Menschenrechte vor Minenrechten

Der Kampf zwischen Menschen und Grossunternehmen gleicht oft dem Kampf zwischen David und Goliath. Doch wie in der Bibel siegen auch heute manchmal die Kleinen, so kürzlich in Südafrika.

Nonhle Mbuthuma (2. v. r.) mit Mitgliedern des Komitees vor dem Versammlungshaus. (Bild: Colette Kalt/Fastenopfer)

 

Trotz Todesdrohungen liess sich das «Amadiba Crisis Committee», Teil der südafrikanischen Fastenopfer-Partnerorganisation AIDC1, nicht einschüchtern. Das Land ihrer Ahnen sollte nicht wegen des Baus einer Mine zerstört werden. Die Mitglieder gingen bis vor das oberste Gericht – und bekamen Recht. «Ein 120-prozentiger Sieg für die Menschenrechte», sagt die Sprecherin des Komitees.

«Zu Beginn gab es keinen Plan oder ein Konzept. Wir haben aber realisiert, dass es dringend nötig ist, uns zu organisieren, um gegen die Minenfirmen vorgehen zu können. Zuvor waren es die traditionellen Führer, die sich für die Belange der Gemeinschaft einsetzten. Wir wollten aber nicht, dass sie über das Land verhandeln, welches Gemeinschaftsbesitz ist. Sie hätten sich nicht für unsere Interessen, sondern für ihre eigenen eingesetzt», erzählt Nonhle Mbuthuma, die Sprecherin von Amadiba Crisis Committee, auf dem Weg nach Xolobeni an der Wilde Coast am Eastern Cape.

Drei Stunden dauert die Fahrt, weg von der Küstenautobahn durch unberührtes weites Land zur Gemeinschaft der Pondo. In der Ferne glitzert der Indische Ozean. Die Gegend ist bekannt für ihre reiche Biodiversität. Die Naturstrasse ist holprig und schlecht unterhalten. Die Pondo wären bereit, die Strasse selbst zu unterhalten, ist sie doch die einzige Verbindung zu den Schulen, den umliegenden Dörfern, den Küstenstädten und zur Autobahn. Doch nur die vom Staat beauftragten Arbeiter dürfen die Strassen befestigen.

Die Instandsetzung müsste jährlich durchgeführt werden, es genügt ein kräftiger Regen und die Strasse ist komplett aufgeweicht. Rinnen und Löcher sind wahre Hindernisse und zwingen zu langsamer und vorsichtiger Fahrweise. Immer wieder gehen die Pondo von Xolobeni vom südafrikanischen Staat vergessen. Lange mussten sie warten, bis die von ihnen so dringend benötigte Fussgängerbrücke über den Fluss Mzamba gebaut wurde. Etliche Menschen waren auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit schon darin ertrunken. Erst durch die Unterstützung einer österreichischen NGO wurde der sichere Weg über den Fluss gebaut.

Das Land der Vorfahren

Ankunft in Xolobeni. Nonhle Mbuthuma begrüsst die Frauen und Männer vom Amadiba Crisis Committee herzlich. Mbuthuma ist eine charismatische Frau. Die Jüngste der Anwesenden sagt: «Sie ist für mich ein Vorbild. Sie ist meine Mentorin.» Die 15-jährige Sinothando Mthwa besucht die High School, ist in der zehnten Klasse. «Hier», sagt sie, «kann ich so viel über das Land meiner Vorfahren lernen. Ich will das Land beschützen. Es ist meine Heimat, es ist meine Kultur. Dies gilt es zu bewahren, damit es an die nächste Generation weitergegeben werden kann.»

Der südafrikanische Staat hat diesen Landstrich unter Schutz gestellt, da er sehr nahe an der Küste des Indischen Ozeans liegt und der Pegel, bedingt durch die Klimaerwärmung, stetig steigt. Aus diesem Grund darf auch keine Landwirtschaft betrieben werden. Gleichzeitig aber wurde der australischen Mining Company Trans- world, einem Zusammenschluss verschiedener australischer Minenbetreiber, vom Staat die Lizenz für dieses Gebiet erteilt.

Eines Tages tauchten Männer auf, die Wasserproben nahmen und Messungen machten. Wofür das sei, wollten sie den Bewohnern nicht sagen. Doch schnell wurde ihnen klar, dass Sondierungen für eine neue Mine gemacht wurden. Das Gebiet zählt zu den ilmenitreichsten Gegenden der Welt, auch bekannt als Titaneisen. Würde hier eine Mine eröffnet, wäre ein Landstrich von 22 Kilometern unberührter Natur und Dünen zerstört und die Pondo ohne Heimat.

Der Widerstand wird belohnt

Im März 2016 wurde Sikhosipi «Bazooka» Radebe vor seiner Haustüre erschossen. Er war der erste Sprecher vom Amadiba Crisis Committee. Kurz vor seiner Ermordung hatte er Mbuthuma noch gewarnt, dass auch sie auf einer Todesliste stehe. Sie wurde dennoch seine Nachfolgerin. Doch seitdem verlässt sie das Haus nicht mehr ohne Bodyguard. Nach Bazookas Tod wurden die Sondierungsarbeiten vom Staat für 18 Monate ausgesetzt.

Das Komitee reichte eine Klage gegen die geplante Mine ein und schuf so einen Präzedenzfall. Im November 2018 gab der Oberste Gerichtshof von North Gauteng den Menschen in Xolobeni recht. In seinem richtungsweisenden Urteil wurde festgehalten, dass die Gemeinde an der Wild Coast das Recht hat, Nein zum Bergbau zu sagen. Weiter sei es rechtswidrig, wenn der Staat die Bergbaulizenz erteilen würde, bevor die Gemeinde informiert werde und deren volle Zustimmung vorliege.

Nonhle Mbuthuma erwartet, dass die Minenfirma gegen das Urteil Berufung einlegt. Im Moment fühlen sich die Menschen von Xolobeni aber erleichtert. Auch wenn ihr Kampf noch nicht ausgestanden ist. Denn das Amadiba Crisis Committee fordert Gerechtigkeit für ihren früheren Sprecher Bazooka. Die Umstände seines Todes in Zusammenhang mit dem Widerstand gegen den Bergbau sollen aufgeklärt werden. Zudem hat das Komitee Pläne: Die Wilde Coast mit ihren einzigartigen Buchten soll einem nachhaltigen Tourismus geöffnet werden. Bereits jetzt werden junge Erwachsene zu Life Guards ausgebildet. Menschen, die sonst keine berufliche Perspektive haben, weil ihnen die Ausbildung fehlt oder sie nicht in Städten wie Durban, Kapstadt oder Johannesburg arbeiten wollen. Ein Anfang ist gemacht; am Ende der Holperstrasse steht ein von ihnen betriebenes Gästehaus, das bei Surfern sehr beliebt ist, weitere sollen folgen. Denn hat man die Strasse erst einmal hinter sich gebracht, eröffnet sich die ganze Schönheit von Pondoland.

Colette Kalt

 

1 Alternative Information and Development Centre, 94 http://aidc.org.za

 


Colette Kalt

Colette Kalt (Jg. 1967) ist Verantwortliche PR, Kommunikation und Campaigning bei Fastenopfer.