SKZ ab 2018 – ein Sprung ins kalte Wasser

Mit dieser Ausgabe nehmen wir nun also Abschied von der «alten» SKZ. Seit 1999 erschien sie im Outfit, das Sie, liebe Lesende, hier letztmals sehen.

Dem Schreibenden, seit April 1996 Mitglied der Redaktionskommission und somit Mitinvolvierter in das letzte Drittel der «Ära Rolf Weibel» und die gesamte Spanne des Wirkens von Urban Fink, wurde von der Herausgeberkommission die Aufgabe anvertraut, Worte zu Abschied und Übergang zu formulieren. Als einzig verbleibendes Mitglied der bisherigen Redaktionskommission im neuen Gremium nimmt er die Aufgabe mit einer gehörigen Portion Respekt entgegen, gilt es doch, das zu wagen, was unmöglich erscheint: der Zukunft aufgrund der bisherigen Geschichte und auf hypothetischer Grundlage ein Gesicht zu geben.

Wenn das kirchliche Personal sein Gesicht so radikal verändert

1832 hätte niemand auch nur im Geringsten vermutet, dass die Zahl der Priester (die Erstadressaten der SKZ) im 21. Jahrhundert auf einen so tiefen Level absinkt, dass gerade noch die Bischofsleitungen, die Domkapitel und alle Dekanenposten mit einheimischem Personal besetzt werden können. Es hätte auch niemand vermutet, dass aufgrund stattlicher Kirchensteuer-Eingänge in den Deutschschweizer Diözesen daneben aber der gesamte Personalbestand auf hohem Niveau mit nicht geweihten Mitarbeitenden aller möglichen Ausbildungsgänge gehalten werden konnte.

Wenn nun denn ein auf dieses Personal ausgerichtetes «Fach- und Amtsblatt» Leserschaft und Interesse finden will, so ist – das war der Steuerungsgruppe, die im Auftrag der DOK in den Jahren 2016 und 2017 ein neues Konzept zu erarbeiten hatte, sehr klar – ein Neuansatz unabdingbar. Er wurde so formuliert, dass die «neue SKZ» ihr theologisch-wissenschaftliches Grundgesicht zwar wahren soll, es aber den Lesegewohnheiten des Menschen der Multimedia-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts anzupassen ist, was konkret heisst: keine überlangen Artikel mehr, nicht allzu viele Fussnoten, keine akademisch abgehobene Sprache, zudem ausgerichtet auf die vielen Ausbildungsgänge des Kirchenpersonals, d. h. mehr Infos und Hilfestellungen für Religionspädagogen, Jugendarbeitende und weitere Kreise.

Dieser Neuansatz spiegelt sich wider sowohl in der Aufteilung der Redaktionsverantwortung auf ein Team von Journalistinnen, von denen eine ganz bewusst keine theologische Herkunft ausweist, wie auch in der Zusammensetzung der neuen Redaktionskommission. Man(n) mag es bedauern, dass die Zeit vorbei ist, in der x-seitige Artikel aus kompetentem Munde (nun sogar in Rom angekommen) mit üppigem wissenschaftlichem Apparat publiziert werden, man(n) wird beklagen, dass sowohl die theologische wie die historische Detailkenntnis ausbleiben, doch es gilt einfach dies: Eine Publikation für wenig hundert Fachtheologen wäre im Aufwand wie im Defizit nicht haltbar gewesen.

Wenn es gilt, neu entstandene und schmerzhafte Gräben zu überbrücken

Auch hätte 1832 niemand vermutet, dass die katholische Welt sich derart chaotisch-vielfältig und in wichtigen Grundsatzfragen geradezu kontradiktorisch, sich gegenseitig ausschliessend darstellen würde, wie sie es heute im Gefolge der Umwälzungen des Zweiten Vaticanums, der Neuinterpretation des Bischofsamtes (neuerdings auch des Amtes des Bischofs von Rom …) und der durch die «unkatholische» Unsicherheit, die sich so eingeschlichen hatte, entstandenen neokonservativen Strömung tut. Der erratische Block-Katholizismus bietet heute über 60 Jahre nach Abschluss den Konzils kein viel anderes Gesicht, als die gewaltige Vielfalt der evangelischen Kirchen und Religionsgemeinschaften es tut. Man mag dies bedauern, man kann auch dem Schweizer «Ghetto- Katholizismus» (U. Altermatt) nachtrauern.

Die Entwicklung scheint mir aber unumkehrbar. Die Neuzeit ist mit voller Wucht auch in unser System eingebrochen, wir haben mit ihr zu leben. Denn sie hat Wertvolles gebracht: die Erkenntnis, dass es gerade im Feld der Religion keine unabänderliche und ewige Wahrheiten gibt, sondern dass nichts so nottut wie Diskurs und Dialog. Steuerungsgruppe und Bischöfe geben der «neuen SKZ» darum als eine ihrer wichtigsten Aufgaben mit: «Entscheidend für den Erfolg und die Glaubwürdigkeit der SKZ ist, dass ein breites Meinungsspektrum Platz hat und verschiedene Positionen miteinander ins Gespräch kommen» (Grusswort meines Diözesanbischofs Markus Büchel, SKZ 2017/48, 634).

Mir scheint dieser Ansatz einerseits faszinierend und spannend – die SKZ so etwas wie eine katholisch-literarische Variante des Formats «Arena» unseres Fernsehens SRF –, andrerseits aber auch eine gewaltige Heraus- und irgendwie auch Überforderung. Wie sollen denn Menschen, die immerhin alle derselben Heiligen Schrift und dem demselben Apostolikum verpflichtet sind, kontradiktorisch, streitlustig und gleichzeitig der Gegenseite gegenüber tolerant ins Gespräch kommen können, wenn wir doch wissen, dass der Fundamentalismus nirgendwo so tief gründet und wütet wie im Feld der Religion? Vielleicht aber ist genau diese Frage auch eine Hoffnung für den anstehenden und lebensnotwendigen Dialog zwischen Christentum, Judentum und Islam.

Wer nichts wagt, der nichts gewinnt

Was wären denn nun die Alternativen gewesen angesichts dieser Herausforderungen? Die SKZ sehenden Auges einem sanft schrumpfenden Sterben zu überlassen und damit einzugestehen, dass wir kapitulieren müssen angesichts all dieser Vielfalt, dass sie uns eben überfordert? Ich würde gerne Bischof Leonhard Haas in den geistigen Ring rufen, ebenso gerne die Gründerväter der Neuzeit, Karl Schuler und Bischof Ivo Fürer, um zu hören, was denn sie uns geraten hätten.

Lassen Sie, liebe Lesende, sich überraschen vom neuen Format, steigen Sie nun selber in den Ring des Diskurses und der Diskussion, denn Lesermeinungen und Leserbriefe sind nun äusserst erwünscht. Bedenken wir alle, was uns der meines Erachtens wichtigste Pastoraltheologe unserer Zeit, Paul Michael Zulehner, mit auf den Weg gegeben hat: In Krisen- und Umbruchzeiten kann man zweierlei, entweder den Untergang verwalten oder den Übergang gestalten. Die «neue SKZ» ist ein Versuch, Übergang zu gestalten, ein grosses – auch quantitativ-materiell gedacht – Wagnis, das schliesslich an den Abonnentenzahlen gemessen werden wird.

Deshalb: «Ad multos annos», so wünscht uns Urban Fink. Damit es nicht beim Wunsch bleibt, gilt es nun, die Ärmel hochzukrempeln, die Versuchung zum allzu Elitären abzulegen und sich in die breite Vielfalt aller kirchlichen Niederungen zu begeben. Und vielleicht finden wir sie dann doch wieder: den Schatz im Acker, die wertvolle Perle, in einem spannenden Artikel, in einem engagierten Votum, im gefundenen Kompromiss, in der erhellenden Vielfalt, was Denken alles möglich macht.