Ordination von Frauen - zwei Sichtweisen

In der SKZ Nr. 37 publizierten wir zwei Sichtweisen auf die Frage nach der Ordination von Frauen. Ist sie ein «notwendendes Zeichen der Zeit», wie der Theologe Quirin Weber in seinem Artikel begründet? Oder ist die Teilnahme von Frauen am Weihesakrament am Ende gar nicht möglich, wie Dogmatik-Professor Manfred Hauke feststellt? Manfred Haukes Sichtweise sei eine allzu vereinfachende Darstellung einer theologischen Welt, die nicht so heil sei wie hier vorgestellt, findet Walter Kirchschläger, dessen Wortmeldung wir hier abdrucken.

Die Idee, zum genannten Kontroversthema gegenläufige Beiträge zu publizieren und damit einen Zugang zu «zwei Sichtweisen» (S. 463) zu ermöglichen, mag durchaus ehrenwert erscheinen. Dass die SKZ Nr. 37/2016 dabei als Titelbeitrag die Position von Herrn Kollegen Manfred Hauke wählte, mag vermutlich für viele Leserinnen und Leser, darunter den Schreibenden, schwer nachvollziehbar sein.

Was Herr Hauke schreibt, wird lediglich mit Autoritätsargumenten und mit Aussagen begründet, die früheren Epochen der Lehramts- und Theologiegeschichte angehören: Eine wirkliche theologische Auseinandersetzung mit der Frage nach der Ordinationsmöglichkeit der Frau findet nicht statt, weil sie bereits seinerzeit vom Lehramt o. ä. verneint wurde, siehe Inter Insigniores (1976), Weltkatechismus (1993) und Ordinatio sacerdotalis (1994). Mit dieser Methode ist Theologie nicht möglich, weil sie sich damit selbst jeder zeitbezogenen Aktualität beraubt, vor allem (und das ist entscheidend) aber deshalb, weil ein solches Vorgehen dem Anliegen und der theologischen Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils widerspricht. Nein, mit dieser Feststellung ist weder dem Zeitgeist noch dem Modernismus das Wort geredet, sondern lediglich erneut daran erinnert, dass Aggiornamento und Hineinhören auf «die Welt von heute» unverzichtbare methodische Prinzipien sind (vgl. Gaudium et spes 1 und 4), auf welche bereits die Verschriftlichung der Offenbarung Gottes selbst, also die Bibel, aufbaut: Nur in inkulturierter Adaptierung – die Vielfalt der Einzelschriften der Bibel steht als Beleg dafür – kann die Botschaft vom Gottesgeschehen in dieser Welt, sodann verdichtet im Christusgeschehen betroffen machend und effektiv verkündigt und in der Glaubensgemeinschaft als Teil dieser «Welt von heute» mit allen jeweiligen Strukturkonsequenzen implantiert werden. Wer dies vernachlässigt, treibt Theologie im Gestern und steht damit selbst im 21. Jh. noch vor dem Konzil und ausserhalb dieser Kirchenversammlung. Dass dies auch in den Jahrzehnten seit dem Konzil immer wieder geschah, selbst an höchster Stelle, ist Ärgernis und Tragik zugleich. Zu übersehen, dass Bischof Franziskus den überfälligen Paradigmenwechsel forciert, ist überdies befremdlich. Befremdlich auch, was da im einzelnen nach Art eines Arguments hervorgekehrt wird – dazu, weil Leserbrief, nur in Stichworten:

Die geschlechtliche Bipolarität des Menschen (Gen 1,26–27) auf die Amtsfähigkeit zu biegen und dazu das Bild vom Leib Christi (1 Kor 12) heranzuziehen, ist erstaunlich gewagt. Zu übersehen, dass hinsichtlich der normativen Qualität des Verhaltens und Wortes Jesu in der Exegese der letzten Jahrzehnte eine erhebliche Bandbreite entstanden ist und anstelle dessen eine gut eingeführte, aber überholte Sichtweise dazu vorzutragen, erstaunt ebenso. So zu tun, als sei die Tischgemeinschaft beim letzten Mahl Jesu eindeutig auszunehmen, verkennt die Komplexität des biblischen Befundes, vor allem dann, wenn frau oder man die vielfältige Benennung der Personen durch die Evangelisten genau analysiert und (endlich) zur Kenntnis nimmt, dass Begriffe wie «die Zwölf», «Apostel», «Jünger[innen]» aus verschiedenen Epochen und Schichten der neutestamentlichen Zeit und Verkündigung stammen – wobei «Apostel» nicht zu den ursprünglichsten Bezeichnungen gehört(!). Dass Maria kein «Weiheamt» hat, erscheint banal angesichts des Sonderstatus, der ihr als «die Mutter meines Herrn» (Lk 1,42) eigen ist und der sich nicht in eine Struktur einordnen lässt. Ebenso wenig tragfähig ist die noch immer weit verbreitete Annahme, die Institution des Amtes und die davon abgeleitete Sukzession könne schnurgerade in den Abendmahlssaal zurückverlängert werden. Von einer so simplifizierenden, geradlinigen Amtstheologie» hat sich die theologische Wissenschaft der vergangenen Jahrzehnte weitestgehend verabschiedet. Der mühsamere Weg der Sammlung einzelner Teilargumente, die mosaikmässig zu bündeln sind, verspricht, obwohl nicht immer eindeutig, weit mehr an Tragfähigkeit, weil er weniger apodiktisch und dafür ehrlicher ist. Deshalb rechnet die Exegese (und ohne die effektive Berücksichtigung der von ihr zutage geförderten biblischen Grundlagen wird es auch für die theologische Systematik nicht gehen!) heute vermehrt damit, dass sich der Kreis der Menschen um Jesus aus Frauen und Männern zusammengesetzt hat; dass Strukturen zwar erkennbar, aber noch nicht verfestigt sind, und dass sich der dreistufige Ordo erst in nachneutestamentlicher Zeit entwickeln konnte. Alle biblischen Interpretationen im gegenständlichen Beitrag müssen daher hinterfragt werden. Dabei legt sich auch nahe, zwischen dem qualitativen Gewicht von biblischen und nachbiblischen Quellen zu unterscheiden und dies auch erkennbar zu machen. Überlegungen zu praktischen Fragen wie die unterschiedlich gelingende Amtspraxis in anderen Kirchen und entsprechende Einzelstimmen sollten in einen theologischen Diskurs hingegen nicht hineingemischt werden; sie haben keine argumentative Kraft.

Die normgebende Grundlage für die Kirche liegt in den Anfängen, also im Wirken Jesu von Nazaret und in der (vielgestaltigen) Weiterführung desselben nach Jesu Tod und Auferstehung. Was nachbiblisch an Tradition hinzuwächst, muss diese Anfänge nicht unbedingt kopieren, aber es muss sich dem Geiste nach im Wirken Jesu von Nazaret, dem Kyrios Christus, verankern oder dorthin zurückführen lassen. Festschreibung, Unbeweglichkeit, einseitige Konzentration auf nur Männer ist aber in diesem Wirken Jesu nicht auszunehmen, viel eher Solidarität sowie Kreativität, Fantasie und Mut zu Neuem in der Kraft des Geistes.

Das alles ist freilich seit Jahrzehnten längst theologisch verhandelt, zugleich kirchenamtlich weitgehend nicht rezipiert. Der theologische Konsens darüber, dass Dienste in den Kirchen der biblischen Zeit «ohne Einschränkung durch Geschlecht und Lebensstand» übertragen wurden [Orientierung 71 (2007) 31–36, vgl. SKZ 165 (1997) 778–786], ist in den letzten Jahrzehnten erheblich gewachsen – trotz der genannten lehramtlichen Äusserungen, die zu diesem Prozess und zu einem entstehenden theologischen Konsens eher beigetragen als ihn verhindert haben.

Nur mit einer verantworteten Theologie ist den Kirchen am Ort, ist auch dem Lehramt gedient. Die SKZ tut gut daran abzuwägen, welche Sichtweise von Kirche und Kirchenstruktur sie auf die Titelseite setzt – oder abgewandelt mit Karl Rahner: «Wenn man … nur die altgebahnten Wege wandelt, dann hat man es leicht und bequem. Ob man als kirchlicher Theologe dann seine Pflicht getan hat, ist eine andere Frage» (KR Werkausgabe 9, Seite 30).

 

Walter Kirchschläger

Walter Kirchschläger

Prof. em. Walter Kirchschläger war 1982–2012 ordentlicher Professor für Exegese des Neuen Testaments an der Theologischen Fakultät Luzern und von 2000 bis 2001 Gründungsrektor der Universität Luzern.