Scharmützel in Rom

Dass grosse Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen, zeigt sich jetzt sehr positiv vor der Familiensynode. Erzbischof Vincenzo Paglia, der Präsident des Päpstlichen Familienrates, freut sich, dass es im Blick auf das bedeutende vatikanische Treffen so lebhafte Debatten gibt. Denn da geht es ja um brisante Themen, die gerade ihm am Herzen liegen.

Nach der "ausserordentlichen" Bischofssynode zu "Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute" im Herbst 2014 nun also bald die "ordentliche", wichtigere Synode. Wiederum mit den Präsidenten der 114 nationalen Bischofskonferenzen und zudem aus den meisten Ländern mit dem für Familienfragen zuständigen Oberhirten, aus der Schweiz mit dem Sittener Bischof Jean-Marie Lovey.

Ebenfalls von Amtes wegen sind die 25 Leiter von Kurienbehörden präsent; hinzu kommen etliche vom Papst eingeladene Synodale, viele Experten – aber auch (passend zu einer Familiensynode) ein Dutzend Ehepaare. Fast täglich melden sich Kardinäle, Bischöfe oder Theologen zum einen oder anderen Aspekt zu Wort. Die Schweizer Bischofskonferenz erklärte: Es gehe darum, die Distanzierung vieler Katholiken von ihrer Kirche in den Fragen von Partnerschaft, Ehe und Familie zu überwinden. Bei einem Studientag in Bern am 31. August bereiteten sich die Schweizer Bischöfe genauer auf die Synode vor.

Reformvorschläge und Warnungen, kühne Vorstösse und Bremsmanöver in Rom: Scharmützel ohne Ende. Dazu ein Vatikan-Monsignore hinter vorgehaltener Hand: "Das Panorama in den Diskussionen, die ja nicht alle veröffentlicht werden, reicht von Giftspritzen bis zu Beruhigungspillen – weil der Themenkatalog eben sehr breit ist." In der Tat. Ehen und Familien in Krise, Trennungen und Scheidungen, der kirchliche Umgang mit (nur standesamtlich) wiederverheirateten Geschiedenen oder mit Homosexuellen: An kontroversen Punkten fehlt es bei dieser Synode wahrlich nicht.

Und der Papst? Dass Franziskus Reformen befürwortet, steht ausser Frage. Es geschah auf seinen Wunsch, dass vor der Synode 2014 der deutsche Kardinal und Ex-Theologieprofessor Walter Kasper für eine Zulassung von wiederheirateten Geschiedenen zur Kommunion in bestimmten Fällen plädierte. Dafür war er von den Verteidigern der geltenden Praxis scharf kritisiert worden. Doch nun meldete er sich mit neuen Argumenten für seine These wieder zu Wort. Gewiss, Franziskus rühmt den Wert der christlichen Ehe und Familie. Aber er ist Realist – und wünscht Realismus der ganzen Kirche. Familie, sagte er kürzlich in einer Generalaudienz, sei nicht automatisch heile Welt. Viele Kinder litten darunter, dass ihre Eltern Bosheiten austauschen. Oft komme es zu Ehekrisen, "die eine Trennung unvermeidlich machen". Und manchmal, wenn der schwächere Partner oder die Kinder zu sehr leiden, kann eine Trennung "sogar moralisch notwendig sein". Fürwahr ungewöhnliche Worte für einen Papst.

Zwar entspricht der Satz im Arbeitspapier für die Synode, dass die Kirche von den konkreten Situationen der Familie und somit "von allen Notwendigkeiten für Barmherzigkeit" ausgehen muss, der Auffassung von Franziskus. Doch unsicher ist, ob dieser Appell die Mehrheit der Synodalen zu durchgreifenden Reformvorschlägen veranlasst.

Aufmerksam registriert man in Rom die Scharmützel von Reformern und Traditionalisten im Vorfeld der Synode. Und Radio Vatikan vermittelt den Eindruck: Wohl die meisten kirchlichen Promis sind sich einig, dass die Krise von Ehe und Familie neue pastorale Anstrengungen erfordert. Einer freilich zieht aus dieser Krise ganz andere, unerwartete Schlüsse: der österreichische Familienbischof Klaus Küng. Er räumt der christlich gelebten Ehe beste Zukunftsaussichten ein, gerade heute. "Je kaputter und dekadenter die Gesellschaft ist, desto grösser sind die Chancen für ein glaubwürdiges Gegenmodell", erklärte er kürzlich. Kommentar eines Monsignore aus dem Päpstlichen Familienrat: "Schön wär's!" 

 

 

Bernhard Müller-Hülsebusch

Bernhard Müller-Hülsebusch

Dr. Bernhard Müller-Hülsebusch, seit vielen Jahren Korrespondent von deutschen und schweizerischen Medien in Rom und Buchautor, beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um den Vatikan