Mit Gott und Mensch im Gespräch bleiben

Theorien über berufliche Spiritualität sind weit verbreitet. Doch wie sieht es in der konkreten Praxis aus? Die SKZ hat bei vier Hauptamtlichen nachgefragt.

Angela Bucher-Adamek, Luis Varandas, Eleonora Biderbost und Patrick Schläpfer (v.l.) erzählen, wie sie in ihrem Alltag ihre Spiritualität leben.

 

Angela Bucher-Adamek: Spiritualität und Beruf unter einen Hut bringen

«Als Pastoralassistentin, Ehefrau und junge Mutter einer Tochter habe ich meine Zeit für das Gebet, für die Spiritualität neu ordnen müssen. Ich habe neue Nischen gefunden. So nutze ich etwa die Autofahrt zur Arbeit zum Gebet. Auch singe und lobe ich gerne Gott während des Autofahrens und geniesse die Zeit für mich. Gerne schalte ich das Radio aus und fahre eine Weile in der Stille. Das Gebet, der Gottesdienst und die Verbindung zu Gott sind mir sehr wichtig. Meistens beginne ich den Morgen mit einem einfachen freien Gebet, in dem ich Gott den Tag, meine Familie und mich in seine Hände lege. Dies ist mir besonders wichtig und dauert nur eine Minute. Durch den Tag baue ich je nach Möglichkeit ein Gebet ein, z. B. beim Duschen, beim Wäscheaufhängen oder ‹bim Schöppele› der Kleinen.
Abends bete ich regelmässig mit meinem Ehemann. Wir haben ‹unser Gebet›, ein Gebet des heiligen Augustinus, das wir noch als junges, unverheiratetes Paar für uns ausgesucht haben. Manchmal denke ich, dass ich zu wenig bete und dass ich kaum dazu komme. Und so spreche ich auch kleinere Gebete (wie ‹O Gott, komm mir zur Hilfe.›). Das wichtigste Gebet ist für mich das Vaterunser. Ich finde es wunderschön, dass Jesus selbst uns diesen Schatz, dieses Gebet geschenkt hat. Auch drei Gebete aus meiner Kindheit begleiten mich besonders stark. Lieder vom Weltjugendtag und neu auch aus Kindergebetsbüchern sind ein Teil meiner gelebten Spiritualität. Gerne höre ich mit meiner Tochter eine CD mit Kinderlobliedern, während ich in der Küche arbeite. Wichtig ist mir, dass die Spiritualität nicht nur ein Teil meines Lebens ist, sondern mein ganzes Leben durchdringt. So sind für mich auch Taten der Liebe und des guten Willens ein Teil meines Glaubens und meiner gelebten Spiritualität.»

Angela Bucher-Adamek (Jg. 1990) absolvierte die Berufseinführung in Kriens LU und arbeitet seit Januar 2018 als Pastoralassistentin in Kreuzlingen TG. Sie ist verheiratet mit Dominik Bucher (ebenfalls Theo- loge). Sie sind Eltern der einjährigen Tochter Lea-Maria.
 

Luis Varandas: Geerdet im Gebet

«Der Alltag in der Pfarrei kann sehr unterschiedlich sein, manchmal beginnt der Tag mit einem Gottesdienst, manchmal aber auch mit einer Sitzung. So ist es wichtig, dass mein persönlicher Alltag gewisse spirituelle Ankerpunkte hat. Diese spirituellen Quellen sind: das Stundengebet, die Feier der Eucharistie, die Lectio Divina, Augenblicke der Stille, aber auch die bewusste und tiefe Begegnung mit den Menschen. Das Stundengebet ist eine wichtige Unterstützung, um den Tag zu strukturieren und einzuteilen. Am Morgen nach dem Aufstehen erlaubt es mir einen guten Start in den neuen Tag. Tagsüber muss ich es je nach Wochentag und Tagesplan anders einteilen. Am Abend ist es die Vollendung des Tages und in der Komplet kann ich über den vergangenen Tag nachdenken und alles in Gottes Hände legen. Die Lectio Divina hat in meinem Alltag keine feste Zeit. Manchmal ist es eine fortlaufende Lesung eines Bibelabschnittes, manchmal aber nur ein kurzer Text. Wichtig ist mir dabei auch gute spirituelle Literatur.
Für mich persönlich ist der Rosenkranz sehr wichtig. Ich trage immer einen Rosenkranzring aus Fátima, für mich eine spirituelle Heimat, von dem ich regelmässig Gebrauch mache. Den Rosenkranz bete ich bei einem Spaziergang oder manchmal auch während einer Autofahrt. Das Dasein vor Gott in der Stille ist mir ebenfalls wichtig. Einmal in der Woche haben wir in der Pfarrei eine Anbetung vor dem Altarsakrament; wann immer möglich bin ich dabei und nehme mir gerne diese wertvolle Zeit. Die bewusste Begegnung mit den Menschen hat für mich auch eine wichtige spirituelle Komponente. Dabei ist es mir wichtig, ganz für diese Menschen da zu sein, immer offen für das Wirken Gottes und die Begegnung mit Jesus Christus. Nach solchen Begegnungen nehme ich die Erfahrungen und Anliegen gerne mit, zünde in der Kirche eine Kerze an und verweile einen Augenblick im stillen Gebet. Martin Luther schrieb: ‹Wenn du wenig zu tun hast, dann bete eine Stunde; wenn du viel zu tun hast, zwei Stunden.› Eine Empfehlung, die mir zentral scheint, denn je mehr wir im Alltag eingespannt sind, desto wichtiger ist das Gebet. Das Gebet erdet uns und ist eine wichtige Quelle für die Arbeit in der Pastoral.»

Luis Varandas (Jg. 1978) wurde 2010 zum Priester geweiht und arbeitet seit März 2015 im Seelsorgeraum Dübendorf, Fäl- landen, Schwerzenbach. Er ist seit einem Jahr im Synodalrat der katholischen Körperschaft im Kanton Zürich. (Bild: Christof Wider)
 

Eleonora Biderbost: Gottes Spirit finden

«Ich gebe zu – ich habe ein etwas schwieriges Verhältnis zum Wort ‹Spiritualität›. Es fällt mir nicht leicht, zu beschreiben, wie ich meine Spiritualität lebe, und ich habe bis heute Mühe, diesen Begriff aus dem Stegreif zu definieren. Ich glaubte lange Zeit, Spiritualität sei etwas, das man zusätzlich in seinen beruflichen und privaten Alltag einbaut – vor allem, wenn man im kirchlichen Dienst steht und mit dem Geistigen, Geistlichen und Transzendenten sozusagen von Amtes wegen auf gutem Fuss zu stehen hat. Ich verstand Spiritualität als eine Übung, die es neben Beruf und Familie ebenfalls noch zu ‹erledigen› galt. Doch weder der morgendliche Waldspaziergang noch die abendliche Meditation und auch nicht die selbst verordnete stille Zeit waren mein spiritueller Weg. Im Gegenteil, all das setzte mich zusätzlich unter (Zeit-)Druck und belastete mich eher, als das es mir guttat.
Mit den Jahren lernte ich, dass Spiritualität sehr individuell ist und dass meine persönliche Spiritualität nicht um das ‹Was› kreisen darf, sondern um das ‹Wie›. Nicht was ich zusätzlich tue, ist entscheidend, sondern wie ich das tue, was mir als Laientheologin, Ehefrau und Mutter aufgetragen ist. Es ist das bewusste Dasein im Hier und Jetzt und in dem, was in diesem Moment getan werden will oder muss: Das grundsätzliche Mit-Gott-Rechnen bei allem, was ich tue; ihn suchen in den täglichen Pflichten und Begegnungen. Es ist das Ins-Gespräch-Kommen mit Gott während der Arbeit und durch sie. Das Anwesendsein mit Leib, Seele und Geist – auch wenn die Zeit drängt und der nächste Termin bereits wartet. Natürlich gelingt das nicht immer, doch es immer wieder aufs Neue zu versuchen, ist mein persönliches spirituelles Ringen und Wachsen. Dabei ist mir noch etwas klar geworden: Ich kann meine Spiritualität nicht alleine leben, sie braucht ein Gegenüber, ein Du. Im Kontakt, im Zusammensein, im Austausch mit anderen Menschen, im gemeinsamen Feiern, Beten und Singen finde ich Gottes guten Geist – seinen Spirit – in dieser Welt und in mir.»

Eleonora Biderbost (Jg. 1965) ist seit 2009 als Laientheologin in der Pfarrei Dreifaltigkeit Obergoms VS tätig. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
 

Patrick Schläpfer: Leben aus der Eucharistie

«Es ist mir wichtig, mir genügend Zeit für meine Spiritualität zu nehmen. Als Ständiger Diakon gehört das Stundengebet zu meinen Pflichten, das ich jedoch schon seit Studienzeiten pflege. Daneben baue ich möglichst täglich die Tageslesungen in eine Zeit für Meditations- und Achtsamkeitsübungen ein. Und selbstverständlich mache ich meine jährlichen Exerzitien. Als Teil meiner Spiritualität ist mir das Leben aus der Eucharistie sehr wichtig. Im Berufsalltag geniesse ich die regelmässige eucharistische Anbetung. Auch wenn ich die Kommunion zu älteren oder kranken Menschen bringe, erlebe ich dies als ein Geschenk. Seit meiner Weihe zum Ständigen Diakon fühle ich mich während der Eucharistiefeier noch ‹näher am Geschehen› und es hat mich überrascht, wie ich dieses Geheimnis nun auf eine noch tiefere Weise mitfeiern kann.
Daneben finde ich es auch schön, meine Spiritualität weitergeben zu können, vor allem bei Tauf- und Traugesprächen und bei den Feiern dieser Sakramente selbst. Ich versuche dabei, den Taufeltern und Mitfeiernden zu vermitteln, dass das Gnadengeschenk nach der Taufe weitergeht, dass wir alle von Gott angenommen und in seine Hände geschrieben sind. Und ich versuche, den Brautpaaren gegenüber etwas von der Schönheit der Liebe Gottes zu uns Menschen auszudrücken, die durch sie selber zum Ausdruck kommt.
Am meisten ‹leidet› das spirituelle Leben unter den vielen organisatorischen Aufgaben, die der Berufsalltag mit sich bringt. Ich hätte gerne mehr Zeit für die Begleitung von Menschen, z. B. bei der Trauernachbereitung; im Kontakt mit Menschen kann Spiritualität genährt und weitergegeben werden. Wenn mir die Büroarbeit zu viel wird und ich einen ‹spirituellen Impuls› brauche, lasse ich alles liegen und gehe zu Besuchen ins Altersheim. Ein Spruch, den ich irgendwo gelesen habe, hilft mir dabei: ‹Papst Franziskus ermutigt mich jeden Tag, mein Büro und die Aktenberge auf meinem Pult zu verlassen, um auf Menschen zuzugehen.›
Ein Rat, den ich allen Berufseinsteigern mitgeben möchte, ist: Nehmt euch genug Zeit für die Pflege eurer Spiritualität. Lasst eure Umgebung und eure Vorgesetzten spüren, dass Spiritualität ein Teil der pastoralen Arbeit ist und dass euch die Pflege der Gottesbeziehung guttut und euch für den Beruf stärkt.»

Patrick Schläpfer (Jg. 1972) ist Ständiger Diakon. Er ist als Pfarrei- beauftragter in Gams SG und als Teamkoordinator der Seelsorgeeinheit Werdenberg tätig.