Die richtigen Namen nennen

Geistliche Begleitung gehört während des Theologie- oder RPI-Studiums zum Begleitprogramm. Sie unterstützt alle Suchenden bei der Klärung und der Stärkung der Beziehung zu sich selber und zu Gott.

Dies ist unsere Freiheit
die richtigen Namen nennend
furchtlos
mit der kleinen Stimme

einander rufend
mit der kleinen Stimme
das Verschlingende beim Namen nennen
mit nichts als unserem Atem

salva nos ex ore leonis
den Rachen offen halten
in dem zu wohnen
nicht unsere Wahl ist.

(Hilde Domin)

Das Gedicht von Hilde Domin ist eine grosse Hilfe, um über die Geistliche Begleitung zu sprechen. Es geht in der Begleitung um «Freiheit» für suchende Menschen. Frei, wirklich frei bin ich nicht, wenn ich tun kann, was ich will, sondern wenn ich immer besser benennen kann, was mein Wesen zur Entfaltung bringt, wenn ich beginne, über meine innere Welt zu sprechen, auch über meine Beziehung zu Gott. Es geht um die «richtigen Namen», um die treffenden Worte für die Wahrnehmung des eigenen Lebens und Empfindens. Es geht im Tiefsten um die Rettung des Menschen. «Salva nos ex ore leonis», rette mich vor dem Rachen des Löwen, betet der Psalmist (Ps 22). Im Stossgebet formuliert jemand seine Hilfsbedürftigkeit und sucht einen Umgang mit den Umständen, die Gott für unser Leben geschaffen und zugelassen hat, ohne uns zu fragen. Nur was angenommen ist, ist auch erlöst – so wird Gregor von Nazianz zitiert. Im Dienst dieser Selbstannahme steht die Begleitung.

Ein Gespräch, das Wachsen ermöglicht

Im Unterschied zu Gesprächen mit Freunden oder anderen vertrauten Menschen sind bei der Geistlichen Begleitung die Rollen klar definiert: erstens jemand, der Begleitung sucht, um sein Leben zur Sprache zu bringen, und zweitens jemand, der als Begleitperson geeignet ist und den Suchenden als Gegenüber zur Verfügung steht, vor allem durch gutes Zuhören.

Geistliche Begleitung ist eine Hilfe, um im persönlichen Glauben lebendig zu bleiben. Es geht nicht um einen theologischen Austausch, sondern um die Dimension des Herzens, um das Wachsen in der Möglichkeit zu lieben. Begleitung behält in jedem Gespräch die Offenheit, über ein neues Thema zu sprechen, auch über das, was gut geht, was Freude macht und gelingt.

Konkrete Ziele dieser Gespräche sind: den eigenen Weg mit Gott suchen und gehen; die eigene geistliche Quelle ergründen und finden; die Menschwerdung fördern, d. h. die Ausrichtung auf die persönliche Entfaltung mit allen Gaben, Stärken und Schwächen.

Vertrauen und Bereitschaft

Geistliche Begleitung stellt hohe Ansprüche an die Begleitperson. Diese sollte in Lebens- und Glaubensfragen einen Erfahrungsvorsprung haben, im Glauben an Jesus Christus verankert sein, nicht polarisierend wirken und Vertrauen schaffen. Sie weiss nicht, wohin der Weg eines Suchenden geht, und sollte diesbezüglich den Raum für Gottes Wirken offenhalten.

Begleitung setzt umgekehrt voraus, dass ich mich als Suchende wahrnehme, dass ich die Bereitschaft habe, mich zu öffnen, und versuche, was mich innerlich bewegt, ins Wort zu bringen. Ich vertraue darauf, dass Gott durch andere Menschen zu mir sprechen kann. Wichtig ist: Ich entscheide mich selber für eine Begleitung. Ich kann mich auch dann selber entscheiden, wenn die Begleitung zum Programm für Studierende gehört.

Geistliche Begleitung konkret

Franz von Sales rät: «Bete inständig zu Gott und er wird dir einen geeigneten Begleiter geben, selbst wenn er dazu einen Engel vom Himmel schicken müsste.»

Mache mit einer möglichen Begleitperson ein Vorgespräch ab, um zu klären, ob die Vertrauensbasis stimmt, und um Erwartungen und Befürchtungen auszusprechen. Nach einem positiv verlaufenen Vorgespräch nimm drei bis vier Termine wahr (eine Stunde pro Monat) und schaue rückblickend, ob die Beziehung geeignet ist. Wichtig ist, sich zu fragen: Kann ich mich anvertrauen? Kann ich echt sein?

Viele Begleitende stehen kostenlos zur Verfügung. Es gibt aber einzelne Freischaffende, die diesen Dienst nicht unentgeltlich anbieten können. Weil Geistliche Begleitung etwas Wertvolles ist, sollte die Frage der Finanzen beim Vorgespräch angeschnitten werden.

Hildegard Aepli


Hildegard Aepli

Hildegard Aepli (Jg. 1963) arbeitet seit 2012 als Mitarbeiterin im Pastoralamt des Bistums St. Gallen und als Pastoralassistentin in der Dompfarrei. Sie hat langjährige Erfahrung als Geistliche Begleiterin und Exerzitienleiterin.

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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