Musik im Fokus

Mit «Musik im Fokus» legt Alois Koch eine beeindruckende Auswahl seiner Aufsätze zu Fragen der (Kirchen-)Musik vor.1 Zum einen finden sich Aufsätze zu Komponisten, zum anderen interessante Beiträge zu Fragen der Kirchenmusik und zu «Musik und Bildung».

Kenntnisreich werden Komponisten sowie Klassiker wie Mozart, Bruckner, Liszt, aber auch Messiaen oder Penderecki vorgestellt. In diesen Aufsätzen lassen sich viele neue Fragen und Themen entdecken, die in der Sekundärliteratur oft unbeachtet blieben, z. B. Fragen zur Religiosität Mozarts oder der Interpretation der Musik Bruckners. Neben den grossen Namen der Musik verhandelt A. Koch aber auch Komponisten, die im (kirchen-) musikalischen Schaffen in der Schweiz für die neueren Entwicklungen von Bedeutung sind. Es finden sich Betrachtungen zu Leben und Werk von Johann Baptist Hilber, Albert Jenny, Paul Huber und Ernst Pfiffner. Die vier genannten Musiker haben sich nebst kirchenmusikalischen Werken ebenso im Bereich der Kammermusik, Chormusik und sinfonischen Musik profiliert.

Die von Habermas postulierte «neue Unübersichtlichkeit» spiegelt sich auch in der Kirchenmusik wider. Immer wieder streifen die Aufsätze Kochs das Phänomen des Pluralismus in der aktuellen kirchenmusikalischen Szene. Heute wird Musik von Gregorianik bis Palestrina, von Bach bis Bruckner gehört und gespielt. Im Gottesdienst werden Lieder der Reformation, der Romantik, aus Taizé und unserer Alltagsmusik gesungen. Orgel, Chor und Orchester, Gitarre wie Jazzbands finden ihre Verwendung. Alles steht allen zur Verfügung. Wie gehen wir damit um? Diese Frage richtet sich an Musikpraktizierende, Ausbilder/innen wie Auszubildende und letztlich an die meisten von uns als Hörer und Hörerinnen.

Grundsätzliches

Diese grundlegenden Fragen spiegeln die Beiträge des zweiten Teils des Buches: «Kirchenmusik und Gesellschaft». In der Tradition von Franz Liszt stehend, fragt A. Koch nach dem Spannungsfeld zwischen Tradition und Säkularisierung der Kirchenmusik im 20. Jahrhundert. Der Artikel «Der Cäcilianismus. Eine Kirchenmusikreform als Konsequenz des Historismus» manifestiert A. Kochs profunde Kenntnis der Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts. Diese Betrachtungen sind aber nicht rein akademischer Natur, sondern manifestieren zugleich die Erfahrungen des praktizierenden Kirchenmusikers und aktiven Bildungsverantwortlichen. Beispielhaft seien dafür der Artikel «Quo vadis organum? Eine kritische Bestandsaufnahme» sowie der Überblicksartikel «Kirchenmusik in der Schweiz – eine historische Skizze» genannt.

Neben diesen aktuellen Fragen werden Themen angegangen, die Desiderate der heutigen kirchenmusikalischen Reflexion darstellen. Im Spannungsbogen dialogischer Beschäftigung der Theologie mit den Künsten kommt der Musik ein Januskopf zu: Sie ist in ihrer Aufführungspraxis in der Kirche omnipräsent, anderseits steht eine theologische Reflexion über die Kirchenmusik weitgehend aus. In diesem Buch findet sich ein Aufsatz, den der Autor beim grossen Internationalen Kongress der Kirchenmusik 2015 in Bern vortrug. In diesem legt A. Koch eine lesenswerte Skizze zu einer Theologie der Kirchenmusik vor («Nil impurum aut lascivum». Anmerkungen zu einer Theologie der Kirchenmusik).

Musik und Bildung

Im dritten Teil werden die praktischen wie theoretischen Aspekte behandelt, die die Bildungsreform unter dem Stichwort «Bologna und seine Folgen» für die Kirchenmusik ausgelöst hat. Den Abschluss bildet eine umfangreiche Dokumentation des Wirkens von A. Koch und als Schlusskapitel sowohl ein Werkkatalog als auch eine Diskografie. Das Buch ist reich bebildert. Zentrale Aussagen von Dokumenten und Postulaten werden leserfreundlich zusammengefasst. Zur Einleitung des Buches wird ein Autograph der Messe in h-moll von J. S. Bach abgebildet, Bilder zum Wirken Alois Kochs finden sich über das ganze Buch verstreut. Allexs in allem ein wichtiger Meilenstein für das kirchenmusikalische Schaffen seit den Umbrüchen des II. Vatikanums. Experten wie Liebhaber der (Kirchen-)Musik finden darin zahlreiche Anregungen.

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Woher Musik stammt ...

«Man hat ... im Rausch der sogenannten Neuzeit, des technologischen Fortschritts, der schrankenlosen Kommunikation und Verfügbarkeit aller materiellen Werte dieses Planeten allmählich vergessen, was Musik eigentlich wäre, woher sie stammt: aus dem Religiösen nämlich, dem Leben mit und in Gott, aus dem Ethischen, der Sehnsucht nach einer geformten – nicht genormten –, in sich stimmigen Wertordnung und aus dem Politischen, der ‹Polis›, der vernünftigen und sinnerfüllten Gemeinschaft der Menschen.»

Urs Frauchiger, in: Was zum Teufel ist mit der Musik los. Eine Art Musiksoziologie für Kenner und Liebhaber, Basel, Zytglogge-Verlag, 1982, 113.

 

1 Alois Koch: Musik im Fokus. Texte. Pro Libro Verlag Luzern, 2016, 277 Seiten.

Wolfgang W. Müller

Wolfgang W. Müller

Prof. Dr. Wolfgang W. Müller lehrt Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.