Priester, Diakone und Laien in Seelsorgeteams (III)

Bedingungen einer fruchtbaren Zusammenarbeit

57. Das Beauftragungsschreiben hat zunächst eine erklärende Funktion mit Blick auf das Ernennungsdekret, welches kurz, wenn nicht gar lakonisch ausfällt, insofern es vor allem die Zuordnung einer Person zu einem Posten bestimmt. Es verdeutlicht die anvertraute Sendung, in diesem Fall eine Teilnahme an der Ausübung der Seelsorge unter Aufsicht des Pfarrers wie auch die hauptsächlichen Zuschreibungen, die dem anvertrauten Amt innewohnen.35 Dieser primäre Zweck des Beauftragungsschreibens macht daraus durch die Statusbestimmung eines jeden Einzelnen mit seinen Pflichten, Rechten, Kompetenzen, Fähigkeiten und anderen Vorrechten ein juristisches oder kirchenrechtliches Dokument. Über diesen Weg erhält das Beauftragungsschreiben eine organisatorische Tragweite. Der zweite Zweck des Beauftragungsschreibens ist es, konkret die Umsetzung des Amtes und des anvertrauten Dienstes einzuteilen. Das Beauftragungsschreiben befindet sich infolgedessen an der Schnittstelle zwischen der institutionellen Dimension des Kirchenrechts und der organisatorischen Dimension des kirchlichen Lebens.

58. Der dritte Zweck des Beauftragungsschreibens besteht in seiner amtseinführenden Funktion, die aufgrund des offiziellen Charakters und der öffentlichen Natur freilich administrativer Art ist. Es teilt gegenüber Dritten offiziell die anvertraute Sendung mit. Aus diesem Grund trägt es nicht nur zum öffentlichen Charakter der Zweckbestimmung bei, was ja schon durch das Ernennungsdekret gegeben ist, sondern auch zur Mitteilung der anvertrauten Sendung und daher zu deren Anerkennung. Unter diesem Blickwinkel ist das Beauftragungsschreiben im Stande, die Legitimierung des Amtes zu gewährleisten. Daher ist es wünschenswert, dass es während einer Aufnahmefeier in der (neuen) Pfarrei (oder Seelsorgeeinheit), in der und zu deren Dienst die Person zugeteilt wird, verlesen wird.

3. Einige Überlegungen zum Zusammenspiel der Ämter

59. Trotz der Verschiedenheit der Bezeichnungen und der Tätigkeiten sind die in unseren Diözesen geförderten Seelsorgeteams ein Ort, an dem die Verschiedenheit der Ämter und ihr Zusammenspiel in die Tat umgesetzt wird. Diese Vielheit der Dienstämter (frz. «pluriministérialité»36) ist notwendigerweise ein komplexes Phänomen sowohl aufgrund der Vielfalt der Dienstämter wie auch wegen der unterschiedlichen Zugangsweisen, deren Gegenstand sie sein kann. Die verschiedenen Dienstämter bilden ein geschlossenes System; die Überprüfung ihres Zusammenspiels hängt von mehreren Ebenen ab und braucht eine gewisse Bandbreite an Parametern.

60. Eine systemische Perspektive einzunehmen, um das Zusammenspiel der Dienstämter zu behandeln, bedeutet, das Gesamt, in dem sich ihre Vielfalt befindet, nämlich die Kirche – in ihrer Globalität wie auch auf diözesaner Ebene –, dann aber auch das Verständnis ihrer Sendung in ihrer eigenen Umgebung und in einer bestimmten Gesellschaft, zudem die geläufigen Bilder und Darstellungsweisen wie auch ihre Wirkung in den Praktiken und den Diskursen usw. zu betrachten.

61. Zu diesem Zweck beziehe ich mich auf die Analysekriterien von Jacques Ardoino, die François- Xavier Amherdt für die Reflektion über das Priesteramt adaptiert hat.37 Diese Autoren erinnern uns daran, dass jede Institution mehrere sich ineinanderfügende Elemente beinhaltet; dies ist auch der Fall bei einem Seelsorgeteam. Diese Elemente stellen eine Art Parameter dar, anhand dessen man das Amt in Beziehung zur Gemeinde, zu den anderen Dienstämtern und zur Sendung einschätzen kann. Viele Dysfunktionen und sicher viele Konflikte haben als Ursache, dass Parameter verwechselt werden und die Komplexität der sozialen Tatbestände negiert wird: Das Amt ist in seiner Umsetzung ein sozialer Tatbestand, in dem sich Personen, die zugleich Glaubende, pastorale Mitarbeiter und kirchliche Partner sind, kreuzen und einander begegnen.38 Diese Menschen entwickeln ihre Initiativen, ihre Aktivitäten oder ihre Projekte auf verschiedenen miteinander interagierenden Ebenen.

62. Ich selbst stelle mindestens acht Ebenen (oder Bewertungsparameter) fest, die miteinander interagieren und über die sich auf konkrete Weise das Zusammenspiel der Ämter äussert, das ein jeder im Team je nach seinem kirchlichen Status innehat.

63. Der «ideologische» Parameter oder die doktrinale Ebene betrifft in unserem Kontext die Theologie, die von den Teammitgliedern geteilt wird oder die zur Referenz für die Reflexion über ihre Praxis werden soll. Laurent Villemin spricht in dieser Hinsicht vom «ekklesiologischen Koeffizienten»: «So werden», schreibt mein Kollege aus Paris, «die theologischen Auffassungen und Wahlmöglichkeiten der kirchlichen Verantwortungsträger, Bezugspersonen, Gläubigen oder anderer Personen in kirchlichen Angelegenheiten bezeichnet.»39

64. Dieser Parameter ist wichtig: Er ermöglicht es, die Praxis der Ämter und ihre Kohärenz zu begründen, umso mehr, wenn er von den Teammitgliedern geteilt wird, die sich diesen besonders durch die Verinnerlichung ihrer Aufgabe innerhalb des Teams aneignen. Meines Erachtens wird er oft überhöht. Einige erwarten in der Tat, dass eine «gute Theologie» das praktische Zusammenspiel der unterschiedlichen Ämter erlaubt, hauptsächlich was die ordinierten Ämter und die «anderen», die Laien anvertraut sind, betrifft.40 In diesem Zusammenhang erwartet man, dass eine «gute Theologie» auf magische Weise vor Ort die Beziehungsprobleme und Machtkonflikte lösen oder die Befürchtungen und Ängste besänftigen kann. Dieser Parameter löst jedoch nicht alles, da man sich auf theologischer Ebene verstehen und dennoch kein Einverständnis finden kann. Dies liegt daran, dass notwendigerweise andere Parameter, die ebenso wichtig sind wie die Theologie, ins Spiel kommen.

65. Es gibt einen zweiten Parameter, der die Kirchenrechtler nicht gleichgültig lässt. Dieser betrifft das Kirchenrecht, das jedes Amt oder jeden Dienst regelt und durch das Beauftragungsschreiben ein gutes Zusammenspiel zwischen allen Aufgaben, denen sich die Mitglieder des Pastoralteams widmen, unterstützt. Dieser «institutionelle» Parameter ist der juristische Rahmen, in dem man sich weiterentwickelt, indem er die Beziehungen, Rechte und Pflichten, Kompetenzen und andere Aufgabenbereiche präzisiert. Der Bezug auf das Kirchenrecht, die Beachtung der kanonischen Bestimmungen des Kodex und des Diözesanrechts und der Wortlaut der Beauftragungsschreiben sind wichtige Faktoren bei der Gestaltung der Ämter oder Dienste der einen wie der anderen. Der institutionelle kanonische Rahmen betrifft die Beziehungen der Individuen untereinander und mit den Institutionen, ihr soziales Verhalten, kurz ihr kirchliches Verhalten zur Aufrechterhaltung der Gerechtigkeit, aber auch der kirchlichen Gemeinschaft. Dieser Parameter ist nicht nur wichtig, weil er die Gewalt, die jedem Kollektiv besonders im Konfliktfall innewohnt, «zähmt», sondern auch, weil er auf eine gute kirchliche Ordnung abzielt; eine Ordnung der Charismen in ihrer Vielfalt und dennoch Komplementarität.41

66. Der dritte Parameter ist der «Gruppen»- Parameter (frz. «paramètre groupal»). Er bezieht sich auf die Gruppe als solche, mit all dem, was sie ausmacht und konstituiert, besonders ihre Geschichte, die ihr eigene Kultur, ihr Geist usw.42 Er betrifft die Beziehungen zwischen den Personen in dieser Gruppe, die als Mitglieder des Pastoralteams dazu aufgerufen und ausgesandt sind, Partner im pastoralen Handeln zu sein. Sie sind jedoch nicht einfach nur Partner, sondern sie sind ebenso sehr – und zunächst und vor allem – Gläubige und Akteure; alle und jeder einzelne ist eingebunden in ein Team mit Projekten, die er ausarbeiten und umsetzen muss. Mit anderen Worten gleicht kein Team dem anderen; trotz der gemeinsamen institutionellen Sendung aller Seelsorgeteams einer Diözese, ist jedes einzelne doch einzigartig, und zwar ganz einfach deswegen, weil die Gruppe einzigartig ist. Dieser Parameter macht sich bemerkbar, wenn die Gruppe sich durch die Ankunft oder den Weggang eines oder mehrerer Mitglieder verändert. Jedes Mal muss man das Gleichgewicht wieder finden oder wieder herstellen, um sich zu verstehen.

67. Schliesslich gibt es den «individuellen» Parameter. Er ist durchaus entscheidend: Diese Ebene, die das Individuum betrifft, bezieht sich auf die Fähigkeit jedes Einzelnen, er selbst mit seiner eigenen Persönlichkeit zu sein, sich auf einzigartige Weise zu verorten – «ich» zu sagen – und mit den anderen Teammitgliedern in gegenseitigem Respekt zu interagieren. Man kann direkt zu diesem vierten Parameter hinzufügen, was wir den «triebhaften» oder besser den «emotionalen » Parameter nennen: Man kann darunter alles zählen, was die Launen, die Gemütsverfassungen, das Unausgesprochene, die Ressentiments usw. betrifft. Allem Anschein nach ist diese Ebene mit der vorhergehenden intrinsisch verbunden. Daher stellt Laurent Villemin sie alle beide gemeinsam unter der Bezeichnung «personale Koeffizienz» vor. Diese doppelte Ebene, individuell wie auch emotional, muss absolut in den Situationen kirchlichen Wandels und pastoraler Veränderungen berücksichtigt werden, da sie Angst, Unsicherheit, Starre usw. verursachen. Diese Ebene ist nicht wirkungslos für das Seelsorgeteam und die laufende Arbeit, sofern die Betroffenen nicht schlicht und einfach einen konzeptuellen Austausch herstellen, sondern auf emotionaler Ebene interagieren.

68. Es ist umso wichtiger, dies zu berücksichtigen, als in den kirchlichen Milieus diese Ebene zu Gunsten von rationalem, diskursivem und theoretischem Austausch unterschätzt wird. Die Teammitglieder sind «aus Fleisch und Blut». Das dürfen wir niemals vergessen.

69. Der sechste Parameter ist der «organisatorische » Parameter, durch den die Dinge eingesetzt werden, sich untereinander verbinden und organisieren. Diese Ebene spielt immer eine Rolle, sei es implizit oder explizit, und gleich bei welchem Grad an Organisation. Ein Organisationsdefizit würde die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren nur mühsamer, um nicht zu sagen schwierig, werden lassen. Sitzungen ohne Tagesordnung, ohne Mitschriften, ohne Protokollführung oder Bericht, oder ein Team ohne Terminplanung, ohne regelmässige Sitzungen oder ohne gegenseitige Betreuung ist im wörtlichen Sinn ohne Zukunft. Es wäre nicht glaubwürdig, da die Mitglieder sich nicht konsequent darin engagieren.

70. Es folgt schliesslich der Parameter der Formen der Legitimierung, die bereits erwähnt wurden: die Aufgabe/das Amt (und sein Charisma; die sakramentale Einsetzung), die Kompetenz und die Erfahrung. Die Legitimierung der Laien in der Seelsorge basiert eher auf der Ebene ihrer Kompetenz, manchmal auf ihrer Erfahrung. Die Geistlichen dagegen sind auf der Ebene ihrer Amtslegitimität verortet. Die Legitimierungsform hat Einfluss auf die Annahme der Ämter, ihre Anerkennung und Glaubwürdigkeit innerhalb der Gemeinschaft. Sie kann ein Konkurrenzfaktor wenn nicht sogar Rivalitätsfaktor zwischen den Mitgliedern des Seelsorgeteams sein.

71. Schliesslich gibt es einen letzten Parameter, denjenigen der Spiritualität eines jeden betroffenen Mitglieds und gegebenenfalls die spirituelle Empfindlichkeit, die sie miteinander teilen, nämlich den Bezug zur Heiligen Schrift, die geistlichen Strömungen, die grossen Gestalten des Glaubens, die Gründungserzählungen usw., auf denen sich ihr gesamtes pastorales Handeln abstützt. Dieser spirituelle Parameter ist für jeden Einzelnen verbunden mit dem Werden als Christ, seinem spirituellen Wachstum und der Vertiefung seines Engagements im Dienst der Kirche.

72. Diese unterschiedlichen Ebenen sind nicht nur immer in einem Seelsorgeteam gegenwärtig, sie stehen vor allem untereinander in Interaktion. Diese kurze Darstellung will uns für die Einzigartigkeit jedes Teams, die Komplexität der Situationen und die benannten Schwierigkeiten besonders auf der Beziehungsebene oder in der Zusammenarbeit innerhalb des Seelsorgeteams zwischen den betreffenden Ämtern oder mit anderen Gläubigen sensibilisieren. Wir werden aufmerksam für die unvermeidlichen Konflikte, die aus diesem Grund mit den Gemeinden, den anderen mit einer Sendung Beauftragten und gegebenenfalls mit der diözesanen Autorität auftreten können. Wenn man diese acht Ebenen ernst nimmt, wird das helfen, die konkrete Realität der Teams zu dechiffrieren, den Grund oder die Gründe der Dysfunktionen zu untersuchen und mit Distanz und vor allem mit Humor die unvermeidlichen Schwierigkeiten, denen sie bei der Ausübung ihres Amtes im Dienst der (neuen) Pfarrei (oder der Seelsorgeeinheit) begegnen, zu relativieren.

73. Ich habe es bereits angekündigt: Aufgrund der Grenzen, die zwangsläufig meinen Worten auferlegt sind, wäre es aussichtslos gewesen, erschöpfend auf die förderlichen Bedingungen für eine fruchtbare Zusammenarbeit einzugehen. Wollen wir hoffen, dass unsere Teams «dicht gebaut und fest gefügt» (Ps 122,3) sein mögen, zur Freude der Pfarrmitglieder, der Teammitglieder, den Pfarrer eingeschlossen, und schlussendlich auch der Personen, denen sich die einen wie die anderen zuwenden, um die Frohe Botschaft des Evangeliums mitzuteilen.

Übersetzung Thomas Fries

Der Autor hielt das hier abgedruckte Referat am 6. März 2013 an der 6. CIFT-Tagung an der Universität Freiburg i. Ü .

35 Als Erklärung des Ernennungsdekrets gehört das Beauftragungsschreiben in den Zuständigkeitsbereich des Diözesanbischofs, selbst wenn in der Praxis die Ausarbeitung gemeinsam mit dem Betroffenen, seinem Pfarrer und den anderen Teammitgliedern stattfindet. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern präzisiert der Pfarrer die Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche. Das Schreiben wacht auch über deren Regulierung, besonders durch Absprache mit dem Betreffenden und den anderen Teammitgliedern wie auch durch Zeiten und Momente der Auswertung. In Anbetracht seiner Beschaffenheit sowohl institutioneller als auch organisatorischer Art gehört das Beauftragungsschreiben zugleich sowohl zur literarischen Gattung eines juristischen Mittels wie auch enes Pflichtenheftes.

36 Ich greife die Wortneuschöpfung auf von: J. Doré / M . Vidal (dir.): Des Ministres pour l’Église. Paris 2001.

37 J. Ardoino: Propos actuels sur l’éducation, Bd. 2 . Paris 1965, 51 ff. (in einem Band neu herausgegeben bei Harmattan, Paris 2004). Diese Analysekriterien werden von François-Xavier Amherdt aufgegriffen, der damit das Priesteramt untersucht: F.-X. Amherdt: Toute demande est une d emande d’amour, in: Prêtres diocésains n° 1425 (2005), 443– 460, hier 457– 458. Ich beziehe mich auf diesen Aufsatz bei der Beschreibung der verschiedenen Parameter, zu denen ich jedoch den der Legitimierungsformen hinzugefügt habe: A. Borras: L’articulation des ministères: de la théologie à l a lettre de mission, in: Esprit & V ie 179 (2007), 1–14. Ähnlich schreibt Laurent Villemin, der sich auf das Amt des Diakons bezieht, von Koeffizienten, «die für jede Herangehensweise an eine seelsorgerische Situation und daher die Zusammenarbeit von Ämtern berücksichtigt werden müssen» (frz. «à prendre en compte pour toute approche d’une situation pastorale et donc de collaboration ministérielle»); er zählt fünf davon auf, die ebenfalls eine systematische Rolle spielen: der gesellschaftliche (frz. «sociétal») Koeffizient; der institutionelle Koeffizient, der situative Koeffizient; der ekklesiologische Koeffizient und schliesslich der persönliche Koeffizient. Vgl. L. Villemin: Les diacres. Partenaires dans la mission de l’Église, in: Documents Épiscopat, n° 5/2008, 17–19.

38 D . Villepellet: Apprendre la différence et le partenariat, in: La Maison de Dieu 215 (1998), 111–124. Der Autor untersucht die Bedingungen erfolgreichen Lernens ausgehend von diesem dreifachen Ansatz: der Glaubende («sujet croyant») überwindet sein allmächtiges Ich und erwacht zu sich selbst als Akteur seines eigenen Lebens; wenn er sich in der Seelsorge engagiert, wird er pastoraler Akteur (frz. «acteur pastoral»), der in einen «Berufskörper und eine Kultur der Tat» (frz. «corps de métier et une culture de l’action») eintritt, ohne die Unterscheidung vom Subjekt aufzugeben, auf die Gefahr hin, nichts mehr ausser seiner sozialen Rolle zu sein; der Glaubende ist pastoraler Akteur schliesslich in einer kirchlichen Partnerschaft (frz. «partenariat ecclésial»), das heisst in der kirchlichen Gemeinschaft.

39 Villemin: Les diacres (wie Anm. 37), 18.

40 Es ist in der Praxis – u nd damit auch der Praxis der Ämter – i llusorisch, zu denken, dass allein «gute» Theologie die Probleme lösen kann. Angesichts der Forderung, wenn nicht sogar der Herausforderung einer alleinigen (priesterlichen) Ämtertheologie hat Laurent Villemin diese Illusion mit den Worten kritisiert, die ich mir für meine Ausführungen gerne zu eigen mache: «[es geht darum] auf eine illusorische Suche nach ‹der› Theologie des (Priester-)Amtes zu verzichten, die über alle Situationen, in denen dieses Amt ausgeübt wird, Rechenschaft ablegen könnte» (L. Villemin: Église et ministère des prêtres, in: Jeunes et Vocations 109 [2003], 57).

41 Das kanonische Recht trägt dazu bei, die kirchlichen Verhältnisse bezüglich der Verpflichtungen, der Rechte und der Kompetenzen zu objektivieren. Indem es Grenzen setzt, besonders der Gewalt und dem Machtmissbrauch, garantiert es den Gegenstand und die Zielsetzungen der kirchlichen Institutionen und sieht Mittel vor, damit die Kirche ihre Sendung verfolgen kann. Es beabsichtigt, die Mitgliedschaft der Glaubenden, die Verkündung des Evangeliums, das impliziert ist, und die kirchliche Eingliederung, die einhergeht, zu schützen. Es erhebt den Anspruch, alle Akteure des kirchlichen Lebens zu schützen. Die kanonische Dimension umfasst ein Werkzeug (den legislativen Aspekt oder die Schaffung des Rechts) und dessen Anwendung (den administrativen Aspekt oder die Anwendung des Rechts).

42 Diesem Parameter muss man den von Laurent Villemin so bezeichneten «situativen Koeffizienten» zur Seite stellen. Dieser «lädt dazu ein, der Besonderheit, der Einzigartigkeit jeder seelsorgerischen konkreten Situation Rechnung zu tragen, nämlich der Geschichte eines Ortes oder einer Gruppe, der Mentalität der Bewohner, der konkret vorhandenen Mittel» (frz. «invite à p rendre en compte la particularité, voire la singularité de toute situation pastorale concrète, à savoir l’histoire d’un lieu ou d’un groupe, les mentalités des habitants, les moyens concrets à s a disposition») ( Villemin, Les diacres [wie Anm. 37], 18; Hervorhebung durch den Autor).

Alphonse Borras

Alphonse Borras

Dr. iur. can. Alphonse Borras ist Generalvikar der Diözese Lüttich und Professor für Kirchenrecht an der « Université de Louvain-la-Neuve» sowie Lehrbeauftragter am «Institut Catholique» in Paris