«Mission beginnt vor unserer Haustür»

Papst Franziskus lädt die Kirche zu einem ausserordentlichen Monat der Weltmission ein, «um das Bewusstsein der missio ad gentes wieder stärker wachzurufen». Wie wird dieser Monat in der Schweiz begangen?

Diakon Martin Brunner-Artho studierte in Freiburg und Jerusalem Theologie und Sozialarbeit. Seit 2012 ist er Direktor des Internationalen Katholischen Missionswerkes Missio. (Bild: zvg)

 

Dieser besondere Monat wird am 1. Oktober mit einer Feier im ältesten Baptisterium der Schweiz in Riva San Vitale im Tessin eröffnet. Der erste Höhepunkt rückt die Taufe ins Zentrum und will sie neu ins Bewusstsein heben. Ein zweites Highlight bildet der Weltmissionssonntag am 20. Oktober. An diesem Sonntag wird die Sendung der Christen hier und anderswo unterstrichen und die Aussendungsfeier am 31. Oktober – dem dritten Höhepunkt – soll zeigen, dass diese Sendung über diesen Monat hinausgeht. Er ist der Anfang einer neuen missionarischen Dynamik. Die SKZ sprach mit Martin Brunner- Artho über weitere Projekte. Er ist Mitglied der von der Schweizer Bischofskonferenz einberufenen Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des ausserordentlichen Monats der Weltmission.
 
SKZ: Wo stehen die Arbeitsgruppe und die Koordinationsstelle in den Vorbereitungen?
Martin Brunner-Artho: Nach einer Phase der Findung und Selbstorganisation wurde ein Konzept für den ganzen Monat entwickelt. In einer zweiten Phase ging es darum, den ausserordentlichen Monat der Weltmission bekannt zu machen, viele Kirchengruppierungen für den Missionsmonat zu gewinnen und die nötigen Informationen bereitzustellen. Da wir auf eine breite Unterstützung zählen können, war es möglich, eine Koordinationsstelle für den Missionsmonat einzurichten. Es geht ja nicht nur um die drei Hauptereignisse, sondern auch darum, begleitende Elemente zur Verfügung zu stellen wie z. B. den Info-Flyer in acht Sprachen, ein Video, Roll-Up-Banner, das Taufsteintuch für die Pfarreien und anderes mehr. Die Website www.getauftundgesandt.ch informiert, motiviert und verbindet alle Elemente des ausserordentlichen Monats der Weltmission zu einem Ganzen.

Wo liegen die grössten Herausforderungen?
Mission ist ein grundlegender Begriff der Kirche und hat verschiedene Dimensionen, die in ein Gleichgewicht gebracht werden wollen. Zuerst beginnt Mission bei mir selber, sie ist aber gleichzeitig eine Sendung der ganzen Kirche. Mission will hinaus «in die ganze Welt» (Mk 16,15), sie beginnt aber bereits vor meiner Haustür. Sie hat auch eine konkrete humanitäre Dimension, aber ebenso klar diejenige der Verkündigung des Evangeliums. Die genannten Dimensionen beeinflussen unterschiedliche Missionsverständnisse. Sie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Weil die Zugänge sehr unterschiedlich sein können, müssen sie geklärt werden.

An der Medienkonferenz vom 5. März stand die Gestaltung der Aussendungsfeier noch aus.
Tatsächlich ist die Gestaltung der Aussendungsfeier die grösste Herausforderung. Wie kann den Gläubigen erfahrbar gemacht werden, dass sie in die Sendung der Kirche mit hineingenommen sind? Wie kann ihnen vermittelt werden, dass sie Gesandte sind? Unser Modell ist die Sendung am Ende des Gottesdienstes. Oft wird von Entlassung gesprochen. Liturgisch ist das «Ite missa est» jedoch eine Sendung in die Welt und für die Welt. Der Gottesdienst ist ein Ort der Vergewisserung und Stärkung für den Glaubensvollzug im Alltag. Dorthin sind wir kraft der Taufe gesandt. Wir werden also auf diesem liturgischen Element aufbauen. Zudem möchten wir eine Diskussion anstossen über die Mission, die die Kirche in der Schweiz hat, denn die Mission beginnt vor unserer Haustür.

Wie können die Gläubigen an der Eröffnungs- und Aussendungsfeier teilnehmen?
Die Eröffnungsfeier am ersten Oktober – dem Fest der Patronin der Mission, der Heiligen Therese von Lisieux – findet, wie Sie eingangs erwähnten, im ältesten christlichen Bauwerk in der Schweiz statt, dem Baptisterium San Giovanni in Riva San Vitale im Tessin. Der Ort wurde aufgrund seiner Symbolkraft gewählt. Er ist aber zu klein, um eine grössere Gruppe aufzunehmen, zudem liegt er geografisch nicht zentral. Der Auftakt findet dort statt, soll aber in die Pfarreien getragen werden. Während das Taufsteintuch dort zum ersten Mal ausgebreitet wird, kann das in den Pfarreien am nachfolgenden Sonntag oder am Sonntag der Weltmission gut nachvollzogen werden, beispielsweise als Element des Bussaktes zu Beginn des Gottesdienstes. Ähnliches ist für die Sendungsfeier gedacht. So kann sich ein Bogen von der Eröffnung über den Sonntag der Weltmission bis zur Aussendung spannen.

Auf der Webseite laden Sie Einzelpersonen, Pfarreien, Gemeinschaften ein, ihre Ideen und Projekte einzubringen.
Die Initiativen dürfen so vielfältig sein wie die Kirche Schweiz selbst vielfältig ist. Das reicht von wissenschaftlichen Anlässen wie das Freiburger Forum für Weltkirche an der Universität Freiburg i. Ue. vom 10. und 11. Oktober bis zum Gebet für das Missionsanliegen durch die kontemplativen Orden. Unser Anliegen ist nicht, dass möglichst viele neue Projekte entstehen. Mission ist ein grundlegendes Thema der Kirche, das in vielen vorhandenen Anlässen aufgenommen werden kann. Ein Einstieg in eine Sitzung zum Beispiel kann mit der Aktion #MeineMission erfolgen, bei der sich die Teilnehmenden darüber austauschen, worin sie ihre ganz persönliche Mission erkennen. Der Monat der Weltmission hat selbstverständlich auch mit der Weltkirche zu tun. Weltweit sind wir mit-einander und für-einander unterwegs.

Was war der Anlass für Papst Franziskus, einen ausserordentlichen Missionsmonat fürs 2019 auszurufen?
Kardinal Kurt Koch sagte in einem Interview, dass das Pontifikat von Papst Franziskus von drei Begriffen geprägt sei: Freude, Barmherzigkeit und Mission. Die Freude behandelt er ausführlich in Evangelii Gaudium und die Barmherzigkeit im Jahr der Barmherzigkeit. Der ausserordentliche Monat der Weltmission ist deshalb eine logische Fortsetzung. Der äussere Anlass ist das 100-Jahr-Jubiläum von Maximum illud, ein Apostolisches Schreiben von Papst Benedikt XV. Dieses Dokument steht an der Wende zu einem modernen Missionsverständnis, das sich klar von kolonialen Interessen distanziert, sich zum Aufbau eines einheimischen Klerus bekennt und die Bedeutung der Ordensfrauen für die Ausbreitung des Glaubens hervorhebt. Mit dem ausserordentlichen Monat der Weltmission will Franziskus einen neuen missionarischen Elan entfesseln, der nicht mehr vom Norden in den Süden, sondern in alle Richtungen geht.

Mission ist ein belasteter Begriff. Die Arbeitsgruppe setzte sich zum Ziel, Mission als ein positives Konzept der Kirche vorzustellen.
Es stimmt, die Arbeitsgruppe hat sich vorgenommen, den Begriff Mission wieder in die Kirche zurückzuholen. Ausserhalb des kirchlichen Kontextes ist dieser Begriff ja durchaus positiv besetzt. Zudem verkörpern Alternativen kaum den theologischen Gehalt des Missionsbegriffes, auch wenn letzterer unbequem sein kann. Begriffe wie Aufgabe oder Auftrag greifen zu kurz. Der kirchliche Missionsbegriff unterscheidet sich vom weltlichen darin, dass er auf der Mission von Jesus Christus gründet. Weil es einen Sendungsauftrag gibt, eine Mission, gibt es die Kirche. Eine Mission macht man sich nicht, sondern man erhält sie. Darin liegt auch eine gewisse Schwierigkeit. Mission lässt sich nicht einfach kurz und bündig und marketinggerecht formulieren. Die Mission muss immer wieder neu gesucht und neu formuliert werden. Dass der Missionsbegriff auch mal aneckt, muss nicht zwangsläufig negativ sein, sondern kann zu spannenden und klärenden Diskussionen führen. Persönlich denke ich, dass Papst Franziskus einfach unverkrampfter mit dem Begriff umgeht, wie es in seiner lateinamerikanischen Heimat durchaus der Fall ist. Ich sehe den grossen Vorteil darin, dass er keinen Unterschied macht zwischen der «klassischen» Mission im Süden und der Evangelisierung im Norden. Das verkleinert den Graben zwischen Süd und Nord und bringt uns als Kirche näher zusammen.

Als weiteres Ziel legt die Arbeitsgruppe den Schwerpunkt auf die missionarische Seelsorge.
Das Anliegen der missionarischen Seelsorge geht aus den Schreiben des Papstes hervor. Die missio ad gentes hat bei ihm einen sehr hohen Stellenwert, doch es geht auch darum, dass die Getauften «die Freude der Mission [...] leben und das Evangelium in den Umfeldern [...] bezeugen, in denen ein jeder lebt und wirkt».

Auf der Webseite ist die Rede von missionarischen Innovationszentren.
Es gibt Pfarreien und Fachstellen, die einen Schritt weiter gehen möchten und miteinander überlegen wollen, wie mehr Leben in die Kirche gebracht werden kann und wie unsere Kirche missionarischer werden kann. Die Koordination für den ausserordentlichen Monat der Weltmission möchte solche Menschen zusammenbringen, damit von ihnen missionarische Innovationen ausgehen können. Zuerst sind diese für den Missionsmonat gedacht, sie können und sollen jedoch über diesen Anlass hinausgehen. In der Westschweiz sind bereits erste solche Zentren am Entstehen.

Worauf freuen Sie sich in diesem ausserordentlichen Monat der Weltmission am meisten und was erhoffen Sie sich für die Kirche und die Pastoral von dieser Initiative des Papstes?
Der ausserordentlich Monat der Weltmission bringt die Mission als zentrale Aufgabe der Kirche wieder ins Zentrum. Ich freue mich auf Begegnungen und spannende Gespräche und hoffe auf den einen oder anderen missionarischen Aufbruch in unserer Kirche, denn wenn wir weiterhin Trübsal blasen und jammern, begeistern wir niemanden für unseren Glauben.

Interview: Maria Hässig

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