UNO-Frauenrechtskommission 2015

Die UNO-Frauenrechtskommission (CWS) in New York legte in ihrer diesjährigen 59. Session im März neue Arbeitsmethoden für die von 2015 bis 2030 geltenden nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO fest, im Hinblick auf die weitere, noch fehlende Umsetzung der Zielsetzungen seit der Vierten UNO-Welt-Frauenkonferenz in Beijing 1995. Die NGOs waren diesmal an offiziellen "Round Tables" und an zahlreichen "Side Events" beteiligt. Polarisierungen zwischen Staaten waren kaum spürbar im Vergleich zu 2012, als die Session um eine Woche verlängert wurde, ohne einen Konsens in den Verhandlungen zu erreichen. Oder 2013, als das brisanteste aller Themen "Eliminierung und Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen" schon lange im Vorfeld Besorgnis auslöste und die Verhandlungsleiterin schliesslich ein kurzfristig bereinigtes Dokument vorlegte und in der letzten Minute ein Konsens zu Stande kam, weil die ägyptische Delegationsleiterin und Menschenrechtaktivistin gegen die Haltung der Muslimbruderschaft die Zustimmung der Delegation verkündete. Obwohl die Situation gerettet war, bezeichneten einige Delegierte nachträglich das Dokument der Delegationsleiterin als "aufgedrängt".

2014 übernahm die Schweiz als Vizepräsidentin der CSW und Mitglied des fünfköpfigen Büros die Verhandlungsleitung des Abschlussdokuments. Die für Menschenrechte zuständige Diplomatin an der Schweizer UNO-Mission, Christine Löw, übernahm diese verantwortungsvolle Aufgabe. Sie teilte im Gespräch ihr Erfolgsrezept mit: Im Vorfeld der Verhandlungen führte sie schon 2014 mit allen wichtigen Akteuren unter den 193 UNO-Mitgliedern Gespräche, um zu lernen, welche Interessen die jeweiligen Delegationen im Abschlussdokument verfolgten. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit den Vertreterinnen der Staaten und dem vorliegenden Thema entwickelte sie eine Vision darüber, was möglicherweise erreichbar sei und was "ehrlicherweise eine Zielgerade bleibe, wogegen kein Staat etwas einwenden kann". Sie orientierte sich während des gesamten Verhandlungsprozesses an dieser inneren Überzeugung und Vision, die sich mit der Zeit als kohärente und glaubwürdige Leitlinie auf die Staaten übertrug. Löw traf sich mit Vertretern aller Weltregionen und erklärte, was in dieser Session gemeinsam erreicht werden sollte. Solche Gespräche bei den UNO-Missionen verliefen auf einer menschlichen Ebene, sie waren offen, ehrlich, echt und klar. Gleichzeitig ermöglichten sie, andere Standpunkte anzuhören und festzustellen, welche Anliegen und Ängste vorhanden sind. "Bei solchen Verhandlungen ist es zentral, am Ende einen Weg zu finden, der für alle stimmt. Dazu braucht es von allen Seiten Kompromissbereitschaft." Löws Konzept zum Vertrauensaufbau führte zu einer besseren Kommunikation, was der Kompromissbereitschaft zuträglich war. Die Zunahme des Frauenanteils unter den Menschenrechtsdelegierten scheine auf die Gesprächskultur auch eine positive Auswirkung zu haben. Die Verhandlungen in der Session 2015 profitierten von dem im 2014 entstandenen Vertrauen. Die Schweizer UNO-Mission ermutigte die NGOs, ihre wichtige Aufgabe mehr wahrzunehmen. Denn ihre Bedeutung könne nicht unterschätzt werden.

Zwanzig Jahre nach "Beijing" wurde Bilanz gezogen. Die Erklärung und die Aktionsplattform der Vierten UNO-Welt-Frauenkonferenz unter dem Motto "Menschenrechte sind Frauenrechte – Frauenrechte sind Menschenrechte" benannten die mangelnden Menschenrechte von Frauen in zwölf kritischen Themenbereichen, an denen bis heute gearbeitet wurde. Kein einziges Mitgliedsland hat alle diese Ziele erreicht und umgesetzt. Die Fortschritte und grossen Veränderungen seit der ersten UNO-Weltfrauenkonferenz von 1975 in Mexiko sind jedoch: die Frauenkonvention (Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau – CEDAW) von 1979; die Resolution 1325 des UNOSicherheitsrats zu Frauen, Frieden und Sicherheit zum Schutz der Rechte von Frauen und den Einbezug von Frauen in Friedensverhandlungen von 2000 sowie die Einrichtung der UN-Einheit UN-Women von 2010 zur Erfassung des weltweiten Fortschritts in der Geschlechter- oder Gender-Gleichstellung.

Die Geltung und Umsetzung von Menschenrechten ist zwar heute ein vielfach anerkanntes Konzept, hat jedoch noch mit Schwierigkeiten zu kämpfen, vor allem, wenn es, wie von eher konservativen Kreisen befürchtet, um eine Erweiterung des Verständnisses von "Menschenrechten" geht, zum Beispiel auf die Rechte von Lesben, Schwulen und Transsexuellen oder auf sexuelle und reproduktive Rechte. Für diese Themenbereiche, wie auch u. a. Gewalt gegen Frauen, stehen Lösungen noch aus. Die verheerende Ausbreitung von Gewalt gegen Frauen wurde erst seit "Beijing" immer deutlicher zum öffentlichen Anliegen. Mit der Lancierung der UN-Frauen "He for She-Campaign" im 2014 zeichnet sich ein neuer Trend ab: Eine weltweite Solidaritätsbewegung entsteht von Männern als Partnern, die als Mitbetroffene sich das Ziel setzen, noch im 2015 eine Milliarde Gleichgesinnter zu gewinnen für die Gender- Gleichstellung. Männer beginnen sich zu hinterfragen nach den tiefen Ursachen von Gewalt gegen Frauen und setzen sich mit patriarchalen Verhaltensmustern auseinander, um diese zu überwinden.

Über den sich abzeichnenden Trend in der Mitbeteiligung von wohlgesinnten Männern äusserte sich der Lutheraner Ulysses Burley (für den ÖRK, New York) im "Round Table" zum "Intergenerationen Dialog zur Rolle von Männern und Knaben in der Gender-Gleichstellung" über die Rolle von religiösen (männlichen) Führungspersonen und von Glaubensgemeinschaften für die Stärkung von Frauen und ihren Anliegen. Die Religion sollte die Menschenrechte unterstützen. Religiöse Menschen sollten sexuelle und reproduktive Rechte in einem weiten Verständnis sehen und nicht reduzieren auf ein kontroverses Verständnis zum Beispiel von Abtreibung oder Zugang zu Verhütungsmitteln, sexuelle Rechte und Rechte von Lesben, Schwulen und Transsexuellen. Religiöse Menschen sollten für die Menschenrechte einstehen. Sexuelle und reproduktive Rechte sind Menschenrechte, erklärte Ulysses. Er bezeichnete religiöse Institutionen als patriarchale Institutionen. Für eine Veränderung der Bilder und des Verständnisses von "Männlichkeit" müsste deshalb innerhalb der Kirchen und Glaubensgemeinschaften angesetzt werden. "Maskulin" sei nicht gleichzusetzen mit gewalttätig, dominierend oder Kontrolle ausübend. Maskulin heisse auch sensitiv, mitfühlend (compassionate), emotional und Frauen respektierend. Es sei einfacher, mit solchen Bildern schon Knaben zu starken Charakteren zu bilden, statt gebrochene Männer zu "reparieren". Nicht nur aus christlichen Kreisen und von NGOs kam der Vorschlag, dass religiöse männliche Führungspersonen das Gespräch mit anderen führenden männlichen Glaubenspersonen (faith leaders) aufnehmen sollten, um gemeinsam Einfluss auszuüben hin auf ein nicht patriarchales Verständnis von "Männlichkeit", auch muslimische und säkulare Frauen-NGOs brachten diese Thematik in den Parallelveranstaltungen auf. Dieser Trend weist darauf hin, dass der Religion eine neue positive Bedeutung zugewiesen wird, oder wie es Ryan D. Smith, der presbyterianische Vertreter des Church Centers an der UNO, formulierte: Es geht auch um ein neues Zusammenstehen religiöser Menschen angesichts der Herausforderung von extremistischen Gruppierungen. 

Esther R. Suter

Esther R. Suter

Die evangelisch-reformierte Theologin und Pfarrerin Esther R. Suter ist Fachjournalistin SFJ/ASJ und engagiert sich bei UN Geneva als NGO-Representative for International Alliance of Women, bei UN New York als NGO-Representative for International Association for Religious Freedom und ist Vize-Präsidentin der International Association of Liberal Religious Women.