«Sie, was schaffid Sie jez genau?»

Die Geschichten der Bibel begleiten meine Arbeit und mein Leben, eine jedoch besonders: Die Segnung der Kinder1 hat für mich als Mutter und Religionspädagogin eine ganz praktische Bedeutung.

Täglich erlebe ich, wie offen, herausfordernd und doch ohne Vorurteile meine Tochter mit dem Leben umgeht. Wie sie die kleinen Dinge, die uns «Erwachsenen» oft verborgen oder sogar verloren sind, mit einer grossen Neugier und Freude entdeckt. Sie stellt Fragen, die bei genauem Hinhören viel vom Leben erzählen. Auch durch diese Neugier entdecke und erfahre ich die unendliche Liebe Gottes zu uns Menschen, ja das Reich Gottes ganz konkret hier, in meinem Leben. Gott ist für uns ALLE Mensch geworden. Das ist ein wunderschöner Gedanke, der gepflegt werden soll, den ich ganz persönlich pflegen will: Mensch, DU bist gemeint.

Ausbildung und Beruf

Mein Beruf als Religionspädagogin ist vielseitig und wird durch die Begegnungen mit Menschen aller Altersklassen, aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und Orten nie eintönig. Nach der Geburt meiner Tochter suchte ich innerhalb des weiten Feldes Theologie und Kirche nach einer für mich sinnvollen und herausfordernden Ausbildung, in der ich meine Fähigkeiten und Interessen einsetzen und umsetzen kann. Die Jahre des Studiums am Religionspädagogischen Institut (RPI) waren nicht nur trockene Studierstunden, sondern für mich auch Lebensschule und ein Neu-Entdecken von Glaube und Theologie. Die eingangs erwähnte Bibelstelle begleitet mich in meiner Arbeit, sei dies, wenn ich mit jungen Erwachsenen auf ihrem Firmweg unterwegs bin, wenn ich mit einer Schulklasse das Kirchenjahr erarbeite, wenn ich mit jungen Erwachsenen auf einer Romreise die Geschichte der römisch-katholischen Kirche entdecke oder wenn ich mit Familien den Kreuzweg gehe. Immer sind es Menschen, die gemeinsam unterwegs sind, mit ihren Fragen, Zweifeln, Überzeugungen, ihrem Interesse und ihrem Leben. Das macht meine Arbeit so spannend und wertvoll.

Leben und Beruf

Engagiert sein als Religionspädagogin ist nicht etwas, das man beim Schliessen der Büro-, Schulzimmer- oder Kirchentüre ablegt. Schon vor meinem Studium am RPI musste ich immer wieder erklären, warum ich dieses Engagement auf mich nehme. Bekannte und Freunde wunderten sich über meine Berufswahl und wollten wissen, was dieser Beruf «Religionspädagogin» denn genau ist. Daraus ergaben und ergeben sich viele spannende Diskussionen, die weit über das Erklären des konkreten Berufsbildes hinausgehen und die sehr fruchtbar sind, für mich als Mensch und für meine tägliche Arbeit.

Grenzen und Chancen als Religionspädagogin

Der Beruf «Religionspädagogin» ist meiner Erfahrung nach innerhalb der katholischen Kirche in der Schweiz (noch immer) nicht ausreichend bekannt; teilweise sogar bei Menschen, die schon lange in der Kirche tätig sind, sei dies als Pastoralassistent, als Priester, als Theologin. Auch innerhalb der verschiedenen Bistümer werden Beruf und Ausbildung zur Religionspädagogin je anders ausgelegt oder aber es gibt ihn so gar nicht. Dies zeigt mir die Grenzen meines Berufes und meiner Berufung auf. Die Anerkennung meiner Ausbildung und dessen, was ich in meiner Arbeit leiste und gerne mache, wird manchmal zu wenig gewürdigt. Diese Erfahrung erschwert ab und an meine Arbeit. Auch das private Umfeld leidet manchmal, meist unter den unregelmässigen Arbeitszeiten. Als alleinerziehende Mutter ist es nicht immer einfach, mich und meine engagierte Arbeit mit den Menschen in der Pfarrei zu vereinbaren und allen Seiten gerecht zu werden. Trotz vieler Bemühungen auf den verschiedenen Seiten ist noch einiges an Unverständnis und manchmal wenig Wohlwollen vorhanden – oft da, wo man es am wenigsten erwartet. Die breit gefächerte Ausbildung zur Religionspädagogin eröffnet der Kirche vor Ort viele Chancen: In der Schule habe ich die Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern Raum zu geben für ihre Fragen, ohne dass sie eine Leistung erbringen müssen, ohne Notendruck. Mit der Ausbildung am RPI geht diese Möglichkeit über das Schulzimmer hinaus: zum Unterwegssein mit Jugendlichen, Familien, Erwachsenen. Ich habe Raum, meine Fähigkeiten und mein Feuer dort einzusetzen, wo sie fruchtbar sein können. Dieses Feuer und die Liebe zu den Menschen, das in den Geschichten der Bibel erfahrbar ist, das ist die Basis für meine Arbeit und für mein Leben.

 

1 «Da brachte man Kinder zu ihm, damit er sie berühre. Die Jünger aber wiesen die Leute zurecht. Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.» (Mk 10,13–16, EÜ)

Mirjam Koch

Mirjam Koch arbeitet als Religionspädagogin in der Pfarrei St. Leodegar im Hof, Luzern