmbeauftragte für eine gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern) und Sarojni Nadar, Professorin an der Universität von KwaZulu Natal, Südafrika, einen Text aus dem Buch Esther aus für die Veranstaltung «Theologische Ressourcen von Frauen gegen Gewalt aufgrund des Geschlechts». Nach einer gemeinsamen Lektüre lud Nadar das gemischte Publikum ein, sich eine Person aus dem Text auszuwählen und sich mit ihr und ihren Gefühlen zu identifizieren. Esther wurde zusammen mit vielen andern jungen Mädchen ausgewählt und auf die Begegnung mit dem König vorbereitet. Was konnte mit den Mädchen, insbesondere mit Esther, in jener Nacht geschehen sein, als sie zum ersten Mal mit dem König zusammentraf? Es zeigte sich, dass eine solch direkte Begegnung mit der Geschichte bei Personen unterschiedlichen kulturellen Hintergrunds eine grosse Vielfalt an Interpretationen auslöste über die Einführung von Mädchen/Frauen in patriarchale Muster und Gesellschaft und eine Brücke zum eigenen kulturellen und religiösen Kontext schaffte.

Eliminierung jeglicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen

In diesem Jahr wurde das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen überprüft. Im 2013 war das Thema prioritär. Als das heikelste der zwölf kritischen Themen der Aktionsplattform erreichte es im 2003 keinen Konsens für das Schlussdokument der Session.

Die Nebenveranstaltung «Ausserhalb unserer Silos. Die Macht inklusiven Engagements zur Verhütung von und Begegnung mit extremistischer Gewalt» boten Finnland, das Netzwerk traditioneller und religiöser Friedensstifter und die Ständige Mission der Schweiz an der UNO gemeinsam an. Nathalie Chuard (EDA, Chefin politischer Angelegenheiten an der Ständigen Schweizer Mission in New York) erklärte, die Schweiz habe zusammen mit andern Ländern als Erste begonnen, einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Resolution 1325 des Sicherheitsrats von 2000 durchzusetzen.

Unser Land sei zurzeit in 40 fragilen oder Konfliktgebieten engagiert, vor allem in der Region MENA und der Region Grosse Seen in Afrika, wo Projekte zur Ermächtigung von Frauen und zur Reduzierung von sexueller und Gendergewalt unterstützt werden. Damit solche Engagements etwas bewirken, müsse dazu begleitend auf der Basis eines inklusiven Prozesses nach einer politischen Lösung des Konflikts gesucht werden. Die fehlende Teilnahme von Frauendelegationen an Friedensverhandlungen stelle für die Resolution 1325 und die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Konfliktlösung ein wahres Problem dar.

 

Esther R. Suter

Esther R. Suter

Die evangelisch-reformierte Theologin und Pfarrerin Esther R. Suter ist Fachjournalistin SFJ/ASJ und engagiert sich bei UN Geneva als NGO-Representative for International Alliance of Women, bei UN New York als NGO-Representative for International Association for Religious Freedom und ist Vize-Präsidentin der International Association of Liberal Religious Women.