Religionen auf der Krim nach der Annexion

Nach der Annexion versucht Moskau die Religionsgemeinschaften der Krim von ihren bisherigen Zentren in Kiew zu trennen. Die katholische Kirche verhandelt mit Moskau ein neues Statut für ihre Pfarreien, die unierte Kirche befürchtet eine neue Phase der Illegalität.

Nach der völkerrechtswidrigen Besetzung durch russische Truppen und einem umstrittenen Referendum hat Russland die bisher ukrainische Krim im März 2014 annektiert. Um die auf der Krim befi ndlichen Religionsgemeinschaften von ihren Zentren in Kiew zu trennen, setzten die neuen Machthaber allen Glaubensgemeinschaften zunächst eine Frist bis 1. Januar 2015, um sich nach russischem Recht neu zu registrieren. Da viele Mitarbeiter der 1500 religiösen Einrichtungen auf der Krim Ausländer waren oder aber Ukrainer, die nicht gewillt waren, sich russische Papiere machen zu lassen, haben einige – nicht selten nach Schikanen der neuen russischen Behördenvertreter – bereits das Land verlassen. Darunter waren alle Priester der moskaukritischen Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats. Es verlor fünf Gotteshäuser auf der Krim. Die neuen Machthaber stehen klar auf der Seite der orthodoxen Mehrheitskirche, die dem Moskauer Patriarchat untersteht. Aber auch den drei russischorthodoxen Diözesen des Moskauer Patriarchats fehlt bislang noch die staatliche Anerkennung. Dank des Wohlwollens der russischen Behörden baut sie aber bereits neue Gotteshäuser auf der Halbinsel. Ausgewiesen wurden dagegen zwölf muslimische Geistliche mit türkischen Pässen, die sich um die auf die Türkei hin orientierten tatarischen Gemeinden gekümmert hatten. Auch drei Franziskanerinnen aus Simferopol mit ukrainischen und polnischen Pässen war die Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert worden. Bereits zuvor musste der Direktor der römischkatholischen Caritas der Krim, Piotr Rosochacki, aus demselben Grund ausreisen.

Als Ende Dezember 2014 klar wurde, dass kaum eine Gemeinschaft sich an die neuen Vorgaben halten kann, wurde diese Frist bis zum 1. März 2015 verlängert. Eine zusätzliche Hürde bedeutet die Tatsache, dass die Anträge sowohl in der KrimHauptstadt Simferopol als auch in Moskau geprüft werden. Für die Registrierung wird die Zugehörigkeit zu einer zentralen russischen Kirchenstruktur verlangt, am besten mit Sitz in Moskau. Die katholischen, evangelischen und auch die muslimischen Gemeinden der Krim sind jetzt gezwungen, sich neue Zentralen in Russland zuzulegen. Am einfachsten war es für die evangelischlutherische Kirche, da diese noch in Zeiten der Sowjetunion entstandene Kirche noch über eine Zentrale in Moskau verfügt, die für alle GUSLänder zuständig ist. Die sieben zumeist deutschsprachigen evangelischenlutherischen Gemeinden auf der Krim werden in jedem Fall Teil des Bundes EvangelischLutherischer Kirchen in Russland und anderen Staaten (ELKRAS) bleiben, liess Pfarrer Markus Göring bereits im April verkünden. Auch der neue evangelischlutherische Moskauer Erzbischof, der Russlanddeutsche Dietrich Brauer, bezeichnete die Kontakte zu den neuen Behörden als "gut". Schwieriger ist es dagegen für die römischkatholischen Gemeinden auf der Krim, die seit 2002 zum neu gegründeten Bistum Odessa gehören. Diözesanbischof ist der Ukrainer Bronislaw Bernacki. Das Bistum Odessa hatte von Anfang an einen Weihbischofssitz in der KrimHauptstadt Simferopol, wo der aus Polen stammende Weihbischof Jacek Pyl, der für die katholischen Gemeinden auf der Krim zuständig ist, residiert.

Seit Anfang des Jahres verhandelt der Vatikan mit Russland über die staatliche Anerkennung der sieben römischkatholischen Pfarreien auf der Krim. Nach Angaben von Weihbischof Jacek Pyl verständigte sich das vatikanische Staatssekretariat mit der russischen Vertretung beim Heiligen Stuhl darauf, dass die Pfarreien den Status eines Pastoralbezirks erhalten, an dessen Spitze Weihbischof Pyl als Delegat stehen soll. Ob die neue Struktur der römischkatholischen Kirche auf der Krim die staatliche Anerkennung bringt, ist noch unsicher. Von Vorteil ist, dass die römischkatholische im Gegensatz zur griechischkatholischen Kirche in Russland seit 1991 über eine vom Staat anerkannte zentrale Struktur verfügt. Nachdem die Seelsorger mit ausländischen Pässen die Krim verlassen haben, kümmern sich nun zehn katholische Seelsorger mit russischen Pässen um die Gläubigen. Der Heilige Stuhl werde, trotz der Verhandlungen mit Moskau um die Zukunft der katholischen Gemeinden auf der Krim, die Annexion der Krim durch Russland nicht offi ziell anerkennen, hiess es aus Rom.

Schwierige Situation für die griechisch-katholischen Gemeinden

Während die Schwierigkeiten für die römischkatholischen Gläubigen überwindbar scheinen, ergeben sich für die mit Rom unierte griechischkatholische Kirche grosse Probleme. Sie hat in Russland bislang keine eigene Kirchenstruktur und kann so die russischen Vorschriften für ihre Gemeinden auf der Krim nur schwer erfüllen. Bereits zweimal wiesen die Behörden den Registrierungsantrag der fünf griechischkatholischen Pfarreien der mit Rom unierten Kirche ab, weil sie keine russische Dachorganisation haben. Derzeit sind sechs griechisch-katholische Priester für die Gläubigen auf der Krim tätig. Einige der Priester bereiten sich wieder auf die Illegalität vor, die viele von ihnen noch von vor 1989 kennen. Die unierte Kirche in der Ukraine feierte im letzten Jahr das 25. Jahr ihrer Legalisierung, und jetzt droht in einem Teil des Landes wieder die Illegalität. Bereits einmal, 1946, war die ukrainische griechischkatholische Kirche unter Stalin in der Sowjetunion verboten und in die orthodoxe Kirche zwangsintegriert worden. Sie lebte aber im Untergrund und in der Diaspora weiter. Ihr Oberhaupt residierte in dieser Zeit in Rom. Erst 1991 konnte der damalige Grosserzbischof Myroslaw Lubatschiwskyj wieder in die westukrainische Metropole Lemberg zurückkehren. Sein Nachfolger, Kardinal Ljubomyr Husar, verlegte im Jahr 2005 den Sitz des Grosserzbischofs in die ukrainische Hauptstadt Kiew.

Anders als in der Ukraine, wo die unierte Kirche nach 1989 wieder zugelassen wurde, gilt dies nicht für das Territorium der Russischen Föderation, obwohl es in Russland unter dem Zaren bereits ukrainisch unierte Gemeinden gab, die jedoch durch den Kommunismus fast gänzlich vernichtet wurden. Seit 1991 haben sich auch in Russland bereits 31 unierte katholische Gemeinden gebildet, für die 16 Priester tätig sind. Ordinarius dieser Pfarreien ist der aus Kasachstan stammende deutschstämmige katholische Bischof von Nowosibirsk, Joseph Werth SJ. Auch er hat Illegalität am eigenen Leibe noch erfahren, war er doch während der Sowjetzeit nur geheimes Mitglied des verbotenen Jesuitenordens.

Die Krim war schon Jahrhunderte vor der Taufe der Rus christlich

Der Legende nach hat der Apostel Andreas das Christentum in römischer Zeit auf die Krim gebracht. Damit gehört die Krim zu den ältesten christlichen Regionen überhaupt. Im 3. Jahrhundert kamen im Zuge der Völkerwanderung auch germanische Goten auf die Krim, die dort das byzantinische Christentum annahmen und auf der Krim den Untergang von Byzanz durch die Türken eine Zeitlang überdauerten. Der Kiewer Fürst Wolodymyr Crestatil (der Täufer) liess sich in der Krimhauptstadt Chersones taufen und heiratete 988 auf der Krim eine byzantinische Prinzessin. Dieses Ereignis gilt als das Entstehungsdatum des russisch-orthodoxen Christentums.


Bodo Bost

Bodo Bost studierte Theologie in Strassburg und Islamkunde in Saarbrücken. Seit 1999 ist er Pastoralreferent im Erzbistum Luxemburg und seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Public Responsibility an der kircheneigenen Hochschule «Luxembourg School of Religion & Society».