Bischofssynode: Stich in ein zentrales Thema der Gesellschaft*

Die Bischofssynode vom 4. bis 25. Oktober zum Thema "Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute" wird bei weitem nicht nur in kirchlichen Medien sehr stark thematisiert. Kein Wunder, vermochte ein Anlass an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern zu diesem Thema über 100 Besucherinnen und Besucher anzusprechen. Erst recht, da mit Bischof Markus Büchel der Mann über die "Familiensynode" sprach, der an der ersten Session der Bischöfe im Herbst 2014 als Vertreter der Schweizer Bischofskonferenz teilgenommen und mitdiskutiert hatte.

Form und Thema von Bedeutung

Markus Büchel, Bischof von St. Gallen und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, gelang es in diesem Vortrag gut, in einer Mischung von Erlebnisbericht, historischer Einordnung und pastoraltheologischer Analyse das Thema der Synode vielfältig auszulegen. Und er machte auch kein Hehl daraus, dass ihm das Thema sowohl als Ortsbischof wie als Wortführer der Katholiken in der Schweiz selber unter den Nägeln brennt – ein zentrales Thema also!

Und dieses zentrale Thema, so der St. Galler Bischof, werde denn auch in einer in der Kirche sehr bedeutenden Form behandelt. Eine Welt-Bischofssynode sei die Form der kollegialen Leitungsarbeit von Papst und Bischöfen, wie sie von der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils erwünscht worden ist. Damit habe Papst Franziskus auch ein Zeichen für eine Kirche gesetzt, die in zentralen Fragen eben nicht zentralistisch eine Richtung vorgebe. Als einer der eingeladenen Präsidenten der Bischofskonferenzen weltweit habe er sich zum einen als "Briefträger" der Anliegen der Kirche Schweiz zum Thema Familie verstanden, zum andern aber auch als Teil der in Kollegialität geführten Kirche.

Das habe wesentlich mit dem Amtsverständnis von Papst Franziskus zu tun: Dieser habe aufmerksam zugehört, um sich – und allen weiteren Synodenteilnehmern – überhaupt einen Überblick über die vielfältigen Anliegen zum Thema Familie in der weltweiten katholischen Kirche verschaffen zu können. Er selber, so Markus Büchel, habe dabei einen wertvollen Einblick in die Bandbreite der in der Kirche vertretenen sozialen Kulturen erhalten.

Mit dickem Paket nach Rom gereist

Als Vertreter der Schweiz hat Markus Büchel die Essenz der in einer bei 25 000 Katholikinnen und Katholiken durchgeführten Umfrage zu den Anliegen in Sachen Familie eingebracht. Das waren für unser Land der ökumenische Aspekt im Familienalltag, die Frage der Sakramente für wiederverheiratete Geschiedene und das Verhältnis der Kirche gegenüber der Homosexualität, erläuterte der St. Galler Bischof.

Im ersten Teil der Synode haben die Frage der Homosexualität und die Geschiedenenpastoral die für eine Weiterarbeit nötige Zweidrittelmehrheit aber nicht erhalten. Papst Franziskus habe danach entschieden, alle vorgebrachten Punkte weiterzubearbeiten. Und entsprechend seien auch alle aus der Schweiz eingebrachten Themen im "Instrumentum Laboris", dem Grundlagenpapier für den Oktober 2015, zu finden. – Markus Büchel zeigte sich sehr zufrieden, dass das Thema Familie und Kirche somit theologisch wie auch humanwissenschaftlich vertieft werden wird.

Auch der Aufbau des "Instrumentum Laboris" zeige deutlich, dass Papst Franziskus den synodalen Prozess konsequent weiterverfolge. So beginne das Arbeitspapier mit einer Zusammenfassung der Berichte aus der Weltkirche. Die Realität sei dabei allerdings über weite Teile negativ dargestellt, so Markus Büchel. Hier seien die Bischöfe im Herbst gefordert, der Tendenz zum Individualismus eine "Freude an der Familie" gegenüberzustellen, so der St. Galler Bischof.

Im zweiten Teil des "Instrumentum" werde deutlich, wie weit auseinander die Sprache des Evangeliums und der Kirche über die Familie sich von der Realität entfernt habe. Die kirchliche Sprache und deren Ideale seien weit weg vom Alltag, konstatierte der Bischof. Hier stehe die Kirche vor einer grossen Herausforderung. Denn es gelte auf alle Fälle, für die Vermittlung dieser Werte eine Sprache zu finden, die in unserer Gesellschaft verstanden werde.

Werte anbieten, nicht Normen aufstellen

Bischof Markus Büchel versteht diese Spannung allerdings als Grundaufgabe der Kirche (eine aus seiner Sicht lösbare Aufgabe, wie aus seinem Votum hervorging), nicht als Anlass, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Ein synodaler Prozess, davon ist der St. Galler Bischof überzeugt, sei gerade dazu da, pastorale Perspektiven zu öffnen, wie dies im dritten Teil des Arbeitspapiers auch getan werde.

Sehr zufrieden ist Markus Büchel mit der Grundhaltung dieses dritten Teils. Es gehe bei Fragen mit einer Komplexität wie der von Familie in Kirche und Gesellschaft für die Kirche darum, Werte anzubieten, nicht Normen vorzulegen. So würden im "Instrumentum Laboris" Formen des Zusammenlebens ausserhalb des traditionellen Familienbildes nicht mehr ausschliesslich negativ beurteilt. Kritisch merkte der Präsident der Bischofskonferenz hingegen an, dass im Grundlagenpapier das Thema Partnerschaft hinter die Familie zurückgetreten sei. Die partnerschaftliche Beziehungen müssten auch ohne die Kinderfrage gewürdigt werden.

Nach dem Referat nutzten zahlreiche Zuhörerinnen und Zuhörer die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Bischof Markus Büchel nutzte dies als Gelegenheit, um den angestossenen synodalen Prozess weiterzuführen: indem er die Fragen aufnahm, Überlegungen dazu weiterentwickelte, doch keine fertigen Antworten gab. Markus Büchel stellte fest, dass die Erwartungen an diese Synode sehr hoch seien und damit kaum alle erfüllt werden könnten. Und er wies darauf hin, dass die Verschiedenartigkeit der Fragen zur Familie allein innerhalb der Kirche aufgrund der unterschiedlichen sozialen Entwicklungen weltweit eine grosse Herausforderung sei. Die Auseinandersetzung mit dem Bild der Familie in der Kirche sei mit diesem Prozess aber angestossen. 

______________________________________________

* Bischof Markus Büchel sprach am 24. Juni 2015 im "Forum Ökumene" in Verbindung mit dem "Theologischen Forum Luzern". Das "Forum Ökumene" ist eine Veranstaltung des Ökumenischen Instituts Luzern; das "Theologische Forum Luzern" wird von der Professur für Pastoraltheologie geleitet. Der Titel der Veranstaltung lautete: "Familiensynode" in Rom – ein weltweiter synodaler Prozess? Das Grundlagenpapier zur bevorstehenden Bischofssynode, das "Instrumentum Laboris", ist unter folgendem Link abrufbar: http://www.vatican.va/roman_curia/synod/documents/rc_synod_doc_20140626_instrumentum-laboris-familia_ge.html

 


Martin Spilker

Martin Spilker (Jg. 1963) ist ausgebildeter Katechet (KIL, heute RPI). Er arbeitete als Redaktor bei Tages- und Lokalzeitungen sowie beim Onlineportal kath.ch. Seit 2022 ist er für die Inländische Mission im Bereich Kommunika-
tion und Administration sowie als freischaffender Journalist tätig.