Übereinstimmung von Lehre und Leben

Am 5. Dezember 2019 verabschiedete der Bischofsrat von Sitten ein Dokument zur Lebensführung der Seelsorgenden.1 Darin wird klar formuliert, welche Beziehungen erlaubt sind und welche nicht.

Gemäss Generalvikar Richard Lehner handelt es sich bei diesem Dokument um eine im Sinne von Amoris Laetitia überarbeitete Version eines bereits bestehenden Dokuments zum internen Gebrauch. Da kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrer Aufgabe eine besondere Verantwortung übernehmen und nicht nur in ihrem eigenen Namen, sondern auch im Namen der Kirche handeln, soll ihre Lebenssituation der Ausübung ihres Dienstes entsprechen und mit den Weisungen der Kirche übereinstimmen. «Es geht uns ganz einfach um die Glaubwürdigkeit der Kirche. Wir wollen nicht Werte und Weisungen vertreten, deren Nichteinhaltung wir dann im Einzelfall ganz bewusst übersehen.»

Klare Verhältnisse

Wiederverheiratete Geschiedene könnten «normalerweise kein kirchliches Amt übernehmen bzw. müsste[n] aus dem von ih[nen] ausgeübten Dienst ausscheiden. Im Sinne des Dokumentes Amoris Laetitia von Papst Franziskus soll jeder einzelne Fall beurteilt werden (AL 298)». Wer in einer vorehelichen Beziehung lebt und keine Bereitschaft zu einer kirchlichen Eheschliessung zeigt, wird nicht zum kirchlichen Dienst zugelassen resp. aus dem kirchlichen Dienst ausgeschlossen. Dies gilt auch für Seelsorgende, die in einer ausserehelichen Beziehung leben und nicht bereit sind, ihre Lebensform zu klären, sowie für Seelsorgende, die in einer homosexuellen Beziehung leben und nicht auf diese verzichten wollen. «Wenn Priester eine feste Beziehung zu einer Partnerin eingegangen sind, die dem Zölibatsversprechen widerspricht, werden sie von der Bistumsleitung aufgefordert, ihre Situation zu klären. Sind sie dazu nicht bereit, werden sie ermahnt ihr Amt niederzulegen oder werden aus dem kirchlichen Dienst entlassen.» Auf Nachfrage, was feste Beziehungen seien, die dem Zölibatsversprechen widersprechen, antwortete Lehner: «Nun heisst aber ein zölibatäres Leben nicht, dass ein Priester keine Beziehung zu einer Frau haben darf. Wenn im Dokument von einer festen Beziehung die Rede ist, ist eine Beziehung gemeint, die dem Zölibatsversprechen widerspricht. Wie fest oder wie locker die Beziehung ist, wird im Einzelfall zu klären sein.»

Die Fragen der Lebensform und der Lebenssituation werden von den Verantwortlichen bereits während des Studiums immer wieder eingebracht.2 Bei einem Übertritt aus einem anderen Bistum wird abgeklärt, ob «in der Biografie des Seelsorgers Punkte vorliegen, die einen Einsatz verunmöglichen oder schwer erscheinen lassen». Neue kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen eine «Erklärung zu Lebenssituation und Lebensform Seelsorgender»3 unterzeichnen. Diese beinhaltet neben der Lebensform auch ein Bekenntnis zur Lehre der Kirche und zur Einheit mit dem Bischof und dem Papst.

«Das Bistum Sitten wird keine Kontrolle im Sinne von Big Brother einrichten», hält Lehner fest. «Wir vertrauen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie sich an die Weisungen der Kirche halten.» Denunziationen werden entsprechend nicht akzeptiert, es gilt die Unschuldsvermutung. Der menschliche Umgang mit betroffenen Personen ist dabei das oberste Gebot für die Verantwortlichen im Bistum. Auf die Frage, ob die Kündigung eines langjährigen beliebten Seelsorgers wegen einer homosexuellen Beziehung überhaupt möglich sei, ohne dass es zu einem Aufschrei der Gläubigen käme, meint Lehner: «Ich kann auf eine hypothetische Frage keine Antwort geben. Wenn eine Entlassung notwendig sein sollte, muss es in jedem Fall darum gehen, mit allen Betroffenen das Gespräch zu suchen.»

Im Gegensatz zum Bistum Sitten kennt das Bistum Chur kein eigenes Dokument zur Lebensführung. Gemäss Regens Martin Rohrer ist die Lebensform Gegenstand der jährlichen Begleitgespräche während der Ausbildung. Ansonsten gehe man davon aus, dass die Lehre der Kirche zu diesen Fragen bekannt sei. Von den Bistümern Basel und St. Gallen gab es leider Covid-19-bedingt keine Rückmeldungen.

Rosmarie Schärer

 

1 Dokument 5.0.2. Lebenssituation und Lebensform Seelsorgender. In diesem Dokument werden zunächst Straftatbestände und mangelnden Fähigkeiten von Seelsorgenden thematisiert. Im dritten Teil geht es um die Lebensformen der Seelsorgenden.

2 Studierende, die den Anforderungen im Bereich der Lebensform nicht genügen, werden von den Ausbildungsverantwortlichen darauf hingewiesen, dass sie kein Anrecht auf eine kirchliche Anstellung haben. Studierende, welche der kirchlichen Haltung zur Lebensform keine Bedeutung zumessen, erhalten keine Stipendien oder Darlehen vom Bistum.

3 Dokument 5.0.2.1. Erklärung zu Lebenssituation und Lebensform Seelsorgender.

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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