Replik: Unternehmerisches Handeln ist wichtig

Die Diskussion um die Ausrichtung der Soziallehre der Kirche ist im Gefolge der Verlautbarungen von Papst Franziskus im laufenden Jahrgang der SKZ von verschiedenen Stimmen geprägt (vgl. Nr. 22 und 24 / 2016). Eine Klärung bliebt wichtig. Sowohl die globale Marktwirtschaft wie auch die kirchliche Soziallehre sehen vor, sich der Armutsproblematik zu stellen. In einer Replik äussern sich nochmals Martin Rhonheimer und abschliessend Daniel Saudek zur Diskussion um die katholische Soziallehre in der globalisierten Welt. (ssk)

Thomas Wallimann-Sasaki und Robert Unteregger werfen mir eine einfache Weltsicht vor, in der echte Probleme ausgeblendet werden. «Die Lösung für fast alles ist das freie Unternehmertum», so wird meine Argumentation, die meine Kritiker als «unaufgeklärten Ökonomismus» bezeichnen, zusammengefasst. Am eigentlichen Thema meines Artikels, der Frage, wie Massenwohlstand entsteht, geht diese Kritik aber vorbei. Keineswegs behaupte ich, das freie Unternehmertum sei die Lösung «für fast alles».

Wohl aber meine ich, Massenwohlstand könne nur durch unternehmerisches Tun und damit verbundene Produktivitätssteigerung menschlicher Arbeit erzeugt werden – das ist ein ehernes ökonomisches Gesetz. Erst durch die industrielle Revolution und die damit verbundene kapitalistische Marktwirtschaft ist es zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit möglich geworden, dass die Früchte menschlicher Arbeit nicht immer wieder durch Bevölkerungswachstum «weggefressen» wurden und auf diese Weise Menschen in Armut gefangen blieben. Bevor man vom angeblichen Segen «sozialer Gerechtigkeit» durch Umverteilung spricht, muss zuerst einmal dieser Zusammenhang erkannt werden.

Zum Thema Soziallehre und Unternehmer: Natürlich spricht die katholische Soziallehre vom Unternehmer und lobt ihn – sofern er Arbeitsplätze schafft und angemessene Löhne zahlt. Doch handeln Unternehmer nicht mit dem Zweck, Arbeitsplätze zu schaffen und Löhne auszuzahlen. Unternehmerisches Tun ist darauf gerichtet, Geschäfte zu machen, Produkte zu verkaufen und damit Gewinn zu erzielen. Dadurch entstehen dann Arbeitsplätze und Lohnzahlungen, immer höhere sogar, denn Gewinnstreben erzeugt Wettbewerb, dieser Innovation, was die Produktivität erhöht.

Das Ergebnis ist ein stetig ansteigender allgemeiner Lebensstandard. Die Berücksichtigung solcher ökonomischer Zusammenhänge fehlt in der katholischen Soziallehre, ebenso das Bewusstsein, welch destruktiven Einfluss Politik und Gewerkschaften auf diesen Prozess immer wieder ausüben.

«Für Rhonheimer scheint es kaum echte Probleme zu geben», heisst es weiter: weit gefehlt! Problem Nummer eins sind das inflationäre Geldsystem, das Geldmonopol des Staates und eine Politik, die immer neue Finanzkrisen verursacht und das Gift, das die letzte dieser Krisen verursacht hat – billiges Geld und verfehlte Regulierungen –, als Heilmittel anwendet, damit die Lösung der Krise aber hinausschiebt und diese vergrössert. Damit werden in der Tat Reiche immer reicher, wenigstens auf dem Papier, denn die gegenwärtige Geldpolitik bläht grosse Vermögenswerte auf. Ein Problem sind auch die Überschuldung der Staaten, die Unbezahlbarkeit und Nicht-Nachhaltigkeit der Sozialsysteme, Arbeitsmarktregulierungen, Mindestlöhne, die Schlechtqualifizierte und Immigranten vom Arbeitsmarkt ausschliessen und Anpassungen dort erschweren, wo Menschen wegen globalisierungsbedingter Desindustrialisierung keinen Job mehr finden. All das hat in den letzten Jahren zu Reallohnverlusten geführt und das Vertrauen in freie Märkte, Freihandel und in die Verheissungen des Kapitalismus erschüttert.

Dass sich aber, wie meine Kritiker monieren, generell die Schere zwischen Arm und Reich öffne, ist nicht wahr. Der Abstand zwischen armen und reichen Ländern ist in den letzten Jahrzehnten geringer geworden, Hunderte von Millionen Menschen sind der Armut entronnen – durch mehr Marktwirtschaft, freies Unternehmertum und freien Handel. Innerhalb vieler entwickelter Staaten hat sich die Schere aus den genannten Gründen allerdings aufgetan.

Es stimmt auch, dass die Superreichen reicher sind als früher. Warum? Weil die Märkte globaler wurden und man mit global absetzbaren Produkten gewaltig viel mehr als früher verdienen kann. Das heisst aber auch: Es gibt weltweit mehr Konsumenten, die sich diese Produkte kaufen können, die Menschen sind also weltweit wohlhabender geworden. Mit anderen Worten: Es geht immer mehr Menschen immer besser. Deshalb müssen wir armen Ländern dadurch helfen, dass wir sie durch die Förderung günstiger Rahmenbedingungen an der Dynamik freier Märkte und kapitalistischer Wertschöpfung teilhaben lassen.

Schliesslich die Frage der Lohngerechtigkeit: Die traditionelle, aber unrealistische Forderung eines «Familienlohnes» wich bei der Abfassung des Kompendiums der Soziallehre der katholischen Kirche besserer ökonomischer Einsicht: Die Forderung nach einem «Familienlohn» – das Wort wurde beibehalten – richtet sich jetzt nicht mehr an den Arbeitgeber, weshalb es sich eben auch nicht mehr um einen Arbeitslohn handelt; vorgeschlagene Lösungen (der betreffende Passus der zitierten Nr. 250 des Kompendiums bleibt bei meinen Kritikern unerwähnt) sind staatliche Subventionen wie «Kindergeld und andere Leistungen für Personen, die eine Familie zu ernähren haben, oder auch die Vergütung der von Vater oder Mutter geleisteten häuslichen Arbeit». Ich halte das für nicht optimal, weil Subventionen wie Almosen wirken, die die Familie vom Staat abhängig machen, und weil Umverteilung unproduktiv und kostspielig ist. Die bessere Lösung wären gezielte oder allgemeine Steuersenkungen und damit auch mehr Freiheit und Eigenverantwortung. Denn Familien leiden heute vor allem unter der exorbitanten Steuer-und Abgabenlast. Immer mehr «soziale Gerechtigkeit» durch Umverteilung verlangt aber nach immer mehr Steuern, schafft neue Probleme und Ansprüche und bremst die wohlstandssteigernde Dynamik von Kapitalismus und Marktwirtschaft – beides zu Lasten der Bedürftigsten. 

Martin Rhonheimer

Prof. Dr. Martin Rhonheimer (geb. 1950) lehrt seit 1990 Ethik und politische Philosophie an der Päpstli-chen Universität Santa Croce in Rom und ist seit 2015 Präsident des von ihm mitbegründeten Austrian Institute of Economics and Social Philosophy in Wien, wo er gegenwärtig lebt.