Religionspädagogin – Religionspädagoge

Was die klassischen Katechetinnen und Katecheten anbelangt, sehen wir das (Berufs-)Bild heute noch vor uns: In einem Schulzimmer – meist in den «katholischen Stammlanden» – unterrichteten am damaligen KIL ausgebildete Lehrpersonen katholischen Religionsunterricht.

Sie reihten sich in eine würdige Tradition ein, denn Katecheten gab es schon in der frühen Kirche. Das Berufsbild «Lehrer» wurde ergänzt durch die Kompetenz, Schülergottesdienste zu gestalten. Dieses klassische Bild wurde von neuen Bildern überlagert. Der Beruf hatte auch die Diaspora erreicht. Das Schulhaus wurde als Lernort vom Pfarreizentrum abgelöst. «Von Kanton zu Kanton verschieden» traf zunehmend auch für das Berufsbild von Katecheten und Katechetinnen zu. Sie übernahmen zusätzlich die Präses-Funktion in den pfarreilichen Jugendgruppen, betreuten offene Jugendtreffpunkte und gestalteten sonntägliche Familiengottesdienste.

Dort, wo die Firmung nicht mehr am Ende der Primarschule stattfand und sich die Grenzen zwischen Katechese und Jugendarbeit zu verwischen begannen, wurden sie oft Hauptverantwortliche der Firmvorbereitung. Dies galt besonders für die Firmung 17+. Zunehmend sind sie heute in Rom und Assisi anzutreffen, wenn sie nicht gerade im Gebirge oder auf einem Segeltörn mit Jugendlichen sind – alles im Rahmen der Firmvorbereitung.

Zu neuen Aufgaben herangezogen

Manchmal werden sie auch zu Aufgaben herangezogen, für die sie nicht ausreichend ausgebildet sind: Aufgaben wie Predigen, Beerdigen oder in der pfarreilichen Krankenseelsorge. Da sie aufgrund ihrer Ausbildung über eine gute rituelle Kompetenz verfügen, ergeben sich Grenzüberschreitungen unter dem Druck des Personalmangels oft automatisch. Das Berufsbild wird so überlagert durch Elemente von anderen Berufsbildern.

Aus den einstigen Katechetinnen und Katecheten sind Allrounder geworden in allen (religionspädagogischen) Tätigkeitsfeldern auf der Pfarreiebene. Unter ihnen die wichtigsten: schulischer Religionsunterricht, konfessioneller schulischer und ausserschulischer Religionsunterricht, Gemeindekatechese, Erwachsenenbildung, Liturgiegestaltung, kirchliche Jugendarbeit. Es war lediglich eine Frage der Zeit, bis diese komplexeren Anforderungen in der Struktur und im Ausbildungskonzept des Katechetischen Instituts Luzern ihren Ausdruck fanden.

Welche Berufsbezeichnung?

Die Aufforderung zum Wechsel der Berufsbezeichnung von «Katechet/Katechetin» zu «Religionspädagoge/Religionspädagogin» kam 1995 von den Studierenden des KIL. «Katechet/Katechetin» war für sie kein Begriff mehr, auf dem sich ihre Berufsidentität aufbauen liess. Immer wieder hatten die KIL-Diplomierten Mühe, z. B. bei Anstellungsgesprächen mit Kirchenräten, ihr

spezifisches Berufsbild verständlich zu machen. Erst zehn Jahre später wurde am RPI die Berufsbezeichnung geändert.

Damit sollte auch das Berufsbild der RPI-Diplomierten von den «nebenamtlichen Katechetinnen» wie sie damals (mit diskriminierendem Beigeschmack) genannt wurden, abgegrenzt werden. Die Bezeichnung «Religionspädagogin» (als religionspädagogische Allrounderin) im Unterschied zur «Katechetin» (als Lehrperson für konfessionellen Religionsunterricht) schien damit zum Befreiungsschlag zu werden, um Licht in den kirchlichen Anstellungsdschungel zu bringen und so auch den Anstellungsbehörden ihre Arbeit zu erleichtern.

Von wem ist die Rede?

Der Befreiungsschlag ging aus zwei Gründen ins Leere: Zum Ersten weigerte sich das Bistum Basel die neue Bezeichnung zu übernehmen. Dieses hielt an der Berufsbezeichnung «Katechet / Katechetin» fest, ergänzt durch das Anhängsel RPI. Begründet wurde dies durch die altehrwürdige, kirchengeschichtlich belegte Tradition. Das Bistum St. Gallen schloss sich dem an. Das Bistum Chur tat sich da leichter und übernahm die Neuerung. Zum Zweiten bezeichneten sich auch «nebenamtliche Katechetinnen» als Religionspädagoginnen. Schliesslich ist der Titel ohne den Zusatz «dipl.» nicht geschützt. Die Begründung ist evident: «Religionspädagogik» ist sogar im säkularen Umfeld nicht erklärungsbedürftig. Da können sich alle etwas darunter vorstellen. «Katechese» wird schlicht nicht verstanden. Das merkten auch einige katechetische Arbeitsstellen, die sich flugs in «religionspädagogische Arbeitsstellen» umbenannten. Wenn auch Jugendseelsorgestellen diesen Schritt gemacht hätten, hätten sie sich mit den einstigen katechetischen Arbeitsstellen darüber streiten können, wo mehr Religionspädagogik drin sei und wer auf kantonaler Ebene den Titel führen dürfe.

Momentan ist das Chaos perfekt. Sei es in den Pfarrblättern oder auch bei Stelleninseraten: Man muss genau lesen, um zu eruieren, von wem die Rede ist: Ist es eine religionspädagogische Allrounderin oder eine Lehrperson für konfessionellen Religionsunterricht? Eine Klärung ist hier notwendig und wäre für alle Beteiligten hilfreich, angefangen bei unseren Studierenden bis hin zu den kirchlichen Verantwortlichen und den Anstellungsbehörden. Ein geklärtes, identitätsstiftendes Berufsbild setzt geklärte Begriffe voraus.

Hunger nach Theologie

Man kann aber die Frage des Berufsbildes auch anders angehen, in dem man die Frage stellt, ob es eine Berufung zum Religionspädagogen gebe? Aus meiner langjährigen Erfahrung als Studienleiter des RPI würde ich das eher verneinen. Wer im Aufnahmeverfahren ans RPI ist, spricht nicht von einer Berufung zum Religionspädagogen, sondern von einer Berufung zum kirchlichen Dienst. Damit öffnet sich das Berufsbild wieder auf alle pfarreilichen pastoralen Tätigkeiten hin, welche im Laufe eines Berufslebens angezielt werden.

Die meisten haben eine klare Vorstellung von dieser kirchlichen Berufung. Junge Erwachsene, die sich bisher ehrenamtlich engagiert haben, wollen nun Vollzeit für die Kirche tätig sein. Wer bereits Teilzeit gearbeitet hat, will sich professionalisieren. Gemeinsam ist heute den meisten, dass sie ihre spätere Berufstätigkeit vor allem im Umfeld einer Pfarrei sehen und weniger an einer Schule. Vor zwanzig Jahren war dies noch anders, da verstanden sich viele als Lehrerinnen und Lehrer. Die zunehmende Distanzierung der Schule von der Kirche hat hier nachweislich einen Einfluss auf Motivation und Berufsbild der Studierenden.

Was unsere Studierenden ebenfalls auszeichnet, ist ein Hunger nach Theologie. Man kann daher eher von einer Berufung zu jenen kirchlichen Diensten sprechen, die eine solide theologische Ausbildung beinhalten. Schliesslich ist das RPI für Maturalose die einzige Möglichkeit, zu einer staatlich anerkannten theologischen Ausbildung zu bekommen.

In diesem Sinne kann man die religionspädagogische Ausbildung als «Starter Kit» für den kirchlichen Dienst bezeichnen. Wozu unsere Diplomierten wirklich berufen sind, zeigt sich erst einige Jahre nach dem Studienabschluss. Da finden wir tatsächlich einige, die Religionspädagoginnen geblieben sind. Andere haben sich in den Bereichen Jugendarbeit oder Katechese zusätzlich qualifiziert und leiten entsprechende Arbeitsstellen. Wir finden auch jene, die sich doch für die Schule entscheiden: Sie haben mit dem Master in Religionspädagogik den Zugang zum Höheren Lehramt erreicht. Nicht wenige machen den Master in Theologie und werden Pastoralassistenten und Gemeindeleiterinnen. Und immer wieder gibt es auch höhere Weihen: Ständige Diakone und Priester.

Was schmerzlich fehlt, ist eine Nachfolgeinstitution des dritten Bildungsweges: eine praxisorientierte Weiterbildung, die auch methodisch an das RPI anschliesst und nicht ein bischöflicher Sonderweg als abgespecktes akademisches Theologiestudium.

 

Markus Arnold (Bild: reformiert.info)

Markus Arnold

Dr. Markus Arnold ist Studienleiter und Ethikdozent am Religionspädagogisches Institut (RPI) der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.