Musikalisches Sinnbild für Weltfrieden

Vor 200 Jahren erklang das Lied «Stille Nacht» zum ersten Mal. Heute ist es in der ganzen Welt bekannt und das Weihnachtslied schlechthin.

Stille-Nacht-Kapelle in Oberndorf bei Salzburg (A). (Bild: Gakuro)

 

Als der musikalisch begabte Hilfspriester Joseph Mohr (1792–1848) seine Stelle in Oberndorf bei Salzburg (A) antrat, traf er dort auf den Organisten Franz Xaver Gruber (1787–1863). Am 24. Dezember 1818 übergab er Gruber ein von ihm verfasstes Gedicht mit der Bitte, eine Melodie dazu zu schreiben. Diese sollte für zwei Solostimmen und Chor sein, dazu eine Gitarren- begleitung. Es wird vermutet, dass die Orgel kaputt war und Mohr deshalb zur Gitarre griff. Das Gedicht selbst hatte Mohr schon 1816 geschrieben. Gruber schrieb die Melodie noch am selben Tag und so sangen sie das Lied «Stille Nacht! Heilige Nacht!» bereits an diesem Heiligabend, vermutlich nach der Christmesse an der Krippe.

Das Lied erobert die Welt

Dieses so untypische Kirchenlied – auf Deutsch gesungen – gefiel den Gläubigen und so mancher erbat sich eine Abschrift des Liedes. Wie das Lied kurze Zeit später ins Zillertal gelangte, ist nicht restlos geklärt. Es ist aber überliefert, dass die Geschwister Rainer bereits an Weihnachten 1819 «Stille Nacht» in der Kirche von Fügen sangen. Drei Jahre später sollen sie es gar bei einem Besuch von Kaiser Franz I. von Österreich und Zar Alexander I. von Russland vorgetragen haben.

Durch die Sängerfamilien Rainer und Strasser wurde das Lied in Europa verbreitet. Am 15. Dezember 1832 gaben die Geschwister Strasser in Leizpig ein Konzert, an dem sie auch «Stille Nacht» vortrugen. Der Verleger Friese liess das Lied mitschreiben und so erfolgte 1833 ein Erstdruck des Liedes. Zu diesem Zeitpunkt galt «Stille Nacht» als traditionelles Tirolerlied – ein Verfasser wurde nicht angegeben – und Melodie und Text waren im Laufe der wenigen Jahre bereits verändert worden.1 Besonders markant war die Reduktion der ursprünglich sechs Strophen auf drei; dabei wurde auch deren Reihenfolge geändert in 1/6/2.2

1839 reiste die Sängerfamilie Rainer mit dem Lied im Gepäck nach Amerika. Dort verbreitete es sich rasch. Durch katholische und protestantische Missionare wurde «Stille Nacht» in alle Welt hinausgetragen. Heute sind Übersetzungen in mehr als 300 Sprachen bekannt.3 Seit der ersten Einspielung auf Schallplatte (1905) gehört es zu den meistverkauften Weihnachtsliedern weltweit.

Auf der Suche nach dem Ursprung

Es ist König Friedrich Wilhelm IV. von Preussen zu verdanken, dass Mohr und Gruber als Autoren des Liedes bekannt wurden: Nach einem Auftritt der Geschwister Strasser nahm der Berliner Domchor «Stille Nacht» in sein Repertoire auf und König Friedrich Wilhelm IV. kürte es zu seinem Lieblingslied. Als die Herkunft des Liedes geklärt werden sollte, stiess man eher zufällig auf Franz Xaver Gruber, der daraufhin die Entstehungsgeschichte in seiner «Authentischen Veranlassung» (1854) festhielt. Mohr erlebte diese späte Anerkennung nicht mehr, er war bereits 1848 gestorben.

Ein Lied stärker als der Krieg

Am 28. Juli 1914 begann der Erste Weltkrieg. An Heiligabend sangen an der Flandernfront deutsche Soldaten in ihren Schützengräben Weihnachtslieder, darunter das allen Nationen bekannte «Stille Nacht». Dies führte zu einem spontanen Waffenstillstand. Feinde trafen sich im «Niemandsland» zwischen den Schützengräben, um Tabak oder Nahrungsmittel auszutauschen, Fussball zu spielen, einen gemeinsamen Gottesdienst zu feiern und – Weihnachtslieder zu singen. «Stille Nacht» gilt bis heute als Inbegriff dieses Weihnachtsfriedens, aber auch für den mit Weihnachten verbundenen Frieden überhaupt.

Die österreichische Unesco-Kommission hat im März 2011 das Lied als «Stille Nacht – das Lied zur Weihnacht» in die Liste des immateriellen Kulturerbes Österreichs aufgenommen.

Rosmarie Schärer

 

1 Unsere heutige Liedfassung entspricht dieser Tirolerweise. Die erste Strophe der Originalversion ist zu hören
  unter www.stillenacht.at/music/strophe1.mp3.

2 Ausführlicher in Klek, Konrad, Stille Nacht!, in: Cardo. Ein Bazar für das theologische Studienjahr Jerusalem, 16 (2018), 7 f.

3 Auf www.silentnight.web.za finden sich 143 Übersetzungen des Liedes

 

BONUS

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