Türen öffnen

Bin ich da, steht meine Bürotür in der Regel offen, gehe ich weg, ziehe ich sie zu. An meiner letzten Arbeitsstelle klebte eine Postkarte an meiner Tür: «Ich bin nicht da! Bin mich suchen gegangen. Wenn ich wieder da bin, bevor ich zurückkomme, sagt mir: Ich soll auf mich warten.» Wer jemanden aufsucht – und sei es sich selbst –, wird aktiv, bricht auf, verlässt das Eigene. Damit ein Besuch zustande kommt, braucht es aber auch die andere Seite, also jemanden, der oder die zuhause ist, wartet und passiv bleibt. Denn anders als bei einem Treffen, das abgemacht ist und für das sich beide auf einen Weg machen, beginnt ein Besuch damit, dass sich die Beteiligten in bestimmte, jeweils andere Rollen hineinbegeben: dort eine Person, die sich auf den Weg macht, da eine Person, die bei sich bleibt. Natürlich gibt es auch die unerwarteten, spontanen Besuche, bei denen ich als Gastgeberin überrascht werde. Doch auch ihr Gelingen setzt voraus, dass ich da bin und meine Türe offen steht bzw. geöffnet wird.

Die kürzeste Formel für Weihnachten sind vielleicht die beiden Worte: «Gott kommt.» Wir treffen Gott an Weihnachten nicht irgendwo «draussen», an einem besonderen, an einem besonders heiligen Ort. Gott kommt dahin, wo wir sind: in unsere Realitäten, in unseren Alltag, in unser Zuhause. Genau hier auf Gott zu warten, ist möglicherweise herausfordernder, als an einen bestimmten, «neutralen» Ort hingehen zu können. Doch darin, dass Gott sich als Besuch ankündigt, liegt auch eine grosse Verheissung: Alles, was ich bin und was ich habe, darf ihn empfangen. Ich muss vorher kein bestimmtes Ziel erreichen, sondern darf ganz bei mir sein und Gott erwarten.

Mehr braucht es für diesen Besuch nicht, als dass ich da bin und meine Türe für den Gast offen halte. Der Adventskalender mit seinen 24 Türchen mag mich darin unterstützen: Mit jedem Türchen, das ich öffne, vergegenwärtige ich mir meine eigene Türe – und was sich so alles dahinter zeigt.

Isabelle Senn


Isabelle Senn

Dr. Isabelle Senn (Jg. 1985) studierte Theologie in Freiburg i. Ü., Maynooth (IRL) und Münster (D). Sie ist Mitarbeiterin auf der Fachstelle Bildung und Propstei der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau.