«So werden aus Fremden gute Bekannte»

Die Diözesane Liturgische Kommission (DLK) des Bistums Basel arbeitet an einer neuen Arbeitshilfe. «Willkommenskultur» ist das Thema. Über deren Wirkungen auf das Pfarreileben sprach die SKZ mit dem Präsidenten der Kommission, Christian Kelter.

Christian Kelter (Jg. 1969) liess sich zum Bankkaufmann ausbilden und studierte anschliessend Theologie und Philosophie in Bonn und Innsbruck. Er ist seit 2000 im pastoralen Dienst und seit 2005 als ständiger Diakon Leiter der Pfarrei Heilig Geist in Hünenberg. (Bild: zvg)

 

SKZ: Herr Kelter, wie kamen Sie auf das Thema der Willkommenskultur?
Christian Kelter: Unter dem Eindruck der Coronakrise haben wir überlegt, was wir in dieser Zeit gelernt haben. So belastend die Situation in unseren Gemeinden war, wir konnten doch auch Neues entdecken, was funktioniert und sich lohnt, es weiter zu entwickeln. Da war z. B. die Erfahrung, dass der notwendige Türdienst von vielen Menschen als Bereicherung erfahren wurde. Die «Schwelle» für den Eintritt in den Gottesdienst in jeder Hinsicht niedrig zu machen, das ist mit einem Willkommensteam wirkungsvoll möglich. Für die neu zusammengesetzte DLK war schnell einmal klar: Wenn wir über Liturgie nachdenken möchten, dann müssen wir an der Kirchentüre anfangen. Bis Ende des Jahres möchten wir eine Arbeitshilfe zum Thema «Willkommenskultur» vorlegen.   

Welche Erfahrungen machen Sie mit der Willkommenskultur in der Pfarrei Hünenberg?
Die neue gelebte Willkommenskultur trägt viel zu einer besseren Atmosphäre in unseren Gottesdiensten bei. Ein freundlicher Blick, ein kleiner Schwatz, eine kurze Information, der Hinweis, dass heute aus dem Liederordner gesungen wird, das überwindet Scheu und verringert Hemmungen. Teilnehmende und Willkommensteam berichten jeweils positiv, ja geradezu freudig von ihren Erfahrungen. Das spüren wir auch als Liturgen. Da ist plötzlich mehr Offenheit und eine verstärkte Bereitschaft zur aktiven Teilnahme im Gottesdienst da. Weil bereits beim Eintritt allfälliges «Eis» gebrochen wurde. Es ist nicht übertrieben zu sagen: So werden aus Fremden nach und nach gute Bekannte.  

Auch ich fand es schön, während der Pandemie an der Kirchentüre begrüsst zu werden und oft bekannte Gesichter zu sehen. Worin sehen Sie das Potenzial für Pfarreien?
Willkommenskultur vermittelt ja eine christliche Grundbotschaft: «Du bist gesehen! Ich nehme dich mit deinen spezifischen Bedürfnissen wahr! Schön, dass du da bist! Für dich ist hier Platz!» Das schafft neue Beziehungen. Und mehr Beziehungen führen zu lebendigerer Gemeinde. Unsere Kirche, unsere Gemeinde, wird so zu einem besseren Ort.

Inwieweit gibt es Kritik? Oder: Wo liegen die Stolpersteine?
Kritik gab es nie. Es war allerdings eine Herausforderung, den ursprünglichen Ordnungsdienst in ein Willkommensteam zu wandeln. Zertifikate zu überprüfen war eine konkrete Aufgabe. Plötzlich galt es nur noch nett zu sein. Schnell haben wir dann aber gelernt, dass Freundlichkeit auch immer konkret ist. Die Familie auf die
Kinderecke aufmerksam zu machen, den Herrn mit der Gehhilfe günstig zu platzieren oder jemandem einfach zu sagen: «Schön, dich zu sehen.», das ist doch dann viel sympathischer, als pingelig bis fünfzig zu zählen.

Das Thema dieser Ausgabe lautet «Kirchenerneuerung durch Gottesdienst». Was braucht es, damit dies gelingen kann?
Ich glaube, dass allein Christus seine Kirche erneuern kann. Dann ist aber der Gottesdienst tatsächlich ein prädestinierter Ort. Und wir Getauften können hier durchaus für gute Rahmenbedingungen sorgen. Das Wort von der Partizipation ist jetzt in aller Munde. Für mich heisst Partizipation: Menschen verstehen, dass es ihr Gottesdienst ist, dass sie da vorkommen mit dem, was ihnen wichtig und heilig ist. Gottesdienst ist Gottesdienst der ganzen Gemeinde und nicht nur der Hauptamtlichen. Jede und jeder hat seine Berufung. Jede(r) ist willkommen und eingeladen, ihr/sein Eigenes einzubringen. Dazu zählt der Willkommensdienst genauso wie die vielen möglichen liturgischen Dienste, die Kirchenmusik, die Gestaltung des Raums usw. Weil, das ist doch klar: Wer sich willkommen weiss, wer spürt, gefragt zu sein und gebraucht, der ist von vorne herein präsenter – auch für die Begegnung mit Christus. Und noch einmal: Irgendwo müssen wir anfangen. Ich meine, die Kirchentür ist dafür ein geeigneter Ort.  

Interview: Maria Hässig