Mit Humor und spitzer Feder

Wer kennt sie nicht, Don Camillo und Peppone? Giovannino Guareschis streitbarer Priester und kommunistischer Bürgermeister haben nicht nur für Unterhaltung gesorgt, sondern auch die italienische Politik beeinflusst.

Fernandel als Don Camillo (l.) und Gino Cervi als Peppone im Film von Julien Duvivier (1952).

 

Das Leben des Giovannino Guareschi ist eine der Geschichten, die aus der Ebene dem Fluss zuströmen, bevor dieser sie wie Blätter zum Meer der grossen Erzählungen schwemmt. Es vereint die bewegte Zeit zwischen Faschismus und Wirtschaftswunder und verbindet sie mit einem innigen Glauben an Gott, König und Vaterland. Kein Autor hat den postfaschistischen Jahren seinen Stempel so aufgedrückt wie Guareschi. Der meistübersetzte Schriftsteller Italiens ist nicht Svevo, Calvino oder Eco, sondern der Mann aus der parmaischen Provinz.

Don Camillo und Peppone

Seine «Kleine Welt» – geprägt von einem fauststarken Dorfpfarrer und einem kommunistischen Bürgermeister – erobert jenseits der Grenzen der Äcker und Fruchthaine der Bassa Padana die grosse Welt. Millionen Leser, Kinobesucher und Fernsehzuschauer erreicht er damit. Die Filme mit Fernandel und Gino Cervi prägen bis heute Generationen. Guareschi hält sogar in die päpstlichen Gemächer Einzug: von Papa emeritus Benedikt XVI. ist bekannt, dass er sich die Filme vorführen liess.

Dabei hatte Guareschi sich zeitlebens als Journalist, nicht als Schriftsteller verstanden: «Ich hatte eigentlich nie die Absicht, ein Buch zu schreiben. Und dass nun mein Verlagshaus aus meinen Artikeln Bücher macht, ist doch schliesslich nicht meine Schuld.» Seine berühmtesten Figuren waren anfangs nur Teil kleiner Episoden, die in seiner Zeitung «Candido» erschienen, bevor sie sich vom Papier abhoben und andere Wege beschritten.

Stur und konsequent

Guareschi war Satiriker. Aber vieles vom Kampf zwischen Don Camillo und Peppone ist ein Mosaikstück der Biografie des Parmesen und bitter- ernst. Sein Leben bestimmte eine unbeirrbare Starrsinnigkeit, die sich gegen alle Hindernisse stellte. Die Liste seiner Feinde füllt Buchseiten: Kommunisten, Faschisten und Christdemokraten wechseln sich gleichermassen ab. Womöglich auch, weil Guareschi alles andere als ein umgänglicher Mensch war, wie der Übersetzer Alfons Dalma anmerkte: «Er ist ein Choleriker, fast ein Sanguiniker, fährt leicht aus der Haut und ist schwer beleidigt, wenn man ihn zehn Minuten warten lässt.»

Das Temperament seiner hitzköpfigen Figuren ähnelt dem ihres Schöpfers. Dem am 1. Mai 1908 in Fontanelle geborenen Guareschi stellen sich dabei von Anfang an Gegner in den Weg, die seinen Aufstieg verhindern wollen. Als er in Parma als Journalist anfängt, sagt man ihm, er solle das Schreiben lassen und lieber Bauer werden. Guareschi setzt sich jedoch durch und macht Karriere bei der «Gazzetta di Parma», bevor er 1936 zum «Bertoldo» nach Mailand wechselt. Bereits ein Jahr später wird er Co-Chef des Satireblatts, das in seiner Zeit zum beliebtesten humoristischen Journal Italiens avanciert. Den Erfolg beenden 1943 die alliierten Bombardements, da die mailändische Redaktion in Flammen aufgeht.

Gefangen, doch innerlich frei

Die Lage eskaliert, als Guareschi das faschistische Regime kritisiert und denunziert wird. Zur Strafe wird der Journalist in die Armee eingezogen. Als das Königreich Italien im selben Jahr den Waffenstillstand von Cassibile schliesst, befindet sich Guareschi in der Kaserne von Alessandria – tief im faschistischen Gebiet. Der königstreue Katholik wehrt sich dennoch dagegen, weiter für Mussolini und dessen Rumpfstaat in Norditalien zu kämpfen. Die Nationalsozialisten, die das Mussolini-Regime stützen, verfrachten ihn als «italienischen Militärinternierten» in die Gefangenenlager Deutschlands und Polens. Von 1943 bis 1945 fristet Guareschi dort sein Leben, wo «unter farblosem Himmel, inmitten der strengen Geometrie der Baracken und dem Schmutz des Sandes die Verzweiflung nicht mehr von dieser Welt» ist, wie er in seinem «Diario Clandestino» schreibt. Hier, in diesem Land, «wo die Wachtürme allgegenwärtig sind wie die Augen Gottes – jenes Gottes, von dem die Deutschen sagen, dass er mit ihnen sei, aber so verschieden ist von unserem».

Die Faschisten bieten Guareschi an, sein Martyrium zu beenden. Der einst gefeierte Humorist soll einen neuen, regimefreundlichen «Bertoldo» ins Leben rufen, um die schwächelnde Moral der mussolinitreuen Soldaten zu stärken. Der aber lehnt ab: Er werde nicht auf «seine eigenen Leute schiessen», nicht «nach Salò»1 gehen, lieber bei seinen Kameraden im Lager vegetieren.

Länder sind zerstört, doch nicht Gott

Während der Zweite Weltkrieg zur Nagelprobe des europäischen Geistes und des christlichen Glaubens wird, in Trümmern und Asche, auf den Blutfeldern der Kriegsplätze, in den Gaskammern der Lager und im Terror der Vertreibung und Vernichtung, verharrt Guareschi in seinem katholischen Glauben wie ein standhafter Christ angesichts des neronischen Wahnsinns. Die Städte sind zerstört, die Länder verheert, Menschenleben millionenfach genommen worden. Doch Gott, so Guareschi, ist nicht zerstört. Im Elend der Lager formt er mittels Karton, einer Postkarte und eines Stifts eine Krippe zu Weihnachten. Die Dunkelheit der Welt ist nichts gegen das Licht der Ewigkeit. Nach der Befreiung durch britische Truppen wird Guareschis Tagebuch zum Zeugnis der 600 000 italienischen Soldaten, die zusammen mit Polen und Russen auf der untersten Ebene der Lagerhäftlinge rangierten. Es wird in Italien zum meistverkauften Buch dieses Genres.

Sein Kampf gegen den Kommunismus

Das Italien, in das Guareschi zurückkehrt, befindet sich trotz Kriegsende immer noch im Bürgerkrieg. Seine emilianische Heimat ist Teil des «Dreiecks des Todes», wo kommunistische Partisanen ein Massaker an politischen Gegnern verüben – gegen Priester, Seminaristen, christliche Politiker, Monarchisten und andere «Reaktionäre», die vorher gegen die Faschisten gekämpft haben. Für Guareschi ist der Kommunismus nicht mit seiner christlichen Überzeugung zu vereinen: «Dieser Gott, der jedem Menschen ein Gewissen und eine Persönlichkeit gegeben hat, ist ein entschiedener Feind des Kollektivismus […] Nein, ich höre nicht damit auf, zu sagen, dass Gott mit mir ist. Ich schliesse, indem ich der glühenden Hoffnung Ausdruck gebe, dass auch ich mit Gott bin!»

Es folgt die Gründung des «Candido», Guareschis Verlautbarungsorgan: monarchistisch, reaktionär, entschieden katholisch und so unterhaltsam wie erfolgreich. Wöchentlich nimmt er dort die Fehler in der kommunistischen Zeitung «Unità» aufs Korn; zugleich ist es die Geburtsstätte Don Camillos. Mit der jungen italienischen Republik kann der Monarchist Guareschi nichts anfangen, ebenso wenig wie mit Etatismus oder Parteienherrschaft. Kommunisten wie Christdemokraten unterstützen das Exil der Königsfamilie, eine Tat, die Guareschi den Christdemokraten nie verzeiht – «einen König kann man nicht abwählen», spricht die Lehrerin Signora Cristina aus seinem Mund, als Don Camillo sie über das Referendum informiert.

Trotz dieses Verrats verbündet sich Guareschi mit den Christdemokraten gegen die Roten. 1948 steht Italiens Schicksal auf Messers Schneide – kaum ein anderes westeuropäisches Land hat so eine starke kommunistische Bewegung. Einige Slogans der christdemokratischen Wahlpropaganda stammen aus der Feder Guareschis, darunter der ikonisch gewordene Spruch: «Gott sieht euch in der Wahlkabine – Stalin nicht!» Ein Spruch, der im Film «Die Grosse Schlacht des Don Camillo» wiederholt wird.

Ein Querdenker bis zuletzt

Der Wahlsieg der antikommunistischen Kräfte ist auch ein Wahlsieg Guareschis. Wenige Jahre später legt er sich mit Staatspräsident Luigi Einaudi und Ministerpräsident Alcide de Gasperi an. Diejenigen, die am meisten von seinem Kampf gegen die Kommunisten profitieren, schicken ihn für 409 Tage ins Gefängnis. Selbst in dieser zweiten Haft kontert Guareschi mit bissigem Humor und malt eine Karikatur von sich selbst am Weihnachtstag: mit einer Kettenkugel als Christbaumschmuck im überdimensionierten Schnauzbart.

Guareschi stirbt am 22. Juli 1968 in Cervia. Ein bezeichnendes Todesjahr für einen Reaktionär. Er stirbt, wie er lebte: als ein Wiedergänger des Athanasius2, der im Widerstand gegen die Welt Bestätigung verspürt. Trotz Liturgiereform lässt er sich nach altem Ritus beerdigen; trotz Republik liegt ein Banner des Königreichs Italien auf seinem Sarg. Selbst Guareschis Tod ist Widerstand, im festen Glauben daran, dass die ewigen Geheimnisse über den Zeitgeist triumphieren.


Marco F. Gallina

1 Stadt in der Lombardei.

2 Athanasius der Grosse, Bischof von Alexandria, wurde in der Auseinandersetzung mit dem Arianismus mehrfach verbannt und wieder eingesetzt. Darauf bezieht sich das Sprichwort «Athanasius gegen die Welt».

 


Marco F. Gallina

Marco Gallina (Jg. 1986) studierte in Bonn und Verona Italienische Literatur, Politikwissenschaft und Geschichte. Bis 2021 war er Mitarbeiter im Deutschen Bundestag. Dort spezialisierte er sich auf Themen zur Aussen-, Sicherheits- und Energiepolitik. Er arbeitet als freier Autor und Betreiber des «Löwenblogs» unter www.marcogallina.de