Neue Wege in der Erstkommunionkatechese

 

Der Erziehungsratgeber www.swissmom.ch ist die grösste Schweizer Informationsplattform rund um die Themen Schwangerschaft, Geburt und Kind. Wer sich durch diese Webseite klickt, erhält nicht nur Infos über Impfungen, Schulstress und gesunde Ernährung. In der Rubrik «Feiern mit Kindern» gibt es auch Auskünfte zu den Stichwörtern Taufe, Erstkommunion, Ostern und Advent. Die Webseite zeigt, dass die Erstkommunion für katholische Familien ebenso fest im Lebenslauf ihrer Kinder verankert ist wie das Schwimmabzeichen oder der Schulanfang.

Wer heute an einem Weissen Sonntag durch die Pfarreien geht, findet daher zahlreiche Beweise, dass die Volkskirche punktuell weiterlebt: Scharenweise Kinder, überfüllte Kirchen, elegant gekleidete Familien, üppiger Blumenschmuck und festliche Musik. So sieht eine vitale Kirche aus, könnte man meinen. Und teilweise stimmt das auch: Die Evaluationsstudie «Werte – Religion – Glaubenskommunikation» aus dem Jahr 2015 ergab, dass die Erstkommunion für die religiöse Sozialisation und Entwicklung in der Kindheitsphase katholischer Kinder eine sehr grosse Bedeutung hat. Die monatelange katechetische Vorbereitung wird von allen Beteiligten mit viel Zeit und Engagement gestaltet. Der Kommunionweg ist neben dem Religionsunterricht das mit Abstand grösste Feld religiöser Bildung in den Bistümern der Deutschschweiz – also rein quantitativ eine Erfolgsgeschichte.

Um die qualitative Frage zu beantworten, welche nachhaltigen Wirkungen für die beteiligten Eltern und Kinder von der Erstkommunion ausgehen, gibt die genannte Studie eine differenzierte Antwort: In allen drei Dimensionen der Religiosität (Wissen, Emotion, Praxis) lassen sich positive Effekte der Erstkommunionkatechese nachweisen. Freilich liegen die Kommentare von Familien am Tag nach dem Weissen Sonntag oft meilenweit auseinander: Während die einen sagen: «Eigentlich schade, dass es jetzt vorbei ist. Die Kinder waren topmotiviert, jetzt müsste es grade so weitergehen», kommentieren die anderen: «Gott sei Dank hat dieser religiöse Leistungssport ein Ende. Länger als ein halbes Jahr hätten wir so ein mega anstrengendes Programm nicht durchgehalten.»

An diesen Zitaten werden zwei Gruppen sichtbar, die die französische Religionssoziologin Danièle Hervieu-Léger die «Pilger» und die «Konvertiten» nennt. Die Pilger gehen nur ein Stück des Weges mit ihrer Kirche, ihnen genügt ein loser Kontakt. Die Konvertiten wollen mehr, sie führen ein intensives religiöses Familienleben und waren der Kommunionkatechese oft schon ein Stück voraus. Nach Hervieu-Léger hat unsere Kirche die Aufgabe, beiden Gruppen eine Heimat zu bieten. Manche Pilger-Familie sieht die Pfarrei nach dem Weissen Sonntag erst an Weihnachten wieder, spätestens bei der Firmvorbereitung. Die Kinder der Konvertiten gehen zu den Ministranten oder zur Jubla oder singen im Kinderchor, sie wollen eben mehr. Auch wenn deshalb Zerreissproben vorprogrammiert sind: Wir sind und bleiben eine Kirche aus Pilgern und Konvertiten. Und das ist gut so.

Christian Cebulj*

 

* Prof. Dr. theol. Christian Cebulj (Jg. 1964) ist Professor für Religionspädagogik und Katechetik sowie Rektor der Theologischen Hochschule Chur.