«Solo, aber nicht ohne …»

Alleinstehende, modern gesprochen Singles, kommen im Wortschatz der Kirche nicht oft vor. Das Erzbistum Köln hat diese Leerstelle entdeckt und das Referat «Singlepastoral» geschaffen.

(Bild: rawpixel.com)

 

Unter dem Titel «Solo, aber nicht ohne …» bot die Abteilung Erwachsenenseelsorge im Erzbistum Köln im Mai 2017 ein erstes Wander- und Austauschwochenende für Singles im Kloster Steinfeld (Eifel) an. Für die 15 zur Verfügung stehenden Plätze meldeten 45 Personen ihr Interesse an, 40 Frauen und 5 Männer.

Endlich wahrgenommen

Angebote für Singles in der katholischen Kirche sind also gefragt, wobei die Teilnehmenden (12 Frauen und 3 Männer) hier eher katholisch sozialisiert waren, das heisst, es waren Personen, die zum Teil ehrenamtlich in Gremien oder Verbänden mitarbeiten bzw. (wenn auch unregelmässig) an den Sonntagsgottesdiensten teilnehmen. Darunter waren auch Witwen, Geschiedene und alleinerziehende Mütter und Väter. Das Wochenende bot Zeit und Raum für den Austausch über die Lebensform, gefolgt von einem Wandertag (ca. 15 Kilometer) mit spirituellen Impulsen bis hin zu einem anregenden Gang durch ein Labyrinth und der Möglichkeit der sonntäglichen Eucharistiefeier. Die Resonanz insgesamt war sehr gut – mit dem Wunsch nach Fortsetzung.

Dass Angebote für Singles seitens der Kirche gefragt sind, zeigte auch das Interesse an zwei Veranstaltungen am Katholikentag in Münster (Mai 2018). Zu einem Workshop mit dem Ziel von Austausch und Begegnung drängten sich so viele Personen, dass der Platz nicht ausreichte. Äusserungen wie «Endlich sieht die Kirche auch uns» und «Bisher gab es nie etwas nur für Singles» waren häufig zu hören.

Singles als defizitäre Menschen?

Den Bereich der «Singlepastoral» gibt es im Erzbistum Köln seit dem 1. Oktober 2016 mit dem Ziel, diese wachsende Gruppe in der Gesellschaft stärker in den Blick zu nehmen. Hierzu zählen wir sowohl die sogenannten «klassischen» Singles, d.h. diejenigen, die immer schon ohne Partner gelebt haben, als auch Verwitwete, Geschiedene und Alleinerziehende. Untersuchungen zeigen, dass diese Personengruppen eher kirchenfern sind: Etwa 75 Prozent der Männer und 50 Prozent der Frauen haben keinen Bezug zur Kirche oder  zu einer Gemeinde und wollen ihn auch oft nicht. Das hat viele Gründe: Zum einen legt die katholische Kirche ihren pastoralen Schwerpunkt eher auf Familien, Paare, Kinder, Jugendliche und alte Menschen. In dem Zusammenhang fehlen für Alleinlebende die «Anknüpfungspunkte» wie z.B. Hochzeit, Taufe und Erstkommunion.

Zum anderen werden sie in den Gemeinden oft nur als «Arbeitskräfte» für Veranstaltungen gesehen oder angesprochen: Da sie alleinstehend seien, hätten sie ja genügend Zeit zum Mittun. Selbst wenn diese Bemerkung nicht abwertend gemeint ist, fühlen sich Singles dadurch zweitklassig. Dieses Empfinden wird noch verstärkt durch «gut gemeinte» Bemerkungen von Gemeindemitgliedern wie etwa: «Wie, du bist noch Single? Da kommt bestimmt noch jemand!» Oder: «Was ist los mit dir, dass es nicht klappt?» Das fördert bei ihnen ein Gefühl von «Defizit» – ihnen «fehlt ja was». Und das, wo sich Alleinlebende oft nichts sehnlicher wünschen als Partnerschaft und Familie. Somit ist Rückzug die Folge.

Mangelnde Wertschätzung von Singles in ihrer Lebensform zeigt sich auch darin, dass sie in Fürbitten, weiteren liturgischen Texten und kirchlichen Verlautbarungen keine eigene Erwähnung finden.

Die Bibel ganzheitlich sehen

Eine Studie aus dem Jahr 2015 zum Thema «Single sein in der Gemeinde» von Beatrice Balmer1 führt dazu aus, dass im Neuen Testament durch Jesus und Paulus die Ehelosigkeit als nicht weniger wertvoll betrachtet wird als die Ehe. «Ehelosigkeit», so schreibt sie, «kann ein kraftvolles Zeugnis für das Evangelium sein, wenn sie positiv angesehen wird, als Ausdruck dafür, dass Christus genügt.»2 Jedoch, so die Autorin weiter, «stelle ich fest, dass nicht alle Gemeinden die biblische Sicht von Ehelosigkeit kommunizieren und längst nicht alle Singles ihre Lebensweise als von Jesus zeugend, erstrebenswert oder auch nur gleichwertig wie die Ehe empfinden»3. Und «Problemfelder mit Singles und Gemeinde treten da auf, wo nicht diese ganzheitliche biblische Sicht vertreten wird»4. Ob und inwieweit Singles jedoch «ihre Lebensweise als von Jesus zeugend (und) erstrebenswert» empfinden, bleibt offen.

Was bedeutet «nicht allein»?

Singles sind ein ständig wachsender Teil unserer gesellschaftlichen Realität, besonders in den grossen Städten. In Köln zählt die Statistik ca. 40 Prozent Einpersonenhaushalte (wobei diese Personen nicht unbedingt alle Singles sind). Singles wieder oder neu für Glaubensfragen und Kirche zu motivieren, ist nicht leicht. Dazu braucht man einen «langen Atem», sagt Astrid Eichler (Berlin), evangelische Theologin und Geschäftsführerin der Initiative «solo und co», seit mehr als zehn Jahren in der Singlearbeit tätig. Sie betont, dass der biblische Satz «Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt» (Gen 2,18) nicht heisse, dass Gemeinschaft ausschliesslich Partnerschaft oder Ehe bedeute, die Aussage sei weiter zu fassen. Auch Wohngemeinschaften oder enge Freundschaften bilden Gemeinschaft. Dies als Kirche zu kommunizieren und der Lebensform «Single» damit deutlich und sichtbar eine eigene Wertschätzung entgegenzubringen, könnte hilfreich sein, diese Personengruppe in den pastoralen Räumen zu integrieren.

Konkrete Wege in der Pastoral

Der Weg kann zunächst über separate Angebote für Singles gehen, die ihrerseits den Austausch unter ihresgleichen suchen. Wochenenden wie das zu Beginn beschriebene sind eine Möglichkeit, daneben aber auch andere Angebote im Freizeitbereich – gerne mit aktivem Tun. Als Abteilung «Erwachsenenseelsorge» planen wir für 2019 Pilgertage für Singles und ein Wochenende zum Stichwort «Berufung» – mit der Frage dahinter: Wie sieht meine Berufung als Single aus? Zudem denken wir darüber nach – ähnlich dem Gottesdienst am Valentinstag für Paare – für Singles einen jährlichen Gottesdienst mit Segnung zu einem festen Datum ins Leben zu rufen. Weitere Ansätze suchen wir durch mögliche Kooperationen mit geistlichen Gemeinschaften in den Städten, mit Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen und den Bildungswerken im Bistum.

Zweigeteilt vorzugehen erscheint hilfreich: zum einen konkrete Angebote für Singles zu machen, an denen sie (unverbindlich) teilnehmen können, aber ihnen auch die Möglichkeit und Räume zu eröffnen, in Selbstorganisation Dinge zu planen und durchzuführen. Dies betrachten wir jedoch nur als einen ersten Schritt.

Den Menschen sehen

«Heute Kirche sein. Kirche von heute sein. Kirche für heute sein.» Kardinal Rainer Maria Woelki hat unter dieser Überschrift den «Pastoralen Zukunftsweg» für das Erzbistum Köln initiiert. Was heisst das für uns im Bezug auf Singles? Es heisst, dass wir sie nicht nur verstärkt in den Blick nehmen möchten, sie kennenlernen, ihre Lebensform wahrnehmen und wertschätzen und sie in den Gemeinden willkommen heissen möchten. Es geht dabei auch um eine Änderung der Haltung. Es geht darum, den Menschen, so wie er ist, in den Vordergrund zu rücken, seine Gaben und Fähigkeiten zu entdecken und zu fördern und nicht mehr den «Stand» der Person zu fokussieren. Wir wollen eine Gemeindeentwicklung dahin gehend verstärkt initiieren, dass alle Personengruppen gleich gewürdigt werden und dazugehören, hier einen Platz haben und willkommen sind. Dass sie ihren Glauben und ihre Hoffnungen miteinander leben und teilen und Gemeinschaft erfahren.

Hedwig Lamberty

 

1 Balmer, Beatrice, Single sein in der Gemeinde», IGW – Theologie für die Praxis, Zürich 2015, siehe Bonus.

2 Ebd. 11 f.

3 Ebd. 12.

4 Ebd. 21.

Informationen zur Single-Pastoral der Erzdiözese Köln unter www.erzbistum-koeln.de


Hedwig Lamberty

Dr. theol. Hedwig Lamberty (Jg. 1957) ist seit 2016 Referentin für Singlepastoral im Erzbistum Köln.

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

Dokumente